Archiv für den Monat: April 2015

Korfu

Korfu

Korfu taucht immer nur in den Köpfen von Touristen auf, wenn es die neuen Kataloge im Reisebüro um die Ecke gibt. Ansonsten fristet das Eiland, das zu den Ionischen Inseln gehört, ein Mauerblümchendasein. Zu Unrecht! Wenn man es positiv sehen will, ist es hier stellenweise noch urtypisch, unberührt, unbekannt. Wer weiß schon, dass hier His Royal Highness The Prince Philip, Duke of Edinburgh, Earl of Merioneth and Baron Greenwich, Royal Knight of the Most Noble Order of the Garter, Extra Knight of the Most Ancient and Most Noble Order of the Thistle, Member of the Order of Merit, Grand Master and First and Principal Knight of the Most Excellent Order of the British Empire, Knight of the Order of Australia, Companion of the Queen’s Service Order, Lord of Her Majesty’s Most Honourable Privy Council, Member of Her Majesty’s Privy Council for Canada oder einfach nur Prinz Philip geboren wurde. Besucher befinden sich also auf royalem Grund. Und Hans-Peter Siebenhaar bringt hierfür den 276 Seiten starken Beweis.

Korfu hat viel zu bieten. Wenn man so über das Eiland schlendert, ein Ingwerbier genießt (gibt es mit und ohne Alkohol), was es auf Korfu noch gibt, sieht man es an allen Ecken und Enden. Der Schriftsteller Ferdinand Gregorovius spricht von einem hinreißenden Schauspiel der Natur. Wer es hautnah erleben, die Insel schmecken will, der sollte den Markt in Korfu-Stadt besuchen, weiß Hans-Peter Siebenhaar zu berichten.

Der Norden ist die Region, die touristisch am meisten erschlossen ist. Hier wurden die meisten Hotels gebaut, was bedeutet, dass auch die Strände maximal ausgenutzt wurden. Wer nun meint, dass hier nur Massenabfertigung herrscht, irrt. Das auch von den Einheimischen als eines der besten bezeichnete Restaurant „Etrusco“ in Káto Korakiána verwöhnt vorzüglich die lechzenden Gaumen.

Das ist nur einer der vielen Tipps, die der Reisebuchautor parat hält. Immer, wenn er etwas entdeckt hat, was ihm besonders erwähnenswert scheint, packte er in im Buch die gelb hervorgehobenen Kästen. Echte Wegweiser und Geschichtenerzähler sind diese kurzen Texte.

Die Insel kann man touristisch in drei Teile gliedern: Korfu-Stadt, den Norden und den Süden. Jedem Teil widmet sich der Autor mit der gleichen Hingabe und macht so jeden Tag zu einem besonderen Erlebnis. Der vierte Teil führt Besucher in die Umgebung, Albanien oder auf die Inseln Paxos und Antipaxos. Insgesamt gilt es fünfzehn Wanderungen und Touren zu erleben. Die Karten und Pläne erleichtern das Zurechtfinden, als Einstieg gibt es einen kleinen Exkurs in die Geschichte Korfus. Für Sportenthusiasten ist die Insel wie geschaffen: Wanderungen per pedes oder per Rad bieten wegen der Berge nicht nur anspruchsvolle Betätigung, sondern auch einzigartige Aussichten. Und wer es – damit sind wir wieder beim britischen Königshaus – lieber geruhsamer angehen lassen möchte, das Kricketspiel ist auf Korfu immer noch sehr verbreitet.

Niederlande

Niederlande

Nein, die Niederlande gehören nicht zur k.u.k.-Monarchie! Auch wenn Kiffen und Koekjes für viele immer noch zum gelungenen Holland-Trip dazugehören. Dirk Sievers zeigt wie man die Niederlande richtig bereist und wie man am besten alles erlebt. Dazu benötigt man eine gewisse Zeit Urlaub, eine große Portion Neugier und dieses Buch!

