Der Kramladen des Glücks

Gustav ist ein echter Glückspilz! Er strahlt die Welt an und sie strahlt zurück. Doch das Glück bekommt schon früh Risse. Denn Gustav ist sensibel. Nicht im Sinne, dass er bei jeder Kleinigkeit anfängt zu heulen, sondern, dass er ein aufmerksamer Beobachter ist. Sein älterer Bruder Rudolf nimmt sich gezwungenermaßen seiner des Öfteren an. Das machen große Brüder so. Widerwillig und pflichtbewusst.

Die Zeit vergeht und Gustav wächst heran. In München will / soll er Jura studieren. Doch das Studium reizt ihn kaum. Und so verbringt er mal Zeit in Vorlesungen in Ägyptologie oder anderen Studienfächern. Und er verbringt Zeit mit Frauen.

Die sehen in ihm allerdings nicht den Mann fürs Leben. Geliebtes Anhängsel, gesprächiger Begleiter, romantischer Zeitvertreib – für Gustav gibt es viele Bezeichnungen. Doch Liebhaber, potentieller Gatte – das wird er niemals sein. Irgendwo zwischen Hansguckindieluft und Bohème ist er anzusiedeln. Ihn stört es kaum. Bis auf die Sache mit den Frauen. Das würde schon ganz gern in den Griff bekommen.

„Der Kramladen des Glücks“ ist der erste Roman von Franz Hessel. Er erschien 1913. Schon allein der Titel macht neugierig. Was ist denn gerade im Angebot in diesem Laden? Irgendeine Empfehlung? Ja! Lesen! Wie ein unschlüssiger Kunde streift man durch diesen Laden und ist fasziniert von der Vielfalt der deutschen Sprache. Hessel verleiht seinem Helden Flügel. Die benutzt der jedoch nicht, um großartige Expeditionen zu unternehmen, sondern vogelfrei herumzuflattern. Nie ganz dem Kindesalter entflohen, darf er sich auch so benehmen. Gustav kann man nichts übel nehmen.

Er ist ein ewig Suchender, von dem man weiß, dass er niemals ankommen wird. Und man möchte es auch nicht. Wie ein Voyeur betrachtet man aus sicherer Entfernung wie sich Gustav in Liaisons verrennt und kläglich scheitern muss. Die Risse im Herzen kittet er schnell und nachhaltig. Was ihn nicht davon abhält weitere Verletzungen in Kauf zu nehmen. Ihn sachlich nüchtern als fünftes Rad am Wagen zu bezeichnen, käme seinem Naturell in keiner Weise nahe.

In diesem Kramladen findet jeder etwas. Ein Sammelsurium des Glücks und der Verzweiflung, aber niemals die Rumpelkammer eines Sünders. Es ist ein aufgeräumter Laden, den man gern betritt, weil man immer fündig wird. Der Preis ist ein lang anhaltendes Lächeln. Was will man mehr?