Archiv für den Monat: Oktober 2013

Auf kulinarischer Wanderschaft zwischen Paris und Neapel

Auf kulinarischer Wanderschaft zwischen Paris und Neapel

„Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich begrüße Sie aufs Herzlichste zu unserem Slow-Dating-Abend der Genüsse. Und wie ich sehen kann, hat sich da auch schon ein besonderes Paar getroffen. Darf ich Sie um Ihren Namen bitten, Madame“. „Mademoiselle, s‘il vous plâit. Ich bin Cuisine, Haute Cuisine“. “Merci. Und der Herr?“. „Signor Cucina, Bella Cucina“. „Meine Damen und Herren, das verspricht ein aufregender lukullischer Abend zu werden.“

Der Mann, der die beiden offensichtlich schon ins Gespräch vertieften Teilnehmer dieses Slow-Dating-Abends vorstellt ist Lorenzo Morelli. Er hat die beiden auf seiner Reise von Paris nach Neapel aufgesammelt und versammelt sie nun in seinem 256 Seiten starken Poesiealbum der Gaumenfreuden.

Den ganzen Abend fachsimpeln die beiden Küchen über ihre Erfahrungen. Sie, wie sie ganz behutsam ihre Foie gras vorbereitet. Er wie er aufwändig die Calamares für seine Calamares Reellenos a la Romesco öffnet und putzt.

Sie schwärmt von ihren gebratenen Artischocke mit Speck, Oliven, Weißwein und Tomaten – er schnalzt mit der Zunge beim Pesto di basilico.

Der Abend entwickelt sich zu einem romantischen Dinner in der Kachelatmosphäre der Küchen zwischen Seine und Golf von Neapel. Die Gespräche drehen sich nur um eines: Genießen mit allen Sinnen. Ob Fischsuppe aus der Provence oder Profumo die Mare, ob Sugo con Involtini die Lardo oder Gratin Dauphinois, ob Confit ou confiture des Figues oder Tiramisu – jeder der beiden Verliebten bringt sich in Stellung, um sich im besten Lichte erscheinen zu lassen. Mittlerweile haben sich schon die anderen Gäste im Lokal nach den beiden umgedreht und lassen ihr Essen Essen sein. Zu intensiv ist die Unterhaltung, der Schlagabtausch der beiden hemmungslosen Alphatiere der Kochtöpfe.

„Auf kulinarischer Wanderschaft zwischen Paris und Neapel“ ist kein Kochbuch wie jedes andere. Kleine Anekdoten geben den Weg frei zum Herd. Lorenzo Morelli hat wohl den schönsten Beruf der Welt: Er reist zu Freunden, geht in die Küche, hebt den Deckel und atmet tief ein. Nach dem Essen, lässt er den Leser an seinem Erlebten teilhaben. So sind wir nur in erster Linie Zuschauer. Ganz dicht gefolgt vom Genießen. Denn die Rezepte sind mit relativ geringem Aufwand nachzukochen.

Wer meint, seinen Partner anhand der Vorliebe für die eine oder andere europäische Küche erwählen zu können, dem sei hier gesagt, dass nur die Liaison aus Beiden eine perfekte Tafel, eine perfekte Beziehung, ein perfektes Mahl ausmacht.

Last call

Last Call

Was ist eigentlich so in Ihrem Leben in den vergangenen Jahren passiert? Und in ihrem Land? Und in der Welt? Man hätte es aufschreiben sollen. Bruno Wollmer war einst ein erfolgreicher Komödienschreiber. Bis es ihn in die Ferne zog. Nicht Fernweh war der Motor, ihm war das ganze Business zuwider. Abschotten um jeden Preis. Auch den der Freundesaufgabe. Also zog es ihn nach Südfrankreich. Hier machte er es sich heimelig. Abgeschieden von jedweder stressverursachenden Zivilisation. Doch nun – im April des Jahres 2009 – überkommt ihn der Zwang sich mit seinem Freund Richard wieder in Verbindung zu setzen. In Briefform, dieser altmodischen Art der Kommunikation. Es wird jedoch keine Briefwechsel, eher ein Briefmonolog.

Bruno Wollmer ist ein einsamer Mensch. Das selbst auferlegte Eremitentum bekommt ihm nicht mehr. Der Vater tot. Das ist die Reibungsfläche, an der alte Wunden wieder aufbrechen. Kommunikation ist das Pflaster, um die Risse zu heilen. Ob im Ort, oder per Brief – Bruno beginnt wieder mit Interaktion.

