Montag

So ein Montag hat’s in sich. Wiedereintritt in die Mühle, des Alltags. Oder doch Startschuss und Aufbruch zu neuen Zielen. Für Mordkhe Markus, Hebräischlehrer in einer revolutionären Stadt, ist die Revolution in Russland nicht unbedingt ein Fluch. Die Ideen der Roten gefallen ihm. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit könnten sie sich noch auf die Fahnen schreiben, dann wäre alles perfekt.

Den Gefallen tun sie ihm aber nicht. Warum auch? Und so sitzt Mordkhe am Fenster, aufgestützt auf seine Arme und schaut dem Treiben „da unten“ zu. Armenmenschen betteln, die Frauen gehen ihrer Arbeit nach, Schüsse fallen. Schnell das Fenster zu. Drinnen ist es sicherer. Die Schriften des Talmuds geben Rat und bieten Ruhe. Besonders im übertragenen Sinne. Doch da draußen tobt das echte Leben…

Moyshe Kulbak ist heute kaum noch bekannt. Geboren 1896 in der Nähe von Vilnius erlebte er die Große Sozialistische Oktoberrevolution, und erlangte mit seinen Gedichten in den 20er Jahren einigen Ruhm. Heute würde er als Poetry-Slammer gefeiert werden. Damals gab’s diesen Begriff noch nicht. Er war eine echte Berühmtheit, die vor ausverkauften Rängen auftrat. Doch schon zwanzig Jahre nach der Revolution wurde ihm der Prozess gemacht. Seine Schriften waren nicht konform mit den Ideen der Kommunistischen Partei. Und ein paar Wochen später wurde er hingerichtet. Stalins Terror nahm Fahrt auf. Das menschenfreundliche System zeigte seine hässliche Fratze. Die Juden, die so sehr auf veränderte, leichtere Lebensbedingungen hofften, wurden mit der bitteren Realität konfrontiert.

„Montag – ein kleiner Roman“ ist ein wahres Kleinod, das das Schicksal des Autors in Auszügen vorwegnimmt. Wortgewaltig und mit vielen Anleihen in der jüdischen Tradition nimmt dieses Buch den Leser mit auf eine Reise in ein unbekanntes Land, in eine vergessene Zeit. Unumgängliche jüdische Begriffe werden im Anhang erläutert, so dass der Lesefluss nur kurz unterbrochen wird. Beim zweiten Lesen wird die Tragkraft des „kleinen Romans“ erkennbar.