Atlas der verlorenen Städte

Es gibt Orte, die gibt es gar nicht (mehr). Und es gibt Orte, die darf es eigentlich gar nicht geben. Und es gibt Leute, die behaupten beispielsweise sich in Centralia, Pennsylvania erkältet zu haben, weil dort permanent niedrige Temperaturen herrschen. Glauben Sie letzteren niemals. Denn Centralia ist ein ziemlich warmer Ort. Hier brennt die Erde seit über einem halben Jahrhundert. Zu Ehren des Memorial Days wurde ein Feuer entzündet. Dumm nur, dass dicht unter der Erdoberfläche der Reichtum der Stadt lag: Kohlevorkommen. Und das Feuer züngelte nun nicht nur gen Himmel, sondern auch gen Hölle. Selbige brach alsbald auch aus. Der Boden hob sich und als er sich Jahre später auftat, beschloss man den Ort zu evakuieren. Ein paar Widerständler leben tatsächlich noch in Centralia. Doch selbst die Post kann hier – offiziell – kaum noch etwas zustellen. Dem Ort fehlt schlichtweg die Postleitzahl. Centralia ist ein Ort, den also gar nicht mehr geben dürfte.

Karthago hatte ein ähnliches Schicksal. Heute ist von der einstigen Perle am Mittelmeer nicht mehr viel übrig. Die Hauptstadt Tunis verdeckt den Blick und hat sich Teile Karthagos einverleibt. Oder Kolmanskop in Namibia. Als hier Diamanten entdeckt wurden, brach ein unerwarteter Boom los. Der verebbte als in der Umgebung weitere Diamantenfunde auftraten. Kolmanskop versandete im Spiegel der Geschichte. Heute ist es eine Touristenattraktion, die teuer erkauft werden muss und dem Besucher nicht viel mehr als Requisiten bietet.

Aude de Tocquevilles „Atlas der verlorenen Städte“ ist ein Ausflug in längst vergangene Tage, an Orte, die dem Begriff Ödnis frisches Blut liefern oder einfach nur die Phantasie beflügeln. Alle Städte haben einmal existiert. Ihre Bewohner konnten sich glücklich schätzen sich als Einwohner bezeichnen zu dürfen. Doch der Zahn der Zeit, Katastrophen, Plagen etc. machten sie zu Legenden. Afrika, Amerika, Europa, Asien – jeder Kontinent ist durch die gemeinsamen Schicksale seiner Städte miteinander verbunden. Das mystische Babylon ist, das gigantische Prora, das verschlafene Balestrino – Orte des Handels, der Protzerei und der Angst. Verlassen wegen Krieg, wegen des Images oder aus Vorsicht. Jedes einzelne Kapitel, jeder einzelne Ort füllt die Geschichtsbücher dieser Welt mit Legenden und Erzählungen. Manche sind wahr, viele überzogen. Wer heute noch echte Abenteuer erleben will, beginnt seine Reise am besten auf Seite Eins dieses Buches!