Das rote Bauhaus

Das rote Bauhaus

Wer wird denn gleich abhauen, wenn man Kritik einstecken muss? Niemand. Aber wenn die Kritik in offenen Hass, Behinderung der Entfaltung und Beeinträchtigung der Kreativität gelichzusetzen ist, keimen Gedanken vom Kofferpacken schneller und reifen früher als bei anderen. So müssen sich viele Architekten des Bauhauses gefühlt haben. Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Sie waren die Ersten, die sich den Bedürfnissen der Zeit in ihrer Arbeit annahmen. Wohnraum, ansprechender Wohnraum für alle. Kunst am Bau nicht um der Kunst Willen, sondern den Bedingungen angepasst. Ansonsten war Anpassung nicht ihr Metier.

Viele Bauhäusler wie Ernst May und Bruno Taut folgten den Verlockungen aus dem zu dieser Zeit verpönten Osten. Die Sowjetunion war mittlerweile eine feste Größe im Ränkespiel der Mächtigen geworden. Mit aller Macht versuchten die Oberen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ihr in ihren Augen fortschrittliches Gedankengut nach außen zu tragen. Die Elektrifizierung des Landes als elementarer Bestandteil des Kommunismus ging einher mit der Industrialisierung. Und wo gearbeitet wird, muss auch Wohnraum für die Arbeiter, die ja nunmal in ihrer eigenen Diktatur lebten, geschaffen werden.

Hier sollte nun das neue Paradies für neue Ideen entstehen. Die Bezahlung war außerordentlich gut. In harter Währung wurden sie bezahlt. Auf dem Papier hatte unter anderem die Bauhaus-Brigade Rot Front das, wovon sie immer träumten: Freiheit in jedweder Hinsicht, finanzielle Absicherung und Schutz vor Repressalien. Denn in Deutschland keimten die antisemitischen Parolen und die antikommunistischen Hassprediger aus allen Ritzen.

Doch die Ernüchterung ist groß. Misswirtschaft, Inkompetenz bis hin zu Lebensmittelknappheit sind an der Tagesordnung. Wer irgendwie rauskommen kann, geht. Doch wohin? Nach Deutschland? Niemals. Hier sind inzwischen die Nazis so gut wie bzw. schon an der Macht. Viele der roten Bauhäusler stehen auf der schwarzen Liste der Nazis. Nur wenige treten die Heimreise an, aber nur, um versteckt zu rasten, denn der Weg ist noch lange nicht zu Ende. Weitere Exile sollen folgen. Die Alternative lautet Sowjetbürger zu werden. Aber eine echte Alternative ist das nicht. Denn auch der Verschlossenste merkt, dass in diesem Staat kein Staat zu machen ist. Einmischung in Pläne, Vorgesetzte und Planer, die von vielem Ahnung haben, aber eben nicht von Architektur und Bauen, bringen die überzeugten Kommunisten des Bauhauses an die Grenzen der Belastbarkeit.

Ursula Muscheler setzt der vermeintlich zweiten Reihe des Bauhauses – ihre Namen klingen nicht so erhellend wie Gropius, Le Corbusier oder Mies van der Rohe – ein Denkmal, dass zum Nachdenken anregt. Ideen sind gut, notwendig, erforderlich, um vorwärts zu kommen. Doch ohne entsprechende Durchsetzung der selbigen bleiben sie das, was sie sind: Ideen. Oft ernüchternd berichtet sie vom Kampf wackerer Männer für ihre Ziele, von der Resignation vor der fatalistischen Kultur der Planwirtschaft und den zerbrochenen Träumen einer ganzen Generation von Architekten, deren Bewegung bis heute ob der Strahlkraft große Schatten wirft.

Die liest unter anderem am 19. September bei den Freunden der Staatsbibliothek in Berlin, am 23. Oktober beim Göttinger Bücherherbst und am 25. November in der Buchhandlung Bücherfass in Schaffhausen.