Ich bin eine befreite Frau

Fast scheint es, als ob es ein Vorrecht der Frauen ist, frei zu sein. Zumindest, wenn man Annette Seemanns Biographie über Peggy Guggenheim liest. Sie hatte ja auch genug Geld, um sich zu befreien, spötteln ihre Kritiker. Da muss wohl einiges zurechtgerückt werden…

Ja, es ist richtig, Peggy Guggenheim kam 1898 mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund zur Welt. Doch bis zu ihrem 21. Lebensjahr konnte sie nicht frei über ihr Vermögen bestimmen. Außerdem war sie ein Mädchen und nur die Jungens, ihre Brüder durften mit dem redlich erarbeiteten Geld arbeiten und es vermehren. Peggy war die dritte Generation der Liaison aus Franken und der Schweiz.

Schon früh setzte sich ihr Trotzköpfchen durch. Der gerade Weg war nie ihr Ding. Links und rechts ist es eh viel bunter und interessanter. Wenige Jobs füllten sie aus. Männer und Frauen weckten da schon eher ihr Interesse. Ohne luderhaft zu wirken, gab sie sich dem Bohemian-Life-Style – wie man es heute vielleicht nennen würde – hin. Paris war ihr Gravitationsfeld. Energisch sog sie das Künstlerleben in der Seine-Metropole auf. Der Surrealist Marcel Duchamp wurde ihr (nicht immer, letztendlich aber doch) treuer Weggefährte, der ihr den Unterscheid zwischen Kunst und Ramsch und Surrealismus und Abstraktion erklärte. Jean Cocteau gehörte genauso zu ihrem erlesenen Freundeskreis wie später der Schriftsteller Samuel Beckett und der Fotograf May Ray.

Peggy Guggenheim liebte es zu leben. Doch immer wieder rannte sie sehenden Auges ins Unglück. Ehen zerbrachen an Eifersüchteleien und Gewalt. Ihr eigener Lebensplan stand mehr als einmal auf der Kippe. Ihr Freundeskreis war – oft in wechselnder Besetzung – immer für sie da. Genauso wie sie immer für diejenigen da war, denen sie zu Dank verpflichtet war. Ihrer Lehrerin in Teenagertagen überweis sie bis ans Lebensende eine monatliche Rente – die Dame wurde über 90 Jahre alt.

Venedig sollte nach den Grauen des Weltkrieges ihr neues Paradies werden. Die Liebe zur Kunst und zu Künstlern – der Expressionist Max Ernst war ihr zweiter Ehemann, nachdem aus Paris vor den Nazis flüchten mussten – sowie ihr unbändiger Durst nach Rebellion machten sie zu einer angesehenen und vor allem einflussreichen Kunstmäzenin. In ihrer Familie war es seit jeher Gang und Gäbe Künstlern eine Präsentationsfläche zu bieten. Natürlich nicht ohne finanzielle Hintergedanken. Peggy wurde mit ihrer Galerie oft belächelt und sogar beschimpft. Von familiärer Seite! Schlussendlich war sie es aber, die beispielsweise Jackson Pollock den Weg ebnen konnte zu einem der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts zu reifen.

Ihrer Wahlheimat, und es war eine zweite Heimat für sie, Venedig blieb sie treu. Dort ist sie auch begraben, ihr Museum ist eines der meist besuchten Museen der Stadt. New York rühmt sich ebenso mit dem gleichnamigen Museum und Bilbaos Aufstieg zum Touristenmagneten ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden.

Peggy Guggenheim war sicherlich ein streitbarer Mensch. Wen sie nicht mochte, bekam das auch zu spüren. Doch über die Jahrzehnte hinweg versprüht ihr Name noch immer den Hauch von Eigensinn, gepaart mit Durchsetzungskraft und dem Willen zur Erneuerung. Das ist Freiheit, die sie meinte, und die sie sich erkämpfte.