Geschichtenjäger

Soll es das wirklich schon gewesen sein? Das letzte Werk von Eduardo Galeano. Ja, leider. Doch trauern wir nicht um ihn, sondern feiern wir seine letzten Kurzgeschichten und freuen uns darauf, dass sie endlich auf Deutsch erschienen sind.

Wer sich auf dieses Buch einlässt – und schon nach wenigen Zeilen und

Seiten ist man ein Gefangener der Sprachlust Eduardo Galeanos – wird so schnell nicht mehr loskommen. Das ist keine Warnung, es ist ein Versprechen! Es sind kurze Geschichten, manche nur wenige Zeilen lang, die so intensiv ihre Moral versprühen, dass man sie als Sinnsprüche ausschneiden und an die Wand kleben möchte.

Kurze Erinnerungen an scheinbar törichte Handlungen geben sich die Klinke in die Hand mit Geschichten über Kriege und Diktatoren. Naturphänomene wie der ersten Flöte Amerikas stehen im Wechselspiel mit Gedanken über die Zahl Null.

Eduardo Galeano war ein Schreibbessener. Die Wucht und Präzision seiner Worte überragen noch lange Zeit den literarischen Himmel Südamerikas. Während der Militärdiktatur in Uruguay fand er Asyl in Spanien. Mitte der 80er Jahre konnte er in sein Heimatland zurückkehren.

Die Erinnerungen an Entwurzelung, aber auch die Kindheit tragen seine Geschichten. Egal in welcher Länge. Man schwimmt in einem Strom aus Buchstaben, Silben, Wörtern und Neuschöpfungen und versucht erst gar nicht dem Ertrinken die Stirn zu bieten. Lieber in den Zeilen Galeanos den Tod finden als niemals auch nur eine Zeile dieses Geschichtenjägers gelesen zu haben.

Monstern zieht er behände den unheilvollen Zahn. Mit Poesie kreiert er Wesen, die im Meer notwendige Abrieten verrichten, ohne zu klagen. Selbst so profane Ereignisse wie Fußballspiele bekommen bei Galeano eine besondere, neue Dimension.

„Geschichtenerzähler“ wird durch die allerletzten Texte Galeanos, die nie veröffentlicht wurden, ergänzt. Kritzeleien sollten sie heißen. Doch die letzten Zeilen sind die Quintessenz eines viel zu kurzen Schriftstellerlebens. Es war die Neugier, die ihn antrieb. Die Neugier nach dem, was noch kommt, und die Neugier auf das, was war. Es niederzuschreiben, für die Nachwelt zu erhalten, war nur die logische Konsequenz.