Er schreibt sich das Weh von der Seele. Wie ein Fluss windet sich sein Wortschwall durch das Tal seines Lebens. Zuerst ganz langsam, vor sich in plätschernd, ergießen sich die Fluten in einem reißenden Strom, der alles mitzureißen droht, was ihm in den Weg kommt.

Fast schon wehmütig erinnert sich Wollmer an die Zeit als erfolgreicher Komödienautor. Diese Zeit war geprägt von Erfolg und scheinbarer Einbettung ins soziale Gefüge der Gesellschaft. Doch letztendlich war diese Zeit die einsamere Zeit. Denn damals hatte er keine Zeit sich über sich Gedanken zu machen. Diesen Luxus gönnt sich Wollmer jetzt. Die absolute Stille des Süden – ein Spiegelbild seiner selbst.

„Last Call“ mit seinen hier und da philosophischen Anwandlungen ist mehr als die Lebensbeichte eines Gescheiterten. Es ist vielmehr die Selbsterkenntnis, dass Ruhe und Abgeschiedenheit für andere als verschroben angesehen wird, den Betroffenen selbst als Erlösung von den Fesseln des Alltags erscheint. Ein Mitmachbuch für Denker!

Kritzeln, krakeln, schreiben

Kritzeln krakeln schreiben

Jetzt wird in die Hände gespuckt und dem Kind das Schreiben beigebracht! Da hat es in der Schule gleich mal einen Vorsprung. Ja, wenn das mal so einfach wäre! Kinder lassen sich nicht zwingen. Sie haben ihren eigenen Kopf, der uns Großen immer wieder zum Schmunzeln bringt und in Erstaunen versetzt. Aber es gibt Methoden die Kleinen ganz sanft und nachhaltig an das wohl wichtigste Lernziel ihres Lebens heranzuführen. Claudia Huboi und Susanne Nöllgen haben für dieses Buch (und natürlich auch die Kinder) Methoden entwickelt das Thema Schreiben lernen kindgerecht zu erfassen. Auf 160 Seiten werden erst einmal die Grundlagen gelegt. Was kann man alles mit einem Stift anstellen? Wie erkenne ich Buchstaben? Oder wie male ich Buchstabentiere? Und das Beste ist, dass man in diesem Buch sogar herumkrakeln kann. Selbst erfahrene Schreibkönner lernen hier noch dazu. Uns Großen ist das Schreiben in Fleisch und Blut übergegangen. Aber wie es dahin gekommen ist, weiß kaum einer mehr. Selbst Emoticons – die lustigen Zeichen, die uns heute das Ausdrücken von (standardisierten) Gefühlen erleichtern – werden in diesem Buch erwähnt. :-0. Und auch die gebräuchlichsten SMS-Abkürzungen wie lol, N8 und rofl. Dieses Buch wird einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen … bei Groß und Klein.

Der letzte große Schrecken

Der letzte große Schrecken

Warner Williams ist ein momentan ziemlich erfolgloser Journalist. Wie gemacht für ihn, kommt da der Auftrag reingeflattert einen Artikel über Simon Moro zu schreiben. Der hat seine besten Zeiten als Darsteller in Horrorfilmen auch schon längst hinter sich. Dennoch umweht ihn eine geheimnisvolle Aura, der Ruf eines Mysteriums eilt ihm voraus.

Einst gefeierter Stummfilmstar, überlebte er den Sprung ins Tonfilmzeitalter. Dank seiner Fähigkeit Tierstimmen (natürlich die von angsteinflößenden, gefährlichen Tieren) reiht Simon Moro eine Schar von Jüngern um sich. Doch auch diese Schar wird immer kleiner.

Williams sieht eine Chance für sich und seine „Karriere“ darin, dem Mythos Simon Moro auf die Schliche zu kommen. Die Dreharbeiten zu „Der Rabe“ nach Edgar Allan Poe beginnen. Auch für Regisseur Terry Cowan ist dieser Film ebenfalls so etwas wie eine letzte Chance. Um seine Reputation ist es nicht gerade gut bestellt. Er braucht einen Erfolg, einen Kracher. Es treffen also drei Menschen aufeinander, für die „Der Rabe“ einen Neuanfang bzw. eine letzte Chance bedeutet. Und alle haben ihre eigenen Vorstellungen wie sie ihr Ziel erreichen…

Hollywood meets Horror – eine Verbindung, die nichts Ungewöhnliches in sich birgt. Dennoch gelingt es dem Autor dem Thema eine besondere Note zu verleihen. Klatsch und Tratsch, Zwist hinter den Kulissen, krude Denkstrukturen, Missgunst: Das ist der Stoff aus dem Klassiker geboren werden.

