Berlin – satirisches Reisegepäck

Berlin - Satirisches Reisegepäck

Wer auf Reisen geht, muss einiges in seine Tasche(n) packen. Zahnbürste, Klamotten zum Wechseln, ein Reisebuch (am besten vom Michael Müller Verlag). Wer nach Berlin reist, muss gut zu Fuß sein oder zumindest U-Bahn- und Busfahrpläne lesen können. Und er muss neugierig sein! Tilman Birr war neugierig. Er hatte ein bisschen mehr als Zahnbürste und Klamotten im Gepäck als er Anfang des Jahrtausends (klingt mächtig bedeutsam) nach Berlin zog. Nach Mitte. Wohin sonst. Mitten ins neue In-Viertel, als es jedoch schon diesen Ruf hatte. Die Stadt ist ihm ans Herz gewachsen. Doch die rosarote Brille hat er – wenn er sie denn je aufgesetzt hatte – beiseitegelegt.

Mit seinem satirischen Reisegepäck setzt und hält er der Hauptstadt ein weiteres literarisches Werk und den Spiegel vor. Der Schmelztiegel, der Innovations-Hotspot, der Place to be hat es in sich. Wer sich nicht darauf einlässt, ist verloren. Mit einem lockeren Spruch auf den Lippen bzw. in den Fingern, denn Gedanken werden nicht mehr mit der Feder niedergeschrieben, sondern mit den Fingern ins Laptop, Notebook oder Tablet getippt. Und für alle Puristen gibt es die geistigen Ergüsse nun als Buch zu erhaschen.

Wer des Lesens müde ist, wem dies zu old school ist, der kann am Ende einiger Kapitel den QR-Code laden und sich die Texte vom Autor höchstpersönlich vorlesen lassen.

Das satirische Reisegepäck ist eine wohltuende Ergänzung des ohnehin schon lesens- und reisenswerten Programms des Michael Müller Verlages. Wortgewaltig und manchmal überspitzt dreht Tilman Birr seine Runden durch seinen Kiez, erkundet die Burgerexplosion Berlins, gibt Verhaltensratschläge beim Überqueren von Brücken, zeigt, wo der Berliner noch Berliner sein darf und wo man als Tourist sich nicht als selbiger zu erkennen geben sollte.

Fernab von Langem Lulatsch, ostalgischen Schwärmereien und Touristennepp stößt der Leser auf das lebhaft schlagende Herz einer Stadt, die allzu gern als das größte Dorf Deutschlands bezeichnet wird. Das Buch passt locker in jede Tasche, die Kapitel sind innerhalb von zwei, drei U-Bahn-Stationen zu lesen. Herzhaftes Lachen garantiert und erwünscht. Der Berliner Witz – gibt es ihn überhaupt? – reist immer mit. Schnodderschnauze und Herumnörgeln gehört zu Berlin wie Goldelse und Currywurst. Wer meint nur bei Konnopke seine echte Currywurst verspeisen zu müssen, wird Berlin nie richtig erleben. Derjenige wird auch über den Untertitel nicht lachen können „On se left you see se Siegessäule“. Wer den Witz darin erkennt und ihn gut findet, wird dieses Buch bei jedem Capitol-Trip dabei haben. Poetry Slam für die Arschtasche und tröge Unterweltfahrten!