Tschechien

Die Wiedervereinigung Deutschlands hätte mit einem Hauch Tschechien beginnen wollen. Es scheint fast so als ob hier der gemeinsame Nenner beider nun vereinigter Länder liege. Ob Seebär aus Lübeck, Bäcker aus Dresden, Schweißer aus Bochum oder Lokführer aus Magdeburg – in Tschechien traf man sich, unbeabsichtigt oder bewusst. Ost und West teilten sich – und tun es immer noch – dieselben Erlebnisse. Beim Bier in Prag wurden Freundschaften fürs Leben geschlossen. Doch Vorsicht: Wer jetzt meint, dass ein jährlicher Besuch in der Goldenen Stadt einem zum Tschechien-Experten macht, der irrt. Denn Prag ist nur ein Teil Tschechiens. Nicht überall ist an einem Septemberherbstmontagabend Halligalli auf den Straßen.

Michael Bussmann und Gabriele Tröger haben zum vierten Mal ihren Tschechien-reiseband überarbeitet. Immer noch knapp siebenhundert Seiten stark und unentbehrlich den kleinen Nachbarn mit Grenze nach Bayern und Sachsen näher kennenzulernen. Der Hauptstadt Prag ist gleich das erste Kapitel gewidmet, doch der MM-City-Reiseband der beiden geht da noch viel weiter ins Detail. Richten wir unser Augenmerk auf das, was außerhalb der Millionenstadt Prag in Tschechien passiert.

Im Osten erheben sich die Berge Mährens. Brno als zweitgrößte Stadt Tschechiens ist für alle, „die Prag mal außen vor lassen wollen“ der ideale Ausgangsort Pfaden nicht nur zu folgen, sondern gleich selbst anzulegen. Wanderwege in Nord- und Südmähren sind einwandfrei ausgeschildert, dennoch bieten sie Neugierigen immer wieder die Möglichkeit abseits davon eigene Erkundungen anzustellen.

Westböhmen hingegen wurde nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schnell zum Touristenziel. Auf den ersten Blick weiß man gar nicht so recht warum. Wenn man aber die Namen der Städte vernimmt, dämmert’s: Plzen (kein Schreibfehler Pilsen wird tatsächlich so geschrieben – nicht alles glauben, was auf Bierflaschen steht!), Karlovy Vary, Mariánské Lázně und Františkovy Lázné klingen auch im ungewohnten Tschechisch wie wohlklingende Verheißungen. Schon Kaiser, Könige und die, die sich für selbige hielten, sonnten sich, kurten und urlaubten hier. Die Wege in diese Orte sind exzellent ausgeschildert, man kommt nicht herum sie zu besuchen. Es lohnt sich, sowohl in als auch außerhalb der Saison. Die Vietnamesenmärkte mit Zigaretten, Markenimitaten und Alkohol gehören vor den Toren der Stadt zum Bild, in der Stadt bewegt die wieder belebte Architektur jeden Besucher zum Bleiben. In den gelb unterlegten Kästen – und von denen gibt es in diesem Buch fast mehr als Bilder (217 Farbfotos!) – zeugen von der geschichtsträchtigen Vergangenheit dieses Landstriches.

Wer ein Land kennenlernen will, geht auf die Menschen zu, dieses Prinzip gilt weltweit. Wer Tschechien schon vor dem Grenzübertritt kennenlernen will, muss nur ein paar Seiten in diesem Buch blättern und schon ist er infiziert. Das Virus bekommt man nur schlecht wieder heraus. Paddeln auf der Moldau, schmucke Renaissancebauten in Prachatice, Wandern im Kubany-Urwald … und alles verbunden mit einer bodenständigen, teils langanhaltenden Küche, gepaart mit genüsslichem Bier, vor atemberaubender Kulisse zu vieler Orts mehr als erschwinglichen Preisen. Tschechien lohnt sich für die, die schon immer hierher gefahren sind, für diejenigen, denen Prag zu voll ist und vor allem für Tschechien-Neulinge.