Im Labyrinth des Kolosseums

Freiberger-Zitzl_Kolosseum_neu:Karneval

Wer sich ein Haus baut, will, dass es lange steht und bewohnbar ist. Die Grundstücksauswahl ist somit nicht nur der erste Schritt, sondern ein elementarer. Niemand würde sich ein Heim auf schwachem Grund bauen.

Doch die Geschichte zeigt, dass es auch anders geht. Wer Rom besucht – eigentlich jeder, egal ob er schon in Rom war, dort hin will oder es nie vorhaben wird – kennt die Anziehungskraft, die vom Kolosseum ausgeht. Ein gigantischer Bau, von dem, wenn man das Alter des Bauwerks bedenkt, noch sehr viel zu sehen ist. Und noch mehr zu erahnen ist. Und dieses Bauwerk steht an einer Stelle, die heutzutage als natürlicher Spa-Bereich durchgehen würde. Bauherr war Kaiser Vespasian, er regierte von 69 bis 79 unserer Zeitrechnung. Und zu eben dieser Zeit war an dieser Stelle zwischen Via Celio Vibenna und Via Nicola Salvi, die es damals garantiert noch nicht gab, ein See.

Klaus Stefan Freyberger und Christian Zitzl sezieren das Bauwerk, die vorhandenen Pläne und die Niederschriften dazu bis ins kleinste Detail. Als Leser ist man mitten im Geschehen. Ein bisschen Vorbildung ist allerdings vonnöten, wenn man den gesamten Text voll umfänglich verstehen will. Die Sitzanordnung, architektonische Besonderheiten und die Lage ergeben einen Sinn. Das Kolosseum ist von nun an nicht mehr nur eine touristische Attraktion, sondern ein vertrautes Bauwerk, das den Vergleich mit ähnlichen Amphitheatern wie denen in Verona, Pompeji oder Nîmes (auch diese werden in diesem Buch ausführlich beschrieben) nicht scheuen muss.

Doch dann der Bruch! Vielleicht war alles ganz anders? War das, was wir als Neubau sehen, nur ein Erweiterungsbau? Warum wurde dann nicht schon früher über ein Theater an dieser Stelle geschrieben? Wieso kennt das niemand? Fragen, die sich bis heute Wissenschaftler stellen. Und die der Leser nur zur Kenntnis nehmen kann. Doch Freyberger und Zitzl geben mögliche Antworten. Man darf diese Lücke nicht mit heutigen Maßstäben schließen. Heute schaut man ins Netz und ist oft schlauer, meist jedoch mit einer Theorie betraut.

Eindeutige Antworten können auch die beiden Autoren nicht liefern, doch ihre Überlegungen überzeugen den Leser. Wer Rom besucht, kommt unweigerlich am Kolosseum vorbei. Pflichttermin nennt man so was. Ob man nun dieses Buch vorher eingehend studiert hat oder es aufgeschlagen bei der Besichtigung mitführt, ist jedem selbst überlassen. Fakt ist, dass es wohl nur wenige Guides gibt, die so kenntnisreich informieren können. Jeder Bogen, jedes Tor, jeder Rang erscheint in einem neuen Licht. Und warum nicht im Urlaub Erholung mit Wissen verbinden. Schaden kann’s nicht!