Die Stadt der weißen Musiker

Dieses Land gibt es auf keiner Landkarte. Die Stadt existiert ebenso nur in der Phantasie des Autors und des Lesers. In dieser Stadt lebt ein Wunderkind. Dschaladat. Ein aufgeweckter kleiner Junge, der wie niemand sonst schafft einer Flöte Töne zu entlocken. Die Magie seines virtuosen Spiels verzaubert von nun alle, die ihn hören.

Doch an eine Karriere wie man sie nun vermuten könnte, ist nicht zu denken. Ishaki Lewzerin nimmt sich des Jungen an als der Krieg näher rückt. In den Bergen suchen und finden sie kurzzeitig Ruhe, um durchzuschnaufen. Doch die Stadt hat keine Ohren für die Poesie der sanften Klänge. Harte Einschläge aus der Ferne dringen an die Ohren der Städter, die längst kapituliert zu haben scheinen.

In dieser namenlosen Stadt regiert die Gewalt. Patrouillen schwadronieren durch die Straßen und Gassen. Jedes bewegliche Ziel wird zum Objekt der schießwütigen Einheiten. Wenn Dschaladat nun seine Kunst zeigen würde, wäre er dem Ende seines jungen Lebens näher als im bewusst ist. Das Einzige, was ihm blieb, was ihn auszeichnet, muss er wohl oder übel aufgeben, um überleben zu können.

Bachtyar Ali schreibt mit einer unfassbaren Poesie von dem Grauen eines menschenunwürdigen Lebens. Wenn man all seiner Phantasie und somit der Zukunft beraubt wird, bleibt nicht mehr viel wofür es sich zu leben und zu kämpfen lohnt. Viele würden die Flinte ins Korn werfen und einem aufgezwungenen Lebensrhythmus folgen. So grau die Realität für Dschaladat ist, so bunt ist sein Herz. Und das strahlt in der Stadt der weißen Musiker wie kaum eine anderes.

Der kurdische Schriftsteller Bachtyar Ali lebt seit er seine nordirakische Heimat verlassen musste in Köln. Mit „Der letzte Granatapfel“ setzte er den Startpunkt für eine literarische Karriere, die mit „Die Stadt der weißen Musiker“ die logische Fortsetzung erfährt. Die Bildsprache Alis ist mit keinem seiner Kollegen zu vergleichen. Dem Leserfällt es fast schon schwer zu glauben, dass Menschen in verzweifelten Situationen tatsächlich noch so hoffnungsvoll sein können. Wenn alle Auswege verstellt sind, zündet Bachtyar Ali eine Kerze an, um seinen Helden den Weg zu weisen.