Verschwundene Reiche – Die Geschichte des vergessenen Europas

Verschwundene ReichePuh! Knapp tausend Seiten Geschichte von Ländern, die es nicht mehr gibt. Ist bestimmt staubtrocken. So ein dicker Wälzer kann doch gar nicht spannend sein. Wie will man denn so lange die Spannung hochhalten? Ganz einfach: Wenn man Norman Davies heißt, ausgemachter Experte für Geschichte ist, jahrelange Erfahrung im Vorträge halten vor wissbegierigen Studenten ist – und die dabei mühelose bei Laune hält – ist das nun wirklich kein Problem!

Norman Davies schafft es durch die Jahrhunderte zu pflügen ohne dabei auch nur einen Grashalm zu beschädigen. Reichlich anderthalb Jahrtausende fasst er auf knapp tausend Seiten zusammen. So manches Reich kennt man. Burgund – man denke nur an das Nibelungenlied. Oder Etrurien, die „französische Schlange im toskanischen Gras“ wie es der Autor nennt. Aber auch die Eintagesrepublik Ruthenien in der heutigen Ostukraine (wie aktuell) und Westslowakei, die sich im März 1939 in den Wirren des heraufziehenden Unglücks bildete.

Das Buch macht Einigen wegen seines Ausmaßes ein kleines bisschen Angst. Doch keine Bange, das Buch liest sich wie ein spannender Roman. Geschichtliche Hintergründe werden mundegerecht aufgearbeitet. Figuren bekommen die passende Garderobe (im übertragenen Sinne). Allianzen werden dargestellt, Befindlichkeiten erläutert.

Wer im Geschichtsunterricht immer nur Entspannung fand, weil der Kopf stets in der Waagerechten sich befand, wird hier eine neue Art Geschichtsunterricht kennenlernen dürfen. Ganz ohne Morgenappell. Ganz ohne ideologischen Schnickschnack. Aber dafür mit ausholender Leidenschaft, die jeden packt, der auch nur einen Hauch Interesse an Vergangenem sein eigen nennt.

Zahlreiche, wahrhaftige Zeugnisse und Abbildungen bereichern das Buch. Zeit- und Ahnentafeln helfen beim Verständnis. Norman Davies bedient sich der alten Kunst Geschichte zu erzählen. Er benutzt Sprachbilder, die wie ein Film während des Lesens vor dem Auge des Lesers ablaufen. Norman Davies kommt ohne den Videobeweis aus. Denn er verfügt über die Macht der Worte. Fast wähnt man sich unter den Kriegern Borussias. Oder den Strippenziehern der Häuser Hannover und Wettin.

Ach Geschichte kann so anschaulich spannend sein. Nach diesen knapp eintausend Seiten will man mehr Vergangenheit atmen.