Briefe!

Briefe!

Das Internet vergisst nie. Bücher auch nicht! Briefe hingegen können schon mal verloren gehen. Simon Garfield setzt mit „Briefe!“ ein weiteres Ausrufezeichen, nachdem er den Karten bereits ein kleines Denkmal setzte.

Wir, die wir in der Gegenwart leben, sind Zeugen wie ein Kommunikationsmittel stirbt. Wenn wir Briefe bekommen, sind es meist Rechnungen, Werbeschriften oder Ankündigungen. Alles offiziell. Kaum Privates, geschweige denn Liebesbriefe. Eine Einladung zum Essen schickt man heutzutage auch kaum noch. Und dabei ist es gar nicht so lang her, dass die Post fast das einzige Kommunikationsmittel war. Urlaubsgrüße aus fernen Ländern sind die letzte Bastion des privat geschriebenen Wortes.

Simon Garfields Neugier auf Briefe wurde durch eine Auktion geweckt. Er erwarb unter anderem einen Briefwechsel eines Magiers mit dem magischen Zirkel, in dem einige Tricks verraten wurden.

Wer sich mit Briefen beschäftigt, kommt am Menschen nicht vorbei. Denn Briefe sind der Spiegel des Lebens schlechthin. Ohne sie wäre die Wissenschaft um eine Wissensquelle ärmer. Die ältesten erhaltenen (und vor allem übersetzbaren) Briefe sind um die zweitausend Jahre alt. Meist handelte es sich bei ihnen um belanglose Abhandlungen. Gelehrte wie Plinius der Jüngere halten da schon mehr Substanz parat. Beispielsweise von einem Dinner bei Julius Caesar.

Der Autor beschränkt sich nicht allein auf das bloße Sammeln und Aufzählen wer wann wem was geschrieben hat. Vielmehr setzt er die Briefe in einen historischen Kontext. So ist „Briefe!“ mehr als nur ein Kulturabriss, eine Zusammenstellung aus mehreren Jahrhunderten, sondern echter Geschichtsunterricht. Doch auch die Entwicklung, die Feinheiten der Technik und die zahlreichen Kuriositäten halten den Leser bei der Stange.

Die Anzahl derer, die einzig allein per Brief sich austauschen, ist verschwindend gering. Dabei ist es so einfach einen Brief zu schreiben. In drei Abschnitten begibt sich der Leser auf eine Zeitreise unter dem Motto „Wie man Briefe schreibt“. Und schnell stellt man fest: So groß sind die Unterschiede im Laufe der Jahrhunderte nicht geworden. Wer etwas mitzuteilen hat, verfährt immer noch nach dem gleichen Muster. Insofern ist der Brief immer noch modern. Nur die Art der Übermittlung hat sich verändert.

Unter www.weltderbriefe.de sind einige bedeutende Beispiele der Vergangenheit erfasst. Oscar Wilde, exzentrisch bis ins Blut, wagte eines Tages einen Versuch. Er schrieb einen Brief, frankierte und warf ihn … auf die Straße. In der Hoffnung, dass es eine treue Seele gibt, die ihn in den dafür vorgesehenen Briefkasten wirft. Das war auch der Startschuss für den Blog  „Welt der Briefe“. Bei Wilde dauerte es eine gewisse Zeit, der Startschuss-Brief wurde bereits am nächsten Tag zugestellt.

Fortschritt kann nur mit Geschichte beginnen. Kleine Holztäfelchen sind die ältesten überlieferten Belege von Briefen. Sie sind zerbrechlich und mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Heutzutage bestimmen Kurznachrichten unsere Kommunikation. Abkürzungen gelten als die neueste Errungenschaft im digitalen Zeitalter. Doch auch da irrt man sich: Die Römer kannten schon SVBEEQV, was heute einem „How are You“ gleichkommt. SVBEEQV steht übrigens für „si vales, bene est, ego quidem valeo“. Lateinisch, auch so eine Sache, die für tot erklärt wurde und doch immer noch weiterlebt. Genauso wie Briefe, und sei es in einem Blog.