Wasserblaue Augen

Die nordspanische Region Galicien ist vor allem durch seine Pilger nach Santiago de Compostela bekannt. An der Grenze zu Portugal liegt Vigo, eine Stadt mit knapp 300.000 Einwohnern und zwei Helden, die hier jeder kennt. Domingo Villar wurde hier geboren – ich echt, und er gebar hier Leo Caldas – gedruckt. Leo Caldas ist Polizist und hat eine Radiosendung, in der jeder seinen Frust und seine Sorgen loswerden kann. Leo Caldas wird bei seiner Arbeit von Rafael Estévez unterstützt. Aufbrausend und ungeduldig, das ist Estévez. Ruhig und gewitzt – das ist Caldas. So was funktioniert nur in Romanen. So wie in „Wasserblaue Augen“, dem Erstling von Domingo Villar, für den er aus dem Stand mehrere Preise einheimste.

Gerade als Leo Caldas mit seiner Radiosendung fertig ist, klingelt das Telefon des Inspektors. Eine Leiche wurde gefunden. Mit einem Schlag wird Caldas aus dem sicheren Studio auf die rauen Straßen der Realität geholt. Doch es soll noch schlimmer kommen. Wasserblaue Augen hatte der Tote – Ironie des Schicksals ist, dass Wassermangel genau seinen Tod verursacht hat. Aber nicht wie man allgemein annimmt durch „normales“ Verdursten. Nein, dem Toten wurde Formaldehyd an eine sehr delikate Stelle gespritzt. Der komplette Unterleib ist ausgetrocknet. Da war Wut im Spiel! Leidenschaft!

Was zuerst sich verwirrend liest, führt schlussendlich zum Ziel. In Ermangelung eindeutiger Hinweise gehen die beiden Ermittler der Spur des Formaldehyds nach. Denn das bekommt man nicht an jeder Straßenecke. Hat man allerdings Zugang, ist es ein leichtes, etwas davon abzuzapfen.

Luis Reigosa war Saxophonist und Musiklehrer. Und schwul. Das wusste aber jeder, der in näher kannte. Dimas Zuriaga hingegen ist mit der bezaubernden Mercedes verheiratet. Doch die Ehe der beiden ist maximal noch das Papier wert, auf dem sie steht. Zuriaga, der reiche Mäzen und Reigosa, der für seinen Traum hart arbeitende Musiker kannten sich. Zuriaga streitet das ab. Ein Motiv für einen Mord?

Domingo Villar nennt Manuel Vázquez Montalbán und Andrea Camilleri seine Vorbilder. Keine schlechte Wahl. Und er nimmt sich die beiden wirklich zu Herzen. Ab der ersten Seite ist man in der Geschichte, im Landstrich und in den Seelen der Protagonisten. Das gibt es kein Vertun: Wer Domingo Villar im Urlaubsgepäck hat, wird keine langweilige Minute erleben. Erst wenn das Buch ausgelesen ist, kehrt Ernüchterung ein. Aber dann kann man es ja noch einmal lesen. Und noch einmal, und …