Der letzte Tag des Präsidenten

Der letzte Tag des Präsidenten

Acht Jahre sind Alwan und Randa nun schon verlobt, ein Paar sind sie schon länger. Sandkastenliebe. Doch den letzten Schritt haben sie noch nicht getan. Nicht aus Scham oder Angst. Es fehlen ihnen einfach die Mittel ihrer Liebe den entscheidenden Schups in Richtung Unendlichkeit zu geben.

Die Zeiten sind hart in Ägypten. Anwar as-Sadat hält das Land im Griff, seine Günstlinge es am Tropf. Das Volk kommt kaum über die Runden. An Feste kaum zu denken. Für die beiden kommt eine Hochzeit mit Abstrichen nicht in Frage. Ihre Liebe steht über allem. Doch übersteht sie nicht die Zeit.

Sie beschließen sich zu trennen. Randa soll einen Mann finden, der ihr das bieten kann, was Alwan nicht im Stande ist zu leisten. Und Alwan ebenso. Schweren Herzens, doch mit dem Gefühl etwas Gutes für den Anderen zu tun, setzen sie ihren Plan in die Tat um.

In den Cafés plaudern die Menschen, hetzen gegen die Zeit, resignieren. Hoffnung, sagt man, ist das Letzte, was stirbt. Hoffnung hat hier schon keiner mehr. Ägypten ist ein totes Land. Die Menschen sind es ebenso. Abwechslung bringt nur die Parade zum Jahrestag. Die Armee stolziert geziert und steif an der hübsch aufgereihten Tribüne mit der Regierungsmannschaft vorbei. Staatsgäste machen teils gute Miene zum bösen Spiel. Der Präsident hat sich in Schale geschmissen. Das Volk schaut am Fernseher zu. Die, die sich keinen leisten können, hängen gebannt am Radio. Manche hören die Signale und verheißen rosige Zeiten. Ewig kann sich der Präsident seine Politik nicht mehr leisten. Vorahnung oder hoffnungsvolle Orakeln?

Dann, der große Knall. Erst akustisch, dann in den Köpfen der Menschen. Der Präsident ist tot, hatte seinen letzten Tag. Wenigstens in schicker Uniform. Hoffnung keimt sofort auf. Auch bei Alwan und Randa…

Literaturpreisträger Nagib Machfus setzt die Hoffnungen vieler seiner Landsleute an diesem Tag, in dieser Zeit ein literarisches Denkmal. Ägyptens starker Mann, der die Macht gnadenlos ausnutzte, sich mit Gleichgesinnten umgab und dem Volk oft mehr als sprichwörtlich die Klinge an den Hals setzte, starb bei einem Attentat. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Fernsehstationen aus aller Welt setzten an diesem 6. Oktober 1981 ihr Fernsehprogramm aus und strahlten die spärlichen Bilder nach dem Attentat aus.

Nagib Machfus war 1988 der erste arabische Schriftsteller, der den Literatur-Nobelpreis erhalten hat. Seine Erzählungen und Romane spielen allesamt in Ägypten, in Kairo, teils in den Straßen seiner Nachbarschaft. Auch er wurde bei einem Attentat religiöser Fanatiker schwer verletzt. 2006 starb er im hohen Alter von 94 Jahren in seinem geliebten Kairo.