Ein Lied für Dulce

Ein Lied für die Süße schreiben – das kann nur zum Erfolg führen. Uns klingen immer noch „Suzanne“ von Leonard Cohen oder die unzähligen Hits von Prince, die er für seine Herzdamen schrieb, in den Ohren. Diese Lieder wurden schon geschrieben, verzauberten Abermillionen und die Angebeteten. Das Lied für Dulce muss noch geschrieben werden. Sie muss es bekommen, es hören, dann wird wieder alles gut. Und sie kehrt zurück…

Zurück in die Band Super Mama Djombo, deren Stimme sie war. Die Stimme, die schlagartig das Wohl der Musiker bestimmte, ihnen Erfolg bescherte. Aber auch die Dulce, die niemals einem allein gehörte. Man musste sie teilen, mit den Fans, den Verehrern. Mit Dulce war alles einfacher. Damals.

Jetzt ist sie tot und Guinea-Bissau steht kurz vor der entscheidenden Wahl des Präsidenten. Das Militär hat mehr als nur die Finger im Spiel. Die Schergen der Machthaber sorgen schon dafür, dass der Richtige gewinnen wird. Und alles so bleibt wie es ist. Ein Putsch liegt in der Luft, ist für alle spürbar angekündigt. Couto, die einzige fiktionale Figur ohne realen Hintergrund versucht Dulce, die es wirklich gab, nur in abgewandelter Form, ein Denkmal zu setzen. Super Mama Djombo sollen noch einmal spielen, für Dulce. Sie, die die Band verließ und die einen Putschisten, einen General heiratete. Und dafür benötigt er die Hilfe der Band und ein neues Lied.

Sylvain Prudhomme lässt Couto durch die Straßen der Erinnerung laufen. Leise zupft die Erinnerung die Saiten der Vergangenheit. Zuerst nur einzelne Töne, dann klangvolle Akkorde bis eine Melodie der Sehnsucht entsteht. Im Rhythmus der Schritte, mal dumpf, mal glockenklar, geht der Leser auf Tour mit Couto, mit Dulce, der Geschichte und biegt schlussendlich ein auf den Pfad der Hoffnung, dessen Ende so klar am Horizont erscheint, dass man ihn schon gar nicht mehr wahrhaben will.

Die Flagge des westafrikanischen Landes hat drei Farben und einen schwarzen Stern. Dieses Buch hat unzählige Sterne und noch mehr Farben, die der Autor allesamt zum Leuchten bringt: Das Rot der Erde, das Gold der Fassaden, das Grün der Natur … Sie alle strahlen mit jeder Zeile dieses Romans kräftiger als je zuvor, wenn Couto durch die Häuserschluchten streift und sein Land sich verändern sieht. Couto schafft, was er sich vorgenommen hat. Das Konzert findet statt. Doch es wird nicht so enden, wie er und seine Freunde es sich ausgemalt hatten…

Lesetrunken torkelt man schnurgeradeaus durch eine Geschichte, die zwar weit weg angesiedelt ist und doch so nah für Herzklopfen sorgt. Immer wieder sorgen afrikanische Sänger und Bands für Furore. Youssou N’Dour aus Senegal (nördlicher Nachbar von Guinea-Bissau), Mori Kante aus Guinea (südlicher und östlicher Nachbar von Guinea-Bissau) oder auch Papa Wemba aus Kongo, der im Frühjahr 2016 verstarb. Nur einem kleinen Kreis sind sie außerhalb ihres Landes, ihres Kontinents (dauerhaft) bekannt. Dulce Neves gibt es, sie singt immer noch. Sie ist die Vorlage der Dulce im Roman. Sylvain Prudhomme verleiht ihr Attribute, die sie zu einer Romanheldin reifen lassen, die sie real aber nie hatte. Der Sommer wird dieses Jahr, mit diesem Roman, schon sehr früh eingeläutet.