Das Casting

Sieben Jahre ist es her, dass Aoyama seine Frau verlor. Krebs. Seitdem ist der Dokumentarfilmer allein mit seinem Sohn Shige. Der ist mittlerweile schon fünfzehn und geht immer öfter eigene Wege. Und macht sich auch seine Gedanken. „Willst Du nicht wieder heiraten?“, platzt es eines Tages aus dem Teenager heraus. Aoyama wird plötzlich aus seiner Lethargie gerissen. Er trifft sich mit seinem ehemaligen Kollegen Yoshikawa. Der ist begeistert, das Aoyama wieder auf andere Gedanken kommen will. Er weiß allerdings auch, dass sein Freund besondere Ansprüche an die neue Neue stellen wird. Zwei kreative Medienmacher zusammen in einem Restaurant . klar, dass das was rauskommen muss. Yoshikawa fährt auch gleich die ganz großen Geschütze auf. Ein Casting. Für einen Film. Betrug entfährt es gleich Aoyama. Die Bedenken kann Yoshikawa sofort beiseiteschieben. Im Nu hat er einen Marketingplan parat. Werbung im Radio, er hat sogar schon die Zielgruppe und somit die Sendezeit im Kopf. So als wenn er den Plan schon seit Jahren in der Brieftasche mit sich herumträgt und nun endlich das zerknitterte Papier mit einem Taraaaa präsentieren kann. Naja, wenn’s gar nicht anders geht?!

Schon vor der eigentlichen Fleischbeschau, die für Aoyama den erhofften Segen bringen soll, fällt dem Witwer eine Dame besonders auf: Yamasaki Asami. Sie hat was. Sie wird es werden. Der neue Star! Dass das Casting eigentlicheinen anderen Grund hatte, wird er ihr schon irgendwann erklären können.

Und siehe da. In der Fragerunde, in der sich so manche wie typische Casting-Touristen gebärden – von bis auf die Knie fallen bis hier zum Striptease ist alles dabei – erweist sich Yamasaki Asami als die einzige geeignete Kandidatin. Das Ballett war mal ihre Leidenschaft, ihr Ausweg aus der Schwiegervaterhölle. Doch eine Verletzung beendete jäh den Traum. Aoyama und Yamasaki Asami verbringen von nun an mehr Zeit miteinander. Der Altersunterschied von einer Generation ist nicht existent. Sie lernen sich kennen, und begehren. Aoyama ist ganz Gentleman und drängt die junge Frau zu gar nichts. Seine Geduld wird belohnt. In einem Hotelzimmer kommen sich die beiden endlich auch körperlich näher. Es wird für Aoyama eine Nacht, die er nicht vergessen wird.

Ryū Murakami legt dem Leser ein kleines Leckerli hin. Ein einsamer Witwer blüht durch eine kleine List, eine Notlüge wieder auf. Er hat Glück, denn selbiges klopft prompt an die Tür. Auch sie ist auf der Suche nach Liebe, Geborgenheit und Glück. Mit einem Karateschlag werden Held und Leser schwer getroffen. Was ist das? Woher kam das? Denn das Glück hat selbst einen Tritt in die Magengrube erhalten. Ein teuflisches Spiel, blutrot getränkt schwing sich auf alles bisher Gelesene in Frage zu stellen. Schon mit „Coin Locker Babys“ spaltete Ryū Murakami die japanische Literaturszene. Und zwar in erfolgreiche Autoren und ihn. Ryū Murakami ist eine Liga für sich.