Der Minutenschläfer

Was ein Name: Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen. Ganz altes Adelsgeschlecht. Tief in deutscher Geschichte verwurzelt. Piekfein. Weiß nicht, was „die da unten“ alles so treiben. Sollte man meinen, wenn man den Namen liest. Doch Hasi, so wird Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen von allen gerufen, schlägt ein wenig aus der Art. Neunundzwanzig Jahre, Radfahrer, abgebrochenes Studium, dem Geldsegen abgewandter Hans-Guck-In-Die-Luft. Ein Freund bietet ihm an in seiner Immobilienfirma zu arbeiten. Ohne Erfolg. Hasi ist zu ehrlich. Statt seinen potentiellen Kunden die Vorzüge der gezeigten Immobilie anzupreisen, weist er auf die Mängel hin. Auch dazu scheint er nicht gemacht. Und dann auch noch das: Ein Wagen schneidet ihn, Hasi liegt im Gebüsch. Und die Polizei, die zufällig gerade vorbei patrouilliert, hält ihn für einen Dieb, der gerade seinen nächsten Coup plant.

Nur kurze Zeit später muss Lydia Klimm, die Chefin der achten Mordkommission die Leiche einer jungen Frau identifizieren. Sie kennt die Eltern des jungen Dings, das auch nicht gerade vor Ehrgeiz strotzt. Den Silberlöffel im Mund will sie lieber mit ihrem Freund am Mittelmeer eine Kampfschule eröffnen. Kämpfen kann sie, nur eben nicht gut genug, um einer Diebesbande (dieses Mal ist es echt!) das Handwerk zu legen. Das japanische Küchenmesser teilt ihre Kehle. Und nun kommt Hasi wieder ins Spiel.

Lydia Klimm passt eher zum Ruf von Hasis Familie, oberflächlich betrachtet: Für die Witwe ist es bis zur Rente nicht mehr weit, sie fährt einen noblen Sportwagen, und sie ist in der Berliner High Society bzw. mit ihr vertraut.

Ebenfalls gut vernetzt ist Hasi. Alle mögen ihn, bieten ihm ihre Hilfe an, doch Hasi ist ein Schlawiner. Wenn’s brenzlig wird, also eine Arbeit in Aussicht ist, sucht er das Weite. Doch jetzt hängt er am Haken. Ein Sommerjob. Wie aufregend. Er soll eine Villa hüten. Eine Villa mit Stil und so mancher Kostbarkeit. Also keine richtige Arbeit. Blöd nur, dass in der Nachbarschaft eine junge Frau ermordet wurde und Hasi irgendwie auf die Fahndungsliste gekommen ist. Sogar an erster Stelle.

Und dann wird ein Matisse gestohlen. Eine Frau liegt in einer Blutlache. Hasi ruft die Polizei, die jedoch wenig erfreut ist als sie feststellt, dass da gar keine Leiche liegt. Alle sehr mysteriös in Milljöh!

Hasi hat es nicht leicht, doch nimmt es ebenso. Noblesse oblige. Der Geldadel hingegen, die Neureichen, die protzig-prolligen irgendwie zu Geld gekommene Mischpoke, juckt Hasi wenig. Wie alles im Leben nimmt er sie hin. Manchmal profitiert er von ihnen, manchmal aber auch kann sie ihm sehr gefährlich werden.

Sue und Wilfried Schwerin von Krosigk – kein Wunder, dass ihr Held Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen heißt – haben einen Helden geschaffen, der nicht so recht ins Bild passt. Wohl erzogen, stilsicher, ehrlich in einer Welt, die besonders letzteres überhaupt nicht zu sein scheint. Nein, sie ist es nicht. Irgendwie wünscht man sich so einen zu kennen. Andererseits sind solche Schnorrer aber auch eine Plage. Als Leser schaut man zu und amüsiert sich über die Tolpatschigkeit von Hasi, ist baff von seiner Überlebenskunst und fasziniert von den Gedankengängen der erfahrenen Ermittlerin, die ihre Kollegen gern mal „Ihr Lieben“ nennt. Und wer weiß, vielleicht wird aus Hasi ja noch was?! Mal sehen, wie es weitergeht.