Schweinezeiten

Schweinzeiten

Inspector Dieuswalwe Azémar hat wahrlich keinen leichten Job in Port-au-Prince, Haïti. Er scheint im Moment der einzige Bulle zu sein, der gegen Bestechung immun ist. Wenn andere die Hand aufhalten, hält in selbiger eine Flasche mit Tranpe, den fruchtigen, süßen Zuckerrohrschnaps. Und die anderen halten oft und lange die Hand auf! Seine Leidenschaft für das betörende Getränk hat ihn schon seine Tochter gekostet. Die kleine vorwitzige Mireya lebt jetzt in einem Pensionat der Kirche des Blutes der Apostel. Dieses Kloster wird streng geführt. Und wenn Papi Dieuswalwe seine Mireya besucht, was er alle zwei Wochen darf, wird er nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Sister Marie-Josée ist kein Fan von ihm. Seine Tochter umso mehr.

Aufgeregt erzählt sie ihm brühwarm alles Neue aus dem Kloster. Auch, dass sie Wachtmeister Colin gesehen hat. Mit Schweinohren. Die Kleine findet das lustig. Den Inspector macht es schwermütig. Denn Colin ist seit einiger Zeit verschwunden. Einfach so. und er sucht ihn. Dass die bevorstehende Adoption von Mireya, die ihr zweifelsohne eine bessere Zukunft bescheren wird – davon geht er im Moment noch aus – mit dem Verschwinden des Wachtmeisters in Zusammenhang steht, ahnt er noch nicht.

Der Alkohol lässt den alltäglichen Trott vergessen. Doch die Adoption macht ihm zu schaffen. Immer öfter hält er sich nicht an die Regeln und besucht Mireya außerhalb der vereinbarten Zeiten. Auch im Fall Colin tut sich was. Als ein Unbekannter ihm das Armband seiner Tochter gibt, das sie kurz zuvor verloren hat, blüht Dieuswalwe Azémar auf. Knarre geladen, nüchtern und voller Tatendrang bricht das Ermittlertier in ihm aus. Mireya wurde entführt. Die Machenschaften des Ordens, der Sekte, der so genannten Kirch des Blutes der Apostel ist eine perfide, in ihrem schrägen Wahn, gefährliche Organisation. Und er, aber vor allem seine Tochter, fallen exakt in deren Beuteschema…

Gary Victor verbindet in „Schweinezeiten“ die tiefe Religiosität des Karibikstaates mit einer ungewöhnlichen Kriminalgeschichte. Voodoo, Gottesfürchtigkeit und die dauernde Korruption in allen Gesellschaftsschichten sind das Terrain, auf dem sich sein wütender Inspector Dieuswalwe Azémar bewegt. Sein Name in kreolischer Schreibweise bedeutet „Gott sei gelobt“ (ein Hohn, wenn man liest, was in dessen Namen geschieht). Der geborene Verlierer, der sich in einem letzten Kraftakt erhebt, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu helfen. Dass er persönlich involviert ist, hilft ungemein bei der bevorstehenden Kraftanstrengung. Der Roman gibt es einen ungefähren Einblick in die Seele eines so durchgeschüttelten Volkes. Die Hinterlassenschaften des verheerenden Erdbebens sind in unseren Medien maximal an Gedenktagen eine Meldung wert. Haïti findet ansonsten nicht statt. Dieser wortstarke Krimi ist eine wortstarkes Argument, den Karibikstaat nicht aus den Augen zu verlieren.