Der Weg zum Schafott

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Du sollst nicht töten! Für dieses hehre Gebot bedarf es keiner Religion, sondern „nur“ gesunden Menschenverstand. Und doch betrachten sich eine Minderheit als Richter über den Tod. Allein 2015 wurden eintausendsechshundertvierunddreißig Todesurteile vollstreckt. Aus China liegen keine genauen Angaben vor. Amnesty International geht von einer Zahl über eintausend aus. Was die 1634 sich fast schon verdoppeln lässt.

Der Staat dient dem Wohle den Volkes und der Gemeinschaft. Er erlässt Richtlinien des Zusammenlebens. Rund zwei Dutzend Staaten bzw. deren Vertreter nehmen sich die Freiheit darüber hinaus auch Richtlinien zur Beendigung des Lebens auszuformulieren und umzusetzen. In einer Zeit, in der das Wort Aufklärung fast schon antiquiert klingt, sollten derart kurzsichtige Entscheidungen wie die Todesstrafe (und vor allem deren Umsetzung) eigentlich in der Mottenkiste ruhen. Doch selbst – nach allgemeinem Sprachgebrauch – hoch entwickelte Länder wie die USA vollstrecken in einzelnen Bundesstaaten noch die Todesstrafe. Getreu dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ werden statistisch täglich mindestens vier Menschen mit dem Segen des Staates ermordet. Mord, weil ein Vorsatz vorliegt. Es sind Mörder, die zum Schafott, zur Giftspritze, zum Galgen geführt werden. Bis ins vorletzte Jahrhundert waren Hinrichtungen noch Opium fürs Volk. Eine Art Rummelplatz mit einer Niete und mehreren Gewinnlosen.

Doch schon immer gab es mahnende Stimmen, die sich gegen die Barbarei des staatlich sanktionierten Mordes wanden. Dass Angehörige von Opfern (vorschnell) dazu neigen das ihnen widerfahrene Unheil gleichermaßen auszugleichen, ist emotional verständlich, rechtfertigt es aber in keinster Weise.

In diesem Buch kommt Koryphäen der Weltliteratur wie Victor Hugo, Charles Dickens oder Fjodor Dostojewski zu Wort. Hugo gibt einem zum Tode Verurteilten eine Stimme, in dem er dem Leser sein (fiktionales?) Leid klagen lässt. Er weiß um seinen Todeszeitpunkt. Elitär und doch irgendwie auserwählt fühlt er sich dabei gar nicht.

Der italienische Aufklärer Cesare Beccaria – damals war das Wort keine Floskel, eher revolutionär – hatte sich schon Mitte des 18. Jahrhunderts als einer der ersten gegen die Todesstrafe gestellt. Wie aktuell seine Worte heut noch klingen…

„Der Weg zum Schafott“ ist keine Anklage, es ist Argumentationsgrundlage und –hilfe für alle, denen Tötungsdelikte, besonders von staatlicher Seite, gegen das Gewissen gehen. Charles Dickens Briefe an den Herausgeber der Daily News und die Erzählung von William Thackeray (beide aus den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts) wurden für dieses Buch erstmals ins Deutsche übersetzt. Es keimt kein Hass beim Leser auf. Es ist ein zustimmendes Kopfnicken, gefolgt von einem verständnislosen Kopfschütteln. Zustimmung für die Argumente der Gegner und Kopfschütteln darüber, dass es immer noch Kleingeister gibt, die meinen, dass mit dem „Kopf ab“ alle Schuld gesühnt ist. Ein nützliches Buch, ein hilfreiches Buch, ein wichtiges Buch!