Dem Paradies so fern. Martha Liebermann

Max Liebermann erlebte die Machtübernahme der Nationalsozialisten hautnah von seinem Balkon aus. Bis heute ist sein Ausspruch von Völlerei und Erbrechen in aller Munde. Wie in so vielen Künstlerleben – Liebermann war im Gegensatz zu vielen anderen jedoch in der Lage stets seine Rechnungen begleichen zu können – stand hinter diesem großen Mann eine nicht minder starke Frau. Martha war ihr Name. Als ihr Max 1935 starb hatte sie noch acht harte Jahre vor sich. Acht Jahre, in denen ihr Haus am Wannsee, das Paradies, nicht mehr selbiges war. Acht Jahre, in denen sie jeden Tag auf Erlösung hoffte. Acht Jahre Warten auf die Ausreise in die Freiheit. Freiheit hieß in ihrem Sinne Amerika. Dort, wo schon Tochter Käthe und Enkelin Maria auf sie sehnsüchtig warteten. Vergebens.

Martha Liebermann war an Kummer gewöhnt, könnte man lapidar argumentieren. Denn ihr Gatte war selten das, was man als Mustergatten bezeichnet. Die Nazis jedoch trieben diesen Zynismus auf die Spitze. Oft boten sie ihr an ihre Heimat verlassen zu können. Zu einem Preis, wohlgemerkt. Einem hohen Preis. Einen, den sie nie und nimmer hätte bezahlen können. Ihr Haus am Pariser Platz, dort wo am 30. Januar 1933 die braunen Schergen im Fackelglanz und mit Marschmusik ihren Triumph bildgewaltig zelebrierten, und wo ihrem Gatten das Kotzen kommen konnte (eingangs erwähntes Zitat), als auch das Haus am Wannsee gehörten ihr schon lange nicht mehr. Finanzielle Ressourcen waren aufgebraucht.

Die Unterstützung aus dem so genannten Solf-Kreis, einer intellektuellen Widerstandsgruppe verpuffte ebenso wie sämtliche Anstrengungen das geliebte Heimatland still und heimlich zu verlassen. Zur falschen Zeit am falschen Ort – eine gewissenlose Phrase wie sie nur ein menschenverachtendes System benutzen konnte.

Martha Liebermann entkam ihrer persönlichen Endlösung nur durch eigene Vergiftung. Als sie im März 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden sollte, lag sie bereits im Koma. Das war ihre Antwort auf die Perfidität der herrschenden Klasse.

Sophia Mott rückt eine Frau in den Mittelpunkt ihres Romans, die allzu lange im Schatten ihres übermächtigen Mannes stand. Die acht Jahre harten Kampfes um Selbstentwurzelung (ein Wort, das wohl nur LTI-Fetischisten in Erstaunen versetzt) reichert sie mit Rückblenden aus einem Leben an, das materiell reichhaltig, inhaltlich gut bestückt, seelisch jedoch ein Stück weit vom Glück entfernt war. Umso wichtiger ist dieses Buch!