Agatha Christie – Die Autobiographie

Da sitzt sie nun zwischen all ihren Leichen, die sie in so vielen Jahren um die Ecke und unters Volk gebracht hat. Ein leicht erstaunter und zufriedener Blick. Und vor ihr schon die nächsten Mordpläne, die sie in die Mordmaschine einhämmern wird. Wenn man dem geflügelten Wort folgen darf, schreib worüber Du Bescheid weißt, wird einem angst und bange vor den folgenden über selbstverfassten sechshundert Seiten über das Leben von Agatha Christie.

Denn Leben und Werk der Queen of crime sind an Spannung kaum auseinander zu halten. Zwei Tage vor dem Nikolausfest des Jahrs 1926 verließ sie ihr Haus und kam erst eine reichliche Woche vor Weihnachten wieder. Elf Tage war sie weg. Eine Lücke im Leben der Agatha Christie, deren Rätsle bis heute nicht geklärt ist, die weder eine schrullige Meisterdetektivin und ein blasierter Meisterdetektiv lösen konnten. Und was macht Madame? Sie hüllt sich in Schweigen. Selbst diese Autobiographie lässt es nur zu, dass man spekuliert. Die Zeitungen von damals überschlugen sich. Ehekrach – Mord – Flucht im Affekt – Publicity-Gag? Naja, Mord war es auf jeden Fall schon mal nicht! Fakt ist, dass ihr Bekanntheitsgrad danach unerkannte Höhen erreichte.

Beim ersten Durchblättern – wenn man den Bildteil in der Buchmitte für sich erkundet – fällt auf, dass Verzicht, materieller Verzicht, nicht zum Heranwachsen der Agatha Mary Clarissa Miller gehörte. Haus, Garten, Haustiere, gebildete Eltern: Die Grundlagen waren schon mal gesät. Ihr erster Mann Archibald gab ihr seinen Namen, der schon bald eine Weltkarriere machen sollte: Christie.

Doch die Ehe hielt nicht. Erst mit Max Mallowman wurde Agatha Christies Leben perfekt. Vierzehn Jahre jünger war der Archäologe. Doch er zeigte ihr nicht nur sprichwörtlich, sondern wortwörtlich die Welt. „Unser Haus in Bagdad“ lautet die Bildunterschrift unter einem der Bilder im Buch. Nur eine Station des reiselustigen Ehepaares.

Ganz so viele Wendungen wie in ihren Romanen kann sie in ihrem eigenen Leben nicht vorweisen – das wäre aber auch zu viel des Guten. Aber wer 85 Jahre lebt, hat einiges zu erzählen. Und jedes einzelne Jahr ist wirklich erzählenswert. Wer diese Autobiographie zum Anlass nimmt Agatha Christies Bücher noch einmal zu lesen, katapultiert sich in ein neues Universum. Denn nun wird klar, woher ihr Ideenreichtum stammt. Wenn Hercule Poirot den Mordverdächtigen so leidenschaftlich und detailreich sein Wissen über alte Kulturen mitteilt, muss man schmunzeln, wenn man an die Zeit der Autorin an den Ufern des Tigris liest. Aha, auch der grandiose Ermittler bekam sein Graue-Zellen-Futter von einer Frau. Die Autobiographie ist kein Krimi, es ist das wahre Leben. Allerdings einer mehr als ungewöhnlichen Frau.