Zwischen Holland und Deutschland gibt es viele Gemeinsamkeiten, aber mindestens genauso viel Unterschiede. Von Vorurteilen wird nicht die Rede sein. Die Niederlande können sich rühmen für Strandurlauber, Naturliebhaber und auch für Städtetouristen das richtige Angebot zu haben. Deswegen ist es auch auf den ersten Blick verwunderlich wie man ein solch großes Angebot in ein Buch packen kann. Dass es bereits die neunte Auflage ist, heißt nichts anderes als dass das funktioniert. Schon allein über die Provinz Zuid-Holland könnte man ein eigenes Buch schreiben. Die Region liegt Südwesten. Ganz der Süden ist es nicht, der wird von Limburg, Noord-Brabant und Zeeland beansprucht. Herrlich verwirrend: Noord-Brabant liegt südlicher als Zuid-Holland. So viel zu den Unterschieden… Die berühmteste Stadt in Zuid-Holland ist sicherlich Den Haag. Neben dem Regierungssitz, erstaunen den Besucher hier die Paläste (unter anderem residiert hier die königliche Familie) und Promenaden. Wer die Kunst der alten Meister sucht, wird in ‘s-Gravenhage, wie die Stadt auch genannt wird, reich belohnt. Für ganz Eifrige gibt es einen Museumspass. Zur Stärkung findet man sich am Haringkam Buitenhof ein, einem Kiosk, der laut Dirk Sievers die besten Makrelenbrötchen und Kibbelinge der Stadt hat. Anscheinend haben die Möwen auch diesen Abschnitt des Buches gelesen und versammeln sich zahlreich und lautstark an diesem Ort.

Wer die Niederlande besucht, sucht auch Windmühlen. Die UNESCO hielt die Windmühlen am Kinderdijk für schützenswert, weshalb zwei davon heute noch in einem exzellenten Zustand zu besichtigen sind. Es empfiehlt sich außerdem eine Bootstour über die Kanäle.

Wer meint, dass man die gesamten Niederlande inklusive der Metropole Amsterdam nicht in einem Buch gebührend darstellen kann, irrt sich gewaltig. Die kurzen Texte sind mehr als ausreichend, um einen oder mehrere Urlaube kenntnis- und erlebnisreich zu gestalten. Die eingangs erwähnten farbigen Kästen sind das Salz in der Suppe. Zahllose Hinweise zu Unterkünften, Restaurants und Orten, die man auf gar keinen Fall verpassen sollte, sind klar gegliedert und erleichtern Einsteigern wie NL-Profis die Handhabung.

Lume Lume

Lume Lume

Ein Ohrwurm geht dem Erzähler nicht mehr aus dem Kopf. Es beschäftigt ihn so sehr, dass er unbedingt wissen muss, was die Zeilen bedeuten. Und so macht er sich auf die Suche nach der Bedeutung des Liedes. Er streift durch das multikulturelle Palermo. Woher stammt es? Vom Balkan? Aus Rumänien?

Unterwegs trifft er Rumänen – die kennen das Lied aber nicht. Zu jung. Die, die im richtigen Alter sind, und Rumänen zu sein scheinen, sind keine Rumänen. Die Suche nach dem Sinn des Liedes wird zur Suche nach der Identität der Stadt.

Der Erzähler trifft auf Moslems, Christen. Die buddhistische Floskel vom Weg, der das Ziel ist, wird unweigerlich sein Leitfaden. Er begegnet jungen Mädchen, die mit Stolz die Burka tragen. Jetzt sind sie erwachsen. In die Schule stolzieren sie allerdings in Jeans. Ihr Vater will nur, dass sie glücklich sind. Egal in welcher Kleidung.

Lume bedeutet Leute oder Welt. Die Doppelung des Wortes verleitet zum Spielen: Welt-Welt, Leute-Leute, Leute der Welt etc. Doch was es nun genau bedeutet, kann ihm immer noch keiner sagen.

