Der liebste Ort auf Erden

Der liebste Ort auf Erden

Seit fast dreißig Jahren treibt Kritiker und Zuhörer die eine Frage um: „Wo ist das Papier?“. 1987 trällerte Jürgen von der Lippes Ohrwurm „Guten Morgen liebe Sorgen“ durch den Äther („.. der Bettvorleger gibt uns Schwung bis direkt vor’s Klosett. Und wo wir schon mal hier sind, da bleiben wir auch hier … fertig … wo ist das Papier?“

Jetzt gibt’s endlich die Antwort! Es ist zwischen zwei Buchdeckel gepresst und mit (auf)rührenden, nachdenklichen, historischen, humorvollen, poetischen, ermahnenden Gedanken beschrieben worden. Herzlich grüßt das Cover. Der Riss, der es nicht teilen kann, verrät die Herkunft: Draußen, immer der Nase nach.

Ja, in diesem Buch geht’s ums Klo, Klosett, Tö, Toilette, WC, 00, Abort, den Porzellanthron, das Sch… haus – ach was, sagen wir wie es ist: Scheißhaus. Und um die Geschäfte, die hier getätigt werden. Nase rümpfen? Nein, warum? Jeder tut’s. Keine Scham. Na klar weiß jeder, was man mit dem Toilettenpapier unterm Arm vor hat! Warum auch nicht? An diesem Ort sind alle gleich. Jeder tut’s, jeder muss es tun. Mal laut, mal leise, mal nachhaltig, aber immer erleichternd.

Die in diesem Buch zusammengetragenen Texte verblüffen nicht nur, weil es sich nicht gehört darüber zu sprechen (bei Tisch ist das ja noch okay, aber ansonsten kann man doch hier und da das eine oder andere Wort fallen lassen – schließlich kann jeder mitreden). Sie verblüffen wegen der schieren Masse die da zu Tage tritt. Bertolt Brecht, Erich Maria Remarque, Herta Müller, Joseph Roth – sie alle haben einige oder mehrere Zeilen der natürlichsten Sache der Welt gewidmet. Remarques Zeilen stammen aus „Im Westen nichts Neues“, dem eindrucksvollsten Buch über (und vor allem GEGEN) den Krieg. Brecht reimt sich was zusammen. Bei Herta Müller sind es eingebrannte Erinnerungen.

Die Frage wie man dieses Buch liest, erübrigt sich. Stückchenweise. Immer ein paar Seiten, je nach Länge des … Sie wissen schon. Es schließt sich der Kreis zu Jürgen von der Lippe. In seiner Sendung „Was liest Du?“ gab es eine Rubrik, die sich „Klolektüre“ nannte. Darin las er aus Büchern, die man in vielen kurzen Sitzungen lesen kann. Und was passt das besser als „Der liebste Ort auf Erden“?!

Ralf Schock und seinen unermüdlichen Helfern ist eine exzellente und angstnehmende Zusammenstellung mit Texten zum notdürftigsten Thema der Menschheit gelungen. Verhalten wie Goethe, direkt wie Robert Gernhardt, satirisch wie Hans Dieter Hüsch, intelligent wie Bodo Kirchhoff. Die Liste der Schreiber ist stilistisch abwechslungsreich und spannungsgeladen wie ein Vollgefressener. Sie lassen ihren Gedanken freien Lauf. Dem Leser wird jeder Gang zum Buch wie eine Erlösung vorkommen.