Paris abseits der Pfade, Band II

Kann man das Besondere noch besonderer machen? Ist nicht schon alles über Paris geschrieben worden? Ist die Stadt nicht ein offenes Buch? Nein! Man mag es kaum glauben, aber im Überfluss der Parisbücher gibt es immer wieder grelle Lichtquellen, die die Massenproduktion über die Stadt der Lichter, die Stadt der Liebe in den Schatten stellen.

Zwei Jahre ist es her, dass Georg Renöckl den ersten Funken in den Orbit der besonderen Paris-Bände entsandte. „Paris abseits der Pfade“ war der ambitionierte Name, der das Versprechen des Titels auf jeder Seite hielt. Nun folgt Band Zwei. Fortsetzungen haben immer den Beigeschmack, einen Erfolg auf Teufel-Komm-Raus ewig in die Länge zu ziehen. Georg Renöckl schafft es scheinbar spielerisch diesem Trend mit Inhalt, Spannung und wahrer Detailverliebtheit ein Schnippchen zu schlagen. Denn auch der zweite Band (wie schon bei den beiden Wien-Büchern der Reihe, Georg Renöckl schuf den zweiten Teil) wird selbst Paris-Kenner in Erstaunen versetzen.

Schon allein die Auswahl der Viertel, die er unter die Lupe nimmt, verheißen Paris par excellence: Saint Germain des Près, Montmartre, Bois de Boulogne. Das ist Paris! Das ist es, was der geneigte Paris-Besucher sehen will. Und das bekommt er auch. Doch eben nicht die Wegbeschreibungen zum nächsten Shoppingtempel oder der nächsten Würstchenbude. Nein, Georg Renöckl schlendert mit geschärften Sinnen durch die „besseren Viertel“, um dem Schmelztiegel Paris beim Verknüpfen von Vergangenheit und Gegenwart zu einer Zukunft zuzuschauen. Und immer mit dabei: Der Leser.

„Auf diskreten Wegen durch den goldenen Pariser Westen“ heißt ein Kapitel, das das Anliegen des Buches am besten widerspiegelt. Villen prägen das Panorama, das den Besucher empfängt, wenn der die Metro an der Station La Muette verlässt. Etwas mehr als eineinhalb Jahrhunderte ist es her, dass die Bewohner von Ateuil und Passy sich als Pariser bezeichnen dürfen. Napoleon III. hatte das Ruder fest im Griff (naja, was man halt landläufig als „fest“ bezeichnet) und Haussmann befehligte eine Armada von Baugeräten. Hier lässt es sich aushalten. Wer im sechzehnten Arrondissement lebt, genießt tagtäglich die Aussicht auf das Paris der Hochglanzprospekte. So der erste Eindruck. Doch hier gibt es noch mehr. Die Vergangenheit mit den mehrstöckigen, effektvoll verzierten Häusern fällt einem immer wieder ins Auge, das Museum Marmottan lädt zum Verweilen ein (inkl. Monet), doch dann stürzt die Gegenwart mit ihren Zukunftsplänen das verträumte Auge mitten in die Realität. Der moderne Wohnungsbau mit all seiner Phantasielosigkeit türmt sich vor einem auf. Auch das ist Paris. Kleine Grünanlagen besänftigen sofort wieder das Gemüt, bevor die Reise kurz für Lapin à la moutarde unterbrochen werden kann. Das Rezept hat Georg Renöckl für die „Daheimgebliebenen“ gleich mit abdrucken lassen.

Victor Hugo bezeichnete das Flanieren als pariserisch. Georg Renöckl führt diese Aussage weiter und breitet nun schon zum zweiten Mal den roten Teppich als Beweis selbiger für den Parisgast aus. Auf ihm im Blitzlichtgewitter der Stadt zu schreiten, ist ein Wohltat für jeden einzelnen Sinn.