Dem Erzähler gefällt das Lied so sehr, dass er es als Sinnbild Palermos ansieht. Hier trifft sich die Welt. Ob es nun Europa ist oder nicht – eine köstliche Erklärung warum Palermo nicht Europa ist: Lesen! – das Lied wird zum Sehnsuchtsziel einer spannenden Reise in die Herzen der Palermitani.

Nino Vetri ist auch Musiker. Der Erzähler ist er selbst. Eine Melodie, ein Lied, das einem nicht aus dem Sinn geht, das kennen viele. Dass man bei der Suche nach dem Text die eigene Umgebung unter die Lupe nimmt, so was gelingt nur Nino Vetri. Den Text zu finden, ist ein Leichtes, den Sinn zu erfassen wird schon schwieriger. Für Nino Vetri ist die Suche nach dem Text von Lume Lume nur der Anfang. Er findet Freunde, die ihm ihre Sicht auf die Welt näherbringen. Und Palermo ist die Sonne, um die sich alles dreht…

Die letzten Stunden meiner Brille

Die letzten Stunden meiner Brille

Nino Vetris erster Roman entführt den Leser ins Palermo der Geschichten. Sein Vater verliert nach und nach sein Gedächtnis. Auf dem Weg zum Doktor fallen ihm immer wieder Geschichten aus der Kindheit ein.

Damals wollte er eine Punkband gründen. Der Unbegabteste sollte Schlagzeug spielen. Wie universell doch Punk sein kann. Der Großvater hat noch ein Maschinengewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Das fasziniert die Jugendlichen ebenso wie die neugewonnene Anerkennung als Band. Die einzelnen Geschichten nachzuerzählen fällt schwer, weil jedes Schicksal mit dem anderen verwoben ist. Zeitsprünge werden nicht angekündigt.

Der Leser wird trotzdem nicht überfordert. Im Gegenteil: Er wird gefühlvoll durch das Labyrinth der Geschichten geführt. Zwischen Bombenhagel und Gitarrengeschrammel findet er sich mitten in Palermo wieder. Einer Stadt, in der die Bewohner stets von Sehnsucht getrieben sind. Die Geschichte bietet ihnen die Basis für ihr eigenes Leben, das sie nun selbst gestalten müssen, dürfen, können.

Als Beiwerk gibt es eine CD mit Musik von „La Banda di Palermo“, der Band von Nino Vetri. Eine Art Ethno-Folk. Lässt man sie während des Lesens nebenbei laufen, tauchen die Bauten der Stadt vor einem auf. Der Straßenlärm versinkt im Klang der Instrumente.

Andrea Camilleri war begeistert von diesem Buch: „Ironisch, elegant und direkt“, nannte er das Erstlingswerk von Nino Vetri. „Die letzten Stunden meiner Brille“ ist ein Kurzroman, den man mehrmals liest. Und bei jedem Mal erschließt sich eine andere Welt. Kriegserinnerungen, Jugendsünden, Schicksale. Immer wieder wird der Leser in eine neue, faszinierende Welt geführt. Siziliens Dichter waren seit jeher von ihrem Land angetan. Nino Vetri führt diese schöne Tradition fort und den Leser durch seine Heimat.

Wahre Römer

Wahre Römer

Kennen Sie einen wahren Römer? Nein, nicht Miroslav Klose, der für die Roma stürmt. Nein, einen echten, der Geschichte schrieb. Aber keine Geschichten wie sie im Buche, im Lehrbuch stehen. Nein? Na dann werden Sie hier einige kennenlernen.

Andronicus war einer, den man heute als von der Muse geküsst bezeichnen würde. Richtig wäre es „von der Camena geküsst“. Lucius Livius Andronicus war sein vollständiger römischer Bürger-Name, wobei die ersten beiden Namen die seines ehemaligen Herren waren und Letzterer sein Sklavenname war. Seinem literarischen Talent verdankte er es, dass er freier römischer Bürger wurde. Doch zurück zu Camena. Denn bei seiner Übersetzung der „Odusia“ (Odyssee) benutzte er das Wort Camenae, römischen Quellnymphen, die nun mal keine Musen waren. Andronicus war Sklave, doch sein Talent und sein Ehrgeiz prädestinierten ihn zum römischen Bürger. Das geschah im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Wann genau, darüber streiten sich immer noch die Gelehrten. Faszinierend wie Geschichte bis heute nachwirkt.

