Unbescholtene Bürger

Da muss man schon einen Stich haben, wenn man im Paradies etwas anstellt, wofür andernorts aus selbigem vertrieben wird. Und damit Justitia nicht blind bleibt, gibt es Leute wie Jack Teddyson, Privatermittler. Eigentlich heißt er Raymond Vauban, Martinique ist französisches Gebiet in der Karibik, doch Jack Teddyson klingt martialischer, wenn man das „Teddy“ nicht so stark hervorhebt.

Sésostris Ferdinand wurde ermordet. Da ist den Behörden bekannt. Sie ermitteln auch, nur leider mit so gar keinem Erfolg. Deswegen wendet sich die Witwe des Verstorbenen Irmine an die abgewrackte Spürnase. Das Honorar, das er aufruft, schreckt sie nicht ab. Ihr Gatte war schließlich vermögend.

Der Fall ist auf Martinique so bekannt, dass selbst der Zuhälter von Jack Teddysons Immer-Mal-Wieder-Freundin bzw. Gespielin Veronica dem Schnüffler ins Gewissen redet. Beziehungsweise ihm seine Stirn ins Gewissen, vor die Stirn donnert. Das saß! Ehemalige Angestellte von Sésostris Ferdinand geben weiter Hinweise, die Jack auf die Spur eines Glückspiels bringen, bei dem die Gewinnerstraße eine verdammt enge Gasse ist. Viele Angestellte verloren so und oft ihren ohnehin nur als Hungerlohn zu bezeichnendes Salär. Ein Motiv? Und sehr viel Verdächtige? Kann doch nicht sein – das hätte die Polizei schon genauso herausgefunden, oder?!

Einen Geldregen erhält Teddyson von einem schwerreichen Martinikaner, dessen unehelichen Sohn er schlussendlich gefunden hat. Die Kohle ist allerdings schnell wieder futsch, da er sie bei einer weiteren Freundin deponiert hat. Die wiederum hat nichts Besseres zu tun als auszubüchsen. Dem Ganzen die Krone setzt allerdings der Fakt auf, dass der wiedergefundene – uneheliche – Sohn des Schwerreichen irgendwie auch mit dem Tod von Sésostris Ferdinand zusammenhängt.

Verwirrt? Keine Angst, es löst sich alels auf. Jack Teddyson schwirrt nicht weniger der Kopf. Er verflucht jedes Kapitel dieses, dessen Erzähler er ist, weil immer mehr Verdächtige auftauchen und verschwinden, neue Zusammenhänge hervortreten und Freunde nicht immer alles und sofort erzählen. Selbst der treue Inspector Maxo, der einzige Bulle, dem Jack vertrauen kann, behält noch einiges für sich. Irgendwie könnte man die Sache auch so sehen: Alles nur Unschuldslämmer, die nichts verbrochen haben. Also nur unbescholtene Bürger! Von wegen…

Schlank mit kleiner Wampe – genetisch bedingt – und unnachgiebig im Umgang mit Behörden, Zeugen und Verdächtigen muss Jack Teddyson sich durch ein Dickicht kämpfen, das jeder besser kennt als er selbst. Martinique ist klein, jeder kennt jeden, da fällt es schwer sich hervorzutun und sich einen Vorteil zu verschaffen. Raphaël Confiant lässt seinen Helden schwitzen und nimmt den Leser in den Schwitzkasten. Wer diesen Roman vor dem Finale beiseitelegt, braucht schon eine verdammt gute Ausrede. Ansonsten heißt es: Aufschlagen – Lesen – Träumen.