Brock Brower – ein Name wie eine Naturgewalt, als Pseudonym für einen Horrordarsteller wie gemalt – schuf „Der letzte große Schrecken“ schon vor langer Zeit. Zweiundvierzig Jahre dauerte es bis dieses Meisterwerk nun endlich auf Deutsch erscheint. Die Faszination am Grauen, am Schocken, am Blut-In-Den-Adern-Gefrieren-Lassen ist noch lange nicht verflogen. Ein Muss für alle Schocker-Fans, und alle, die die Humor und Horror als innige Verbindung ansehen.

Wer „Der letzte große Schrecken“ nicht gelesen hat, dem entgeht ein Stück Hollywood-Geschichte und ein großartiges Stück Literatur. Bissig und launig zugleich. Eine Brise Sarkasmus, abgeschmeckt mit Lebenstragödien, auf der großen Flamme der Neugier gekocht und blutig serviert. Guten Appetit!

Barcelona – Metro zum Strand oder die vermessene Stadt

Barcelona

Sie wollen nach Barcelona? Und das schon seit dem Sommer 1992, als die Olympischen Sommerspiele den gesamten Erdball in Verzückung geraten ließen. Nur leider wissen Sie nicht viel von der Mittelmeermetropole. Hier nun trennt sich die Spreu vom Weizen. Jetzt gibt es diejenigen, die sich stundenlang in einem unbequemen Bus in die pulsierende Metropole karren lassen, um dann von einem „hochmotivierten“ Guide sich erzählen zu lassen, dass die halbfertige Kirche die Sagrada Familia ist, und anschließend bei Tapas den Tag ausklingen zu lassen. Das kann man mit der Bildergalerie bei google und einem Einkauf während der spanischen Wochen beim Diskounter um die Ecke billiger haben.

Oder Sie besorgen sich einen Reiseführer und dieses Buch. Markus Jakob lebt in Barcelona. Er kennt die Stadt und ihre Menschen. Und er kann sie einschätzen, ihr Lebensgefühl ausdrücken. Er kann … die Stadt Barcelona erklären. Jetzt erst wird es doch interessant!

Eine Stadt wie Barcelona will erobert werden. Erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erblühte die Stadt, fristete bis zum Ende der Franco-Diktatur ein Mauerblümchendasein mit unterdrücktem Nationalstolz, und sie erblühte mit der Vergabe der Sommerspiele der 25. Olympiade zu einer herzerfrischenden Metropole, ohne die unserem Erdball echt was fehlen würde.

Ein Reiseführer verrät, was man sehen muss, wann es sich lohnt sich aufzumachen, Markus Jakob erläutert das Warum. Das wirklich Angenehme an diesem Buch ist die Tatsache, dass Markus Jakob Barcelona nicht am Beispiel von zwei oder drei durchgeknallten Existenzkünstlern erklärt, sondern die Stadt in „ihrer Dichte und Kompaktheit“ sich selbst erklären lässt. Barcelona abseits der Designerbars und der hippen Restaurants. Barcelona ist mitten im Leben angekommen und dennoch permanent auf der Suche nach Veränderung … und sich selbst. Da ist jeder Tourist bei der Schnitzeljagd willkommen. Mit diesem Buch hat man schon mal mehr als einen Schritt Vorsprung.

Mitleid mit den Ratten

Amila - Mitleid mit den Ratten

Bienvenue – Willkommen bei den Lenfants. Vater Julien arbeitet bei Simca, einer Autofirma. Mutter Yvonne ist Hausfrau und Solange, das  Nesthäkchen besucht das Gymnasium. Eine ganz normale Familie. Merde! Nein, es sind Gauner, Diebe, die Fremden in die Wohnungen steigen und ihnen ihr Hab und Gut wegnehmen. Zugegeben, sie sind geschickt. Julien ist ein exzellenter Kletterer.

Und bei einer dieser Klettertouren passiert, was einmal passieren musste: Gerade als er ein Seil mit einem Teil der Beute herablassen will, trifft ihn ein Lichtstrahl. Und da! Ein Schuss! Julien wird knapp über dem Ohr getroffen.