Dem Leser begegnen einfache Handwerker wie Bäcker, aber auch treue Gefolgsleute der Caesaren. Manchen wurden Denkmäler errichtet bzw. es sind deren Grabmale immer noch zu bestaunen. Und wenn man die Geschichte hinter diesen Bauwerken/Denkmälern kennt, wird ein Rombesuch zu einembesonderen Erlebnis.

Stephan Berry lustwandelt durch die römische Geschichte wie an einem erfrischenden Maitag. Beschwingt nimmt er sich des schweren Themas römische Geschichte an und versorgt den Leser mit allerlei nützlichem Wissen. Die biographischen Texte sind nur teilweise belegbar. Es ist erstaunlich wie viel wir heute wissen, und wie viele Fragen immer noch offen sind. Wer Rom besucht, trifft alle paar Minuten auf mehr oder weniger gut erhaltene Zeugnisse der Geschichte Roms. Unweigerlich tauchen hier und da Namen auf, die einen garantiert in keiner Geschichtsstunde gequält haben. Doch die Neugier siegt. Wer war das denn? Muss ich den kennen? Viele MUSS man nicht kennen. Aber das Wissen um sie ist eine Bereicherung, die man nicht missen möchte.

Albert Einstein Briefe

Albert Einstein - Briefe

Was wurde nicht alles schon über ihn geschrieben? Genialer Wissenschaftler, Friedensaktivist, Charmeur, Geigenspieler: Albert Einstein. Gehört er gar zu denen, über die schon alles geschrieben wurde? Und wenn ja, warum dann dieses Buch? Weil die Behauptung, es wurde schon alles über DAS Genie des 20. Jahrhunderts geschrieben, nicht stimmt. In einer Zeit, in der Mobiltelefone und E-Mails weder bekannt waren noch in absehbarer Zukunft lagen, gab es zumindest das Kommunikationsmittel des Briefes. Das waren noch Zeiten als mit Tinte auf Papier etwas geschrieben wurde. Fein säuberlich in einen Umschlag gesteckt, frankiert und mit der Post verschickt wurde. Das ist so old school. Tja, das war Albert Einstein trotz aller Genialität und Progressivität auch.

Die in diesem Buch zusammengefassten Ausschnitte spiegeln ein Leben für die Wissenschaft und deren Nutzen für die Menschen wider. Einstein war keineswegs der unnahbare Gelehrte, der regelmäßig zu spät zur Vorlesung kam, launisch seine Thesen runterlas und dann bis zum nächsten Mal im Nirwana verschwand. Er war streitbar und nahm regen Anteil an den zugesandten Briefen. Egal, ob sie nun von einem geschätzten Kollegen, einer royalen Größe oder einem einfachen Farmer aus Idaho kamen. Letzterer bat um ein aufmunterndes Wort für seinen Spross, den er zum Physikstudium animierte. Einstein sollte den letzten Anstoß geben sich anzustrengen. Zur Belohnung gab es einen Sack Kartoffeln.

Die Briefe bzw. die Auszüge zeigen Einstein wie sich Kenner ihn vorstellen und Fremde ihn sich gern vorstellen möchten. Liebenswert, und wenn er antwortet dann mit ganzer Geisteskraft. Außerdem war er ein begnadeter Schreiber. So mancher Student der Gegenwart wünscht sich so einen agilen, lebensbejahenden, klugen Kopf in seinen Seminaren.

