Der Riss

Ein Buch über einen Konflikt zwischen zerstrittenen Parteien im Krieg braucht eigentlich nur zwei Zutaten: Partei A und Partei B. Der sich daraus erschließende Zwist ist oft bekannt und das Buch bietet nur selten etwas Erhellendes. „Der Riss“ von Paolo Eimilio Petrillo – der Name lässt es erahnen, von welcher Seite das Problem/der Konflikt betrachtet wird – nimmt sich eines weiteren Themas an. Eines Themas, das man so nicht vermutet hat und dass auch sonst kaum Beachtung findet.

Deutschland und Italien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Europa wird vom Mantel des Schreckens verhüllt. Menschenmassen werden ermordet. Und die Allianz zwischen dem Führer und dem Duce steht fest wie ein Fels in der Brandung. Ein Band, das auch die Alliierten nur schwer zerschneiden können. Doch dann kam der 8. September 1943. Italien löst die Verbindung zum Deutschen Reich. Wie kam es dazu? Und vor allem, welche Spuren hat die Vertragsauflösung hinterlassen?

Fünf Jahre hat Paolo Emilio Petrillo für die Recherchen zu diesem Buch aufgewendet. Fünf Jahre, die ihm viel Neues zeigten und nun als Buch auch auf Deutsch zu neuen Erkenntnissen führen werden. Die Komplexität des Buches erlaubt es nicht auf einzelne Begebenheiten in einer Buchbesprechung einzugehen. Irgendwas würde immer fehlen – und somit den ersten Eindruck verfälschen.

Dieses besagte Datum war ein Einschnitt im Verhältnis Deutschlands zu Italien. Und umgekehrt natürlich auch. Aber war es auch ein Bruch für die Italiener und Deutschen? Oder doch nur für das, was als Italien und Deutschland bezeichnet wird? Fakt ist, dass schon kurze Zeit später dieses Mal in friedlicher Absicht die Deutschen zurückkamen – als Besucher. Als Sonnenanbeter. Und die Italiener? Begrüßten sie mit offenen Armen. Doch kein Riss, der nicht zu kitten ist? Ein eindeutiges Ja!

Der Journalist und Deutschland-Korrespondent Petrillo nimmt sich die Verflechtungen der Jahre 1915 bis 1943 vor. Nicht einmal dreißig Jahre, die aber für Europa, für die Welt eine wegweisende Zeit war. Zwei Weltkriege ließen selbige aus den Fugen geraten, führten Veränderungen in ungeahntem Ausmaß in einer sehr kurzen Zeit herbei. Derartige Umwälzungen kannte man nicht. Und man (in Deutschland sowieso, im Rest der Welt mit unterschiedlichem Ergebnis) gewöhnte sich nur schwer daran.

Mit akribischer Recherche und nicht nachlassender Energie befragt Petrillo Historiker, Politiker und Diplomaten wie sie – mit einigem (zeitlichen) Abstand – sie den 8. September 1943 bewerten. Das Ergebnis ist ein abwechslungsreiches Abbild der Geschichte zweier Länder, die noch geographisch so nah, gefühlt aber weit auseinander liegen. Die Geschichte des zweiten Weltkrieges muss nicht neugeschrieben werden. Viel Neues wird es nie mehr geben. Doch Paolo Emilio Petrillo ist es zu verdanken, dass ein bislang unterbewertetes Kapitel in den Fokus gerückt wird.