Der Mann der Hunde liebte

06 Der Mann, der Hunde liebte

Trotzki – ein Name wie Donnerhall. Bei Stalin in Ungnade gefallen, verbannt und ermordet worden. Fertig ist die Geschichte. An dieser Stelle setzt müdes Lächeln ein. Denn Leonardo Padura öffnet noch einmal die Geheimakte Trotzki. „Der Mann, der Hunde liebte“ lässt nicht unbedingt auf dieses schwarze Kapitel der sowjetischen Geschichte schließen. Es ist auch nicht so sehr dem (juristischen) tragischen Opfer gewidmet, eher dem vermeintlichen Täter. Der schlussendlich auch nicht mehr als ein Opfer ist.

Die Lebenswege beider – der des Mörders und der des Opfers – zeigen erstaunliche Parallelen. Denn beide kennen nicht ihren Weg, den das Leben für sie vorgeschrieben hat. Sie reisen quer durch die Welt: Paris, Madrid, Istanbul. Keine Stadt ist ihnen fremd. Doch sind sie immer wieder aufs Neue Fremde in einer fremden Welt.

Leonardo Padura ist der Marionettenspieler der Weltgeschichte. An jedem Fadenkonstrukt führt er die historisch verbürgten Personen. Doch auch der Autor unterliegt historischen Gegebenheiten: Er denkt sich nicht einfach etwas aus. Alle Plätze, alle Personen, alle relevanten Handlungen sind belegbar. Nur die Dialoge entspringen der – exzellent recherchierten – Phantasie des Autors.

Stalin und Trotzki waren einst ein Gespann, das den Großen (westlichen) Welt das Fürchten lehrte. Der Eigensinn und Machtwahn Stalins sollte Trotzki zum Verhängnis werden. Er musste unter enormen Anstrengungen seine Heimat verlassen. Unterwegs traf er immer wieder Unterstützer, Beschützer, Gönner. Doch nirgends auf der Welt konnte er sich sicher fühlen. Sein letztes Exil, das Mexiko Frida Kahlos und Diego Riveras, wurde für ihn nicht nur zu einer zweiten Heimat, sondern auch zum goldenen Käfig, der ihn letztendlich das Leben kostete.

Ramon Mercader – der Mörder Trotzkis – wird von Anfang an im Unklaren gelassen, weswegen er nun der Auserwählte sein sollte. Auch er hat Unmengen an Unterstützern um sich geschart. Doch die sind alle auf Geheiß eines Mannes bei ihm: Josef Stalin. Generalstabsmäßig wird der Täter auf seine Aufgabe vorbereitet ohne zu wissen, worum es geht. Die Ungewissheit ist nicht das Entscheidende für ihn. Er weiß nur, dass ein Auftrag erledigt werden muss. Dafür nimmt er so manche Ungereimtheit in seinem Leben hin.

Leonardo Padura schafft es die hitzige Zeit vom Ende der 1920er Jahre bis 1940 in dem Schicksal der beiden Kontrahenten verständlich darzulegen. Europa, die Welt ist im Umbruch. Der erste große, weltumspannende Krieg ist vorüber. Die Gegner schütteln sich den Staub aus dem Gefieder. Es ist die Zeit, in der neue Diktatoren die Weltbühne betreten und Kriegsgefahr allerorten spürbar ist. In Spanien sprechen die Kanonen. Im restlichen Europa werden – nach alter Tradition neue Allianzen geschmiedet. Und zwischendrin zwei Männer, die ihrem Führer und ihrer Ideologie schonungslos folgen.

Die Geschichte hat bewiesen, dass das niemals gutgehen kann. Das einzig Gute daran ist dieses Buch, das zum Verständnis der Zeit einen unschätzbaren Beitrag leistet.