Wem schenkt man so ein Buch? Sich selbst. Jedem Physiker, Astronomen. Egal, ob noch Studiosus oder Forscher. Jedem Wissenschaftler, der seine Arbeit nicht nur als Broterwerb sieht oder sah, sondern auch anderen Fachrichtungen die Chance gibt erforscht zu werden. Jedem Humanisten. Na, das ist doch wohl schon eine große Leserschaft.

Einsteins Witz blitzt immer wieder genauso durch wie sein wacher Verstand und seine romantische Ader. Bemerkenswert ist vor allem der lyrische Briefwechsel mit Königin Elisabeth von Belgien. Einstein konnte vor den Nazis fliehen – sie musste aufgrund ihrer Herkunft und ihres Standes ausharren. Seine Ratschläge sind Mahnworte, die bis in die heutige Zeit Bestand haben. Er war gläubig und niemals fanatisch. Einer wie er fehlt … immer noch.

Dieses Buch liest sich leicht wie ein Roman, ist spannend wie ein historischer Thriller und verleitet den Leser immer wieder einzelne Passagen nochmals zu lesen.

Marrakesch

Marrakesch

Bei einer Aufzählung der Städte mit dem größten Sehnsuchtsfaktor gehört Marokkos Perle des Südens immer in die Top Ten. Verschlungene Pfade durch mystisch wirkende Gassen. Der Duft des Orients. Das Marktgemurmel. Hier wird der Orient in all seinen Klischees erlebbar.

Klar, dass es über Marrakesch eine Menge Bücher gibt: Reisebände, Kochbücher, Reiseberichte, Gartenbücher, etc. Für jede Rubrik eines. Es fehlt halt ein Buch, das den gesamten Mikrokosmos Marrakesch in einem Buch zusammenfasst. Eines mit grandiosen Stadtansichten, Szenen aus dem Alltag, gewürzt mit Zeilen aus den Augen eines Fremden und von Einheimischen. Das ist mit diesem Edelband eindrucksvoll gelungen.

Das Cover nimmt es vorweg: Tiefe Einblicke in eine immer noch sagenumwobene Stadt. Der Umriss der Stadt durchbricht den in glänzend rot golden gehaltenen Einband. Das Sezierbesteck sind das Auge und die Kamera Bernd Rückers, der sich ganz von seinen Emotionen durch die Stadt treiben ließ. Hochglanz-Fotos, die die Vorbereitung und die exzellente Umsetzung erahnen lassen, treten in einem abwechslungsreichen Wettstreit mit Alltagssituationen. Jede Seite optischer Hochgenuss, der seinesgleichen sucht.

Ein echtes Schwergewicht unter den Metropolen-Nobel-Bildbänden. Wenn man es aufstellt und darin blättert, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Doch nicht nur die Bilder sind es, die dieses Buch aus der Masse der Bildbände herausragen lassen. Atmosphärische Texte lassen das wahre Leben Marrakeschs hervortreten. Die Erzählerin spricht mit Anmut von ihrer Stadt. Eine Stadt, die man nicht mehr vergessen wird, hat man sie einmal betreten.

Liegt das Buch erst einmal auf dem Schoß – als Strandbuch ist es denkbar ungeeignet, da die Maße es wohl nur Bodybuildern erlauben es in Taschenbuch-Manier zu lesen – ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Kofferpacken. Prachtvoll gestaltete Decken, reich verzierte Türen und Tore, ungeahnte Farbenvielfalt in den Souks, schimmerndes Kunsthandwerk, verheißungsvoll Panoramen, ja selbst dem Verkehrschaos kann die Kamera noch etwas Nostalgisches abringen.

Opulenz ist hier kein Luxus, es ist Standard. In der gleichen Art sind in der CITY IMPRESSIONS Reihe des vagabond books Verlags weiterhin Bände über Istanbul, Venedig, Barcelona, Paris, Rom und Lissabon erschienen. Jeder Bildband ist zweifach erhältlich, einmal in einer deutsch-englischen Ausgabe sowie in einer französisch-spanischen Version. Und das alles zu einem Preis, der sich – genau wie die vorgestellten Städte – sehen lassen kann. Aber der ersten Seite wird dem Leser klar, dass er hier ein exquisites Buch in den Händen hält. Und mit jeder Seite bestätigt sich dieser Eindruck.

