Die Legende vom unsterblichen Hugo Sterber

Hugo Sterber ist das enfant terrible der Literaturszene Österreich. Seine Bücher strotzen nur so von Ablehnung der Konventionen. Seine Lesungen sind Happenings des bad taste. Die Massen strömen in die Säle, in denen Hugo Sterber seinem Namen alle Ehre macht und dem Normalen den Garaus machen will.

Harry Stroh hingegen ist ein geachteter Autor von Koch, reise- und Essbüchern. Man vertraut seinem Scharfsinn und folgt seinen Thesen. Ein Wort von ihm und alle hängen an seinen Lippen. Eigentlich wie bei Sterber. Harry Stroh liest aber nicht öffentlich. Hugo Sterber schon. Es ist fast so als ob Sterber nur schreibt, um öffentlich provozieren zu können.

Die beiden Autoren verbindet eine enge Freundschaft. Es ist eine Symbiose. Jeder hat sein Leben, doch ohne den anderen, sind sie nur halb so sehr sie selbst. Denn Harry Stroh ist Hugo Sterber. Also nicht wirklich. Hugo ist Harry on stage. Nicht ein Wort von Hugo Sterber stammt aus der Feder von Hugo Sterber, sondern entsprang zu hundert Prozent dem Hirn von Harry Stroh. Was sich selbstredend nicht mit dem Image des nüchternen Sachbuchautors verbinden lässt. Also schreibt Harry Stroh die deftigen Sätze, die Hugo Sterber so effektvoll in Szene setzt. So weit so gut. Wenn die Maschinerie läuft, kann sie niemand aufhalten. Auch Lore nicht, Harrys Frau und Inhaberin des Verlages, in dem Harry seine lukullischen Eindrücke veröffentlichen darf. Lore weiß von Hugo, kennt jedoch nicht einmal ansatzweise dessen Bedeutung für ihren Gatten. Doch was, wenn der Motor spuckt, stottert und ins Stocken gerät?

Immer kurz bevor ein neuer Sterber zum Leben erweckt wird, muss Hugo zur Entgiftung in die Berge. Harry schickt ihn dann ins Salzkammergut, um nüchtern zu werden. Kalter Entzug, um dem Strohmann die Möglichkeit zu geben wieder ein echter Sterber zu werden und das wortrauschsüchtige Publikum befriedigen zu können. Denn Hugo Sterbers Angriffslust auf der Bühne kommt nicht von ungefähr. Hochprozentiges und Blutbahnerweiternde Chemikalien machen aus dem ohnehin schon ausgeprägten Anarchistencharakter eine lebensgefährliche Rampensau.

Das neue Buch ist fertig, die Tour der Anmaßungen kann beginnen und Hugo nur noch aus dem cold-turkey-exil befreit werden. Doch Hugo ist weg! Verschwunden, abgestürzt, nicht nur sinnbildlich. Für die Öffentlichkeit darf das nicht so sein. Für sie muss Sterber noch unter den Lebenden weilen? Harry Stroh muss sich was einfallen lassen.

Ernst Wünsch kreiert mit Harry Stroh und Hugo Sterber ein kongeniales Duo, das leider hier auch schon wieder von der literarischen Bühne verschwindet. Ein geschäftstüchtiger Schreiber, ein chaotischer Lebemann, die nur zusammen etwas schaffen, das ein Mensch allein gar nicht im Stande ist zu stemmen. Immer wieder malt man sich als Leser die Situationen aus, in die Harry geraten kann, wenn Hugo nicht spurt. Doch soweit kommt es nicht. Wirt und Wurm, Harry und Hugo, Schreiber und Repräsentant sind sich zu nahe, um dem Anderen ein Schnippchen zu schlagen. Nur das Schicksal besitzt diese Macht…