Roter Lavendel

(i3)_(533-2)_Nestmeyer_Roter_Lavendel_VS_01.indd

Côte d’Azur und Provence – zwei Regionen, die immer noch zum Träumen einladen. Ralf Nestmeyer weiß das, weil seine Reisebücher ein unverzichtbares Utensil bei Reisen im Süden Frankreichs sind. Mit „Roter Lavendel“ verlässt er die Sachebene und lässt seiner Phantasie freien Lauf. Lavendel und Provence – das passt. Und wie! Eigentlich soll der Erzähler, ein Fotograf, einen Kalender über das urtypische provenzalische Gewächs realisieren. Ein dankbarer Auftrag, denn er kennt die Provence, hat Freunde dort. Ohne groß nachzudenken, nimmt er den Auftrag an.

Ausgangspunkt ist die wohl schönste Stadt Frankreichs, Avignon mit dem wuchtigen Palais du Pape und den pittoresken Gassen. Wer einmal hier durch die Gassen mit ihren bunten Läden gewandelt ist oder einmal seine Blick vom Turm des Palais‘ über die Rhône schweifen ließ, ist sich sicher, dass es kaum schönere Plätze gibt. Doch für den Erzähler bekommt diese Aussicht einen mysteriösen Anstrich.

Ein älterer Mann, den er aus dem Zug kennt, bittet ihn ein Paket mit für ihn wichtigen Papieren aufzubewahren. Da sich die beiden auf Anhieb sympathisch waren, gibt es keine Frage. Doch als er die Papiere in der Mappe Michel Perras, so der Name des älteren Herren, zurückgeben will, ist der verschwunden. Abgereist. Aus Neugier – die beiden haben sich bereits über die harte Kindheit Perras‘ unterhalten – blättert der Fotograf ein wenig in der Kladde. Darin sind einige Briefe eines Deutschen, der zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in Südfrankreich interniert war und fliehen konnte. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Perras und den Briefen? Das eigentliche Fotoprojekt rückt immer weiter in den Hintergrund.

Die Zeilen ziehen den Erzähler immer weiter in eines der düstersten Kapitel deutsch-französischer Geschichte. In der in den Briefen erwähnten Ziegelei Les Milles erhält die Geschichte der Briefe neuen Schwung. Dort ist auch ein Gedenkzentrum eingerichtet, in der ein Mann arbeitet dessen Tochter für den Erzähler zu unschätzbarem Wert wird…

Ralf Nestmeyer ist „im Nebenberuf“ Historiker. So erklärt sich auch das enorme Fachwissen, das er hier und da gekonnt einfließen lässt. Schriftsteller wie Thomas Mann und Joseph Roth, der Maler Max Ernst und viele unbenannte deutsche Exilanten fanden im Süden Frankreichs ein Zeitlang eine neue friedvolle Heimat. Als die Nazis mit dem Vichy-Regime eine Übereinkunft trafen, dass Deutsche an Deutschland ausgeliefert werden, waren auch ihre Tage im Sonnenlicht gezählt. Siebzig Jahre nach Kriegsende sind immer noch nicht alle Schicksale belegt und erzählt. Davon handelt auch „Roter Lavendel“. Mit dem Unterschied, dass dieses Buch den Spagat zwischen Historie und Urlaubssehnsucht schafft.