Der Bodensee

Der Bodensee - 101 Orte

Einmal an den Bodensee, rundherumlaufen und einmal wieder zurück. So könnte man die 101 aus dem Titel erklären. Das rundherum als Null. Weil die rund ist, nicht, weil es sich nicht lohnt. Dass es sich lohnt, weiß der Autor Patrick Brauns nicht nur weil er dort wohnt.

Auch wenn man es nicht erwähnen muss: Die Insel Mainau vereint alle Bücher dieses Stiles. Es ist aber auch ein Prachtstück! Warum? Steht alles auf Seite 24. Patrick Brauns‘ Einzugsgebiet beschränkt sich allerdings nicht nur auf die direkt am Ufer gelegenen Orte zum Verweilen und Entdecken. Um die gesamte Region und den Reiz des Bodensees zu erfassen, empfehlen sich Ausflüge ins Hinterland.

Der Hegaublick ist beispielsweise rund zwanzig Kilometer Luftlinie in westlicher Richtung vom Ufer entfernt. Doch der Weg lohnt sich. Auf der Terrasse des dortigen Restaurants genießt man nicht nur mit dem Gaumen, sondern in erster Linie mit den Augen. Ganz in der Nähe kann man den Gipfel eines Feuerspuckers erklimmen oder im Eiszeitpark tief in die Geschichte eintauchen.

Im Süden kommt man der Gegenwart ein bisschen näher, wenn man mit einer Fähre die Sitter bei Bischofszell in der Schweiz überquert. Wie einst die Pilger. Ein erholsamer Fußmarsch führt den Wanderer zu einer alten Brücke, die im vergangenen halben Jahrtausend jedem Angriff trotzte. Ein wenig krumm, was der Attraktivität keinen Abbruch tut. Im Gegenteil.

Im Osten, in Bregenz, lädt der Garten des Klosters Mehrerau zum Bummeln ein. Eindrucksvolle Alleen lassen den Alltag vergessen.

Jeder der einhunderteins Orte ist für sich genommen eine Reise wert. Kombiniert sind sie eine Aufforderung zum Schwelgen, Flanieren, Geschichte atmen. Geruhsames Reisen auf historischen Pfaden in einer der beeindruckendsten Regionen Deutschlands und Europas. Kurz und knapp sind die einzelnen Haltepunkte beschrieben, lang genug, um Appetit zu machen, garniert mit nachhaltigen Bildern.

Wer am Bodensee Urlaub macht, wollte so wenig wie möglich verpassen. Sicherlich gibt es mehr als einhunderteins Orte, die man gesehen haben muss. Die Auswahl der von Patrick Brauns vorgestellten Stopps stehen exemplarisch für die Bodenseeregion.

Denk ich an den Bodensee

Denk ich an den Bodensee

Einem Besucher des Bodensees muss man nicht mehr für diese einzigartige Landschaft begeistern. Er wird ein Leben lang ein Freund der Region bleiben und wiederkommen. Leider ist es nur Wenigen vergönnt ihre Schwärmerei in passende Worte zu kleiden. „Großartig“, „faszinierend“ werden oft, zu oft verwendet, um seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Da ist es an der Zeit den Dichtern und Wortakrobaten auch vergangener Epochen zu lauschen, ihren Ausführungen zu folgen. Dieses Buch ist der willkommene Anlass die kommende freie Zeit am größten See im deutschsprachigen Raum zu verbringen.

Das Inhaltsverzeichnis liest sich wie das Who is Who der Weltliteratur: Ernest Hemingway, Rainer Maria Rilke, Klaus Mann, um nur drei Namen zu nennen. So manch einem ist die Reisestrapaze ein kulinarischer Graus, was man heutzutage kaum noch nachvollziehen kann. Martin Walser macht sich Gedanken zu Eigentum und Gemeinwohl. Der Lyriker Bruno Goetz setzt dem Binnenmeer ein Denkmal in Reimform.