Jean Amila wäre nicht Jean Amila, wenn er diese Begebenheit als Auftakt zu einer beispiellosen Kriminalgeschichte nehmen würde. Der Leser wird im Dunkeln gelassen. Julien wird verarztet – von seinem Bruder André, der die „Expeditionen“, wie er es nennt, überhaupt nicht gutheißen kann. Nicht zuletzt wegen der 17jährigen Solange. Inständig bittet er Yvonne auf die Nebeneinkünfte zu verzichten, oder zumindest das Geschäftsgebaren zu überdenken.

Das scheinbar sorgenfreie Leben mit den gelegentlichen, doch gut geplanten, Ausflügen in die weitere Umgebung wird durch Michel und später auch seine Kumpane empfindlich gestört. Michel ist auf der Flucht vor der Polizei. Und Duval, sein Freund, macht daraus keinen Hehl. Auch nicht aus der Tatsache, dass er die Kleinganoven Lenfant nicht leiden kann. Deren Geschäfte sind für ihn irrelevant. Der Kampf, den Michel, Duval und die anderen führen, ist viel bedeutender. Denn sie gehören zu einer Organisation, die Frankreich ins Wanken bringen will. Sie benötigen das Haus der Lenfants als Waffenkammer. Dass Michel nicht nur der Tochter, sondern auch Yvonne den Hof macht, verbessert nicht gerade das Verhältnis der Kleinganoven zu den politischen Terroristen.

„Mitleid mit den Ratten“ bringt das Blut des Lesers ab der ersten Seite immer wieder in Wallung. Jean Amila lässt die Familie Lenfant immer wieder durch ein verzwicktes Gefühlschaos waten. Der geheimnisvolle Fremde, der zuerst dem Mann aus einer schier ausweglosen Situation hilft, und ihm so das Leben rettet. Dann gräbt er ungeniert die Frau des Hauses an. Verführt sie zu weiteren Straftaten. Die Lenfants sind Diebe. Sie stehlen materielle Werte. Moralisch verwerflich ist die Tatsache, dass sie ihre Tochter Solange in ihre „Geschäfte“ einbeziehen. Ansonsten haben sie strikte Regeln, an die sie sich halten. Mord gehört nicht zu ihrem Repertoire. Ihre Dankbarkeit zu dem Lebensretter wird mit Füßen getreten, in dem sie ihre Festung für politische Querköpfe löchrig gestalten. Mitleid mit den Ratten?

Mekong – Vom Dach der Welt zum Delta der neun Drachen

Mekong

Der Mekong ist eine der großen Sehnsüchte von Asienbesuchern. Mal gemächlich und sanft, mal wild und ungestüm durchzieht er Südostasien wie ein Herrscher, der keinen Zweifel an seiner Macht aufkommen lässt. Ein Fluss, der viele Länder durchfließt – Tibet, China, Burma/Myanmar, Laos, Kambodscha, Thailand und Vietnam – und unzählige Kulturen an seinen Ufern gedeihen ließ. Und Bernd Schiller hat sie besucht. Nun berichtet er stimmungsvoll und Abenteuer erheischend in diesem Buch.

Mae Nam Khong – so der eigentliche Name – ist der Asien-Highway für Eilige. Beginnend in China führt er seine Passagiere vorbei an öden Berghängen und saftig-grünen Urwäldern. Vorbei an urigen Dörfern und hochmodernen Städten.

Bernd Schiller trifft auf seinen zahlreichen Reisen, dessen Ergebnis nun in Buchform vorliegt die unterschiedlichsten Typen: Vom rheinländischen Würstchen-Fabrikanten über Tuk-Tuk-Chaffeuer bis hin zu Auswanderern, die es mit harter Arbeit doch schafften sich am anderen Ende der Welt eine neue Existenz aufzubauen.

Der Mekong führt all diese Charaktere zusammen, bietet Zuflucht, Nahrung, und ist mächtiger Trampelpfad durch die Geschichte. Denn auch die ist nicht ohne. Die Indochina-Kriege der französischen Kolonialmacht, der verheerende Vietnamkrieg der Amerikaner und die Schreckensherrschaft der Roten Khmer gehören genauso zum Mekong wie die nostalgischen Passagierschiffe, die jedes Jahr Millionen Augenpaare zum Leuchten bringen.

