Land unter dem Nordlicht

Land unter dem Nordlicht

Unser Wissen über Finnland hält sich in Grenzen. Ein paar Sportler huschen jeden Winter über unsere Bildschirme, die Sprache stellt ein nie enden wollendes Konsonantenrätsel dar, und die finnischen Ein-, Zwei, und Fünf-Cent-Münzen besitzen Sammlerwert, da sie in ihrem Heimatland kaum benutzt werden. Musikfans erfreuen sich an den Kompositionen von Jean Sibelius über HIM bis zu Sunrise Avenue. Sportfans schwärmen von Paavo Nurmi, Matti Nykänen und Kaisa Mäkäräinen.

Nicht viel für ein Land, dass zur EU gehört, den Euro benutzt und dessen Technologie in einem Großteil der Haushalte vorhanden ist. „Land unter dem Nordlicht“ ist das erste einbändige Buch, das die Kulturgeschichte Finnlands auf verständliche Art und Weise darlegt. Gleich zu Beginn kommt man ins Staunen. Denn am Bottnischen Meerbusen wächst das Land immer noch. Und zwar um fast einen Zentimeter pro Jahr. In die Höhe. Wenn man also von einer durchschnittlichen Lebensdauer von achtzig Jahren ausgeht, kann man seinen Ausguck um über 60 Zentimeter erhöhen. Das ist es vielleicht auch, was die Finnen so besonders macht. Immer neue Horizonte suchen.

Die Besiedlung Finnlands ist so alt wie unsere Zeitrechnung. Also ungefähr. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte Finnland zu Schweden, danach richtete man den Fokus gen Osten. Bis 1917 war Finnland Teil des Russischen Zarenreiches. Obacht – Jubiläum!

Machen wir einen Sprung in die Gegenwart und jüngere Geschichte. Finnland unterscheidet sich in einem weiteren Punkt erheblich vom Rest Europas. Das Bildungssystem wird regelmäßig bei PISA-Studien lobend erwähnt. Seit den 50er Jahren wurden systematisch in allen Landesteilen Universitäten und Fachhochschulen gegründet. Ganztagsschulen sind in Finnland nicht Bestandteil der Leitkulturdiskussion, sie sind Realität. Und das ganz ohne Gezeter. Zwanzigtausend neue Studenten jährlich an den Unis, dreiunddreißigtausend Studenten jährlich an Fachhochschulen – beachtliche Zahlen bei einer Einwohnerzahl von fünfeinhalb Millionen.

Das Verständnis von Kultur, zumindest das erweiterte Grundwissen stellen eine elementare Grundlage des Zusammenlebens dar. Dieses Buch trägt einen gehörigen Anteil dazu bei, dass Finnland in unseren Augen nicht mehr nur das Land der hochkonzentriert dreinschauenden Skispringer ist. Der nostalgisch anmutende Titel ist bewusst gewählt. Die Finnen sind ein oft melancholisches Volk. Aber von Trübsinn sind sie weit entfernt. Finnland ist die etwas andere Oase im Gewühl Europas. Und jetzt verstehen wir sie ein bisschen besser.