Wie einst die Romantiker ist dieses Buch ideal zum visuellen Flanieren an den Ufern des Bodensees. Sich auf eine Bank setzen, oder eine Mauer, den See zu Füßen. Die Sonne in der Nase kitzelnd steckt man selbige ins Buch und schwelgt in den wohlformulierten Aufzeichnungen von Theodor Heuss und Arthur Schopenhauer. Eine schönere Liebeserklärung gab es nie.

Mit jeder Zeile steigt die Sehnsucht nach einem paradiesischen Ort, den es wirklich zu geben scheint. Irgendwo im Süden, dort wo die Alpen sich gen Himmel recken, das Klima den Menschen umschmeichelt. Schon immer haben sich Potentaten und gekrönte Häupter es sich hier gutgehen lassen. Dichter und Literaten fanden hier Inspiration und ein zweites Zuhause. Touristen erholen sich ab Ankunft.

Herausgeber Manfred Bosch muss es ein Fest gewesen sein diese Texte zusammenzutragen. Mit jedem Abschnitt nimmt Elysium Form an. Die kurzen Texte erlauben es immer wieder den Kopf zu heben und den Blick schweifen zu lassen. Auch wenn man nicht am Ufer sitzt.

Schmetterlinge entdecken, beobachten, bestimmen

Schmetterlinge entdecken, beobachten, bestimmen

Schon immer haben Tiere die menschliche Phantasie angeregt. Stark wie ein Löwe sein, listige wie ein Fuchs oder grazil wie ein Schmetterling. Scheinbar chaotisch fliegen sie ihrer Wege. Manche sind farbenfroh, manche zeigen ihr Antlitz nur bei ganz genauem Hinsehen. Sie haben prachtvolle Namen wie Schwarzer Apollo (der gar nicht so viel Schwarz auf seinen Flügeln trägt), Aurora-Falter oder Pfaffenhütchen-Harlekin. Doch wer kann die federleichten Farbtupfer, die en Sommer verheißen schon auseinanderhalten?

Zwei von Ihnen, Edelgard Seggewiße und Hans-Peter Wymann haben ihr Wissen zusammengetragen und in diesem handlichen, praktischen und mehr als kenntnisreichen Buch veröffentlicht. Einhundertsechzig Arten, die im mitteleuropäischen Raum tagsüber anzutreffen sind, werden beschrieben. Soweit die blanken Zahlen.

Ihr Buch ist nach Familien geordnet. Von den Wurzelbohrern und Langhornmotten über die Familie der Widderchen und Ritterfalter bis zu den Bläulingen und Edelfaltern. Die einzelnen Familienkapitel sind unterschiedlich farbig gestaltet, was das Suchen und Blättern immens erleichtert. Jedem Familienmitglied wird eine Doppelseite gewidmet: Mit Zeichnungen des Schmetterlingsweibchens und -männchens inklusive der Flügelunterseite. Der Hinweis „Art unverwechselbar“ ist für Einsteiger unverzichtbar. Denn manchmal ähneln sich zwei Arten so sehr, dass es nur Fachleuten gelingt den exakten Namen zu bestimmen. Eine kleine Grafik zeigt an, wann das abgebildete „Flugobjekt“ zu erhaschen ist. Ein kurzer Text gibt Auskunft zu Vorkommen, der Nahrung und in welchem Revier der Schmetterling sich am wohlsten fühlt.

Für alle, die sich nicht nur für Schmetterlinge als Tattoo-Vorlage interessieren oder es als Fabelwesen der Hippie-Zeit ansehen, sondern für alle, die den schwer zu fassenden Flugkünstlern näher auf die Pelle rücken wollen, ist dieses Buch ein heiliges Buch. Für Moderne Jünger gibt es den Buchinhalt auch als App für Android und iOS.