Auf seinen Reisen der vergangenen Jahre hat Bernd Schiller die Entwicklung der Anrainerstaaten genau beobachten können. Wo einst rückständige Dörfer waren, sprießen nun Glaspaläste aus dem Boden. Wo einst die ganze Familie anpacken musste, um den nächsten Tag zu überleben, gedeihen florierende Geschäfte. Asien am Fluss, Leben im Fluss, auf ca. fünftausend Kilometern Länge allerorts Veränderung.

Dieses Buch ist die ideale Reiselektüre für Südostasien. Bernd Schiller bringt dem Leser Kulturen nahe, die man so nur selten erleben kann. Vielschichtig interessiert schildert er das Leben der Menschen am und auf dem Fluss.

Simbabwe – Die Sehnsucht des Schlangengottes

Simbabwe

Weltenbummler kann man in zwei Arten unterteilen: Die Einen, das sind die Rastalockenköpfe, die mit selbstgedrehten Zigaretten und Che-T-Shirts Asien unsicher machen. Die Anderen sind die wahren Entdecker und Bewahrer der Welt. Und sie berichten in der Reihe Lesereise des Picus-Verlages. Andrea Jeska ist so eine weltbewahrende Weltenbummlerin. Sie zog es nach Simbabwe im südlichen Afrika. Die Victoria-Wasserfälle sind der größte Exportschlager des vom Mugabe-Clan so geplagten Landes. Hier ist die Welt noch in Ordnung – wenn man Tourist ist. 120 Dollar und man kann sich todesmutig an einem Gummiseil in die Fluten stürzen. Aber wehe man ist Einheimischer uns versucht mit allerlei Mitteln (und Tricks) seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sofort eilt die allgegenwärtige Miliz herbei, um den Touristen aus der Umklammerung des Unholds zu befreien.

Simbabwe als Land der Gegensätze zu bezeichnen, wäre nicht ganz falsch, aber eben nicht einmal annähernd die Hälfte der gesamten Wahrheit.

Andrea Jeska liebt dieses Land. Das spürt man mit jeder Silbe. Doch sie verschließt nicht die Augen vor dem, was Tag für Tag vor sich geht. Korruption und Folter, aber auch atemberaubende Naturereignisse. Sie sucht nicht die Hotspots, die werden von ihr gefunden.

Immer wieder trifft sie Menschen, die ihr den Zauber des Landes zeigen und vorleben. Expedition ins Paradies, wenn man sich darauf einlassen kann. Geschichte und Geschichten vermitteln auf den 132 Seiten einen Einblick in ein Leben, das nicht nur wegen der klimatischen Unterschiede hier absolut unmöglich wäre.

Sie gibt keine Reisetipps, gibt keine Ratschläge, was man gesehen haben muss und was nicht. Dafür ist die Buchreihe auch nicht konzipiert. Vielmehr ist dieses Buch ein Amuse gueule, ein Appetitanreger auf Simbabwe. Viele der Geschichten wird man nie selber erleben. Darum ist es um so anregender sich an den Erfahrungen der Autorin zu erfreuen. Weltenbummlerin mit Herz und Verstand – ohne revolutionäre Umsturzgedanken. Nicht einfach faul in der Sonne liegen und vom großen Kampf träumen. Andrea Jeska packt an, in dem sie ein Land durchstreift, sich fernab des Touristenprogramms mit denen unterhält, die Simbabwe ausmachen. Den Menschen vor Ort. Und wir Leser dürfen hautnah dabei sein.

Das Luxemburger Tagebuch

Das Luxemburger Tagebuch

Es gibt schon seltsame Jubiläen. Und noch seltsame sind die Rituale diese zu feiern. Im Frühjahr 1983 verkündete das Magazin „Der Stern“ die Tagebücher von Adolf Hitler entdeckt zu haben. Ein Scoop, wie es im Fachjargon heißt. Ein echter Knüller! Die Geschichte lehrte uns etwas anderes: Alles Lug und Trug!

Der Verlag Capybarabooks aus Luxemburg feiert dieses eigenartige Jubiläum – 30 Jahre Hitlertagebücher – mit schwarzer Satire. Denn erst kürzlich ist das Tagebuch von Eva Braun aufgetaucht. Das, das über ihre kurze Zeit in „Lützelburg“ Aufschluss gibt.

Im Hochsommer 1942 ist Eva Braun langweilig, so langweilig. Boah, wat is ihr langweilig! ER verspätet sich, wie so oft. Sie will verreisen. Paris soll es sein, doch Albert (Speer) rät ihr davon ab. Nicht, weil man dort nicht mit Reichsmark bezahlen kann, wie sie vermutet, sondern weil man dort den Deutschen nicht so unbedingt folgen will, wie ER es gern möchte. Das Gau Moselland wäre ja auch ganz hübsch. Und Lützelburg liegt gleich um die Ecke. Dort habe man sehr viel französisches, obwohl die Sprache dort verboten sei, seitdem Lützelburg heim ins Reich geholt worden sei.

ER kümmert sich um den Osten, Eva Braun zieht es nach Westen.

Am 23. Juli 1942 kommt sie am Hauptbahnhof in Luxemburg, wie es die Einheimischen nennen an. Ein Riesenradau ist da auf der Straße. Alle schreien „Wolle“. Eva Braun ist verwirrt – das scheint sich den Zeilen nach durch ihr gesamtes Leben zu ziehen. Albert hatte doch gemeint, dass man hier deutsch sprechen würde. Vielleicht ein Dialekt? Nee, nee, die Luxemburger wollen nur bleiben, was sie sind.

Des Weiteren lernt Eva Braun nicht nur den Schriftsteller Norbert Jacques, einem breiten Publikum als der Erschaffer des Dr. Mabuse bekannt und den Mercier-Champagne kennen, und letzteren sogar lieben. Und so viele hübsche Straßen gibt es hier in Lützelburg. Die meisten heißen wie ER.

„Das Luxemburger Tagebuch“ ist satirischer Geschichtsunterricht auf ganz hohem Niveau. Die Welt drehte sich auch in der düstersten Periode Europas und Luxemburgs weiter. Seitenhiebe auf Bücherverbrennung, Görings Körperumfang und Blondi (SEIN Schäferhund), das depperte Viech, gepaart mit bitterbösem, schwarzen Humor, verleihen diesem Buch das Prädikat „Besonders wertvoll“. Kein Schenkelklopfer, vielmehr ein hintersinniger – und zudem gelungener – Versuch ein dunkles Kapitel der Landesgeschichte mit einer lachenden Träne im Knopfloch zu begreifen.

Aleppo – Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe

Aleppo

Ist man ein glücklicher Mensch, wenn man die Schrecken des Krieges nicht kennt? Nein, man kann sich nur als glücklicherer Mensch betrachten. Wie ein Hohn muss das in den Ohren der Bewohner Aleppos klingen. Seit zwei Jahren vergeht kein Tag ohne Angst, ohne das irre Pfeifen der Granaten. Kein Tag, an dem nicht ein Kulturerbe im Namen der Freiheit willkürlich beschädigt oder gar zerstört wird. Vorbei das quirlige Leben in den Souks, vorbei die Pracht der Umayyaden Moschee, vorbei das süße Leben in einer der ältesten Städte der Welt.

Aleppo erlangte erst durch den grausigen Bürgerkrieg des Assad-Regimes gegen die – wahrscheinlich nicht viel besser agierenden – Rebellen traurige weltweite Berühmtheit. Schon das allein ist eine Schande. Muss denn immer erst was passieren, damit man Notiz nimmt? Aleppo hatte die Voraussetzungen Metropolen wie Damaskus, Paris und New York den Rang streitig zu machen oder zumindest in ihre Bedeutungsnähe zu gelangen. Und nun? Einschüsse so weit das Auge reicht. Verängstigte Menschen aller Altersklassen. Zerstörte Kulturgüter, die die Eroberungszüge Alexander des Großen, die marodierenden Horden der Mongolen und französische Besatzungszeit überstanden haben.

Mamoun Fansa setzt dieser Perle des Orients mit diesem Buch zumindest ein literarisches und bildstarkes Denkmal, das kein Verblendeter zerstören kann. Kein Kriegstreiber wird den Siegeszug dieses Buches aufhalten. Kein Hetzer wird das Andenken an Aleppo jemals komplett auslöschen. Deswegen sind die Beiträge der Autoren so wichtig und in ihrer Vielschichtigkeit so bedeutend.

Als erstes fallen die beeindruckenden Bilder dem Leser auf. Geschickt werden Einst und Jetzt gegenübergestellt. Wow und Oje befeuern das Wechselbad der Gefühle beim Durchblättern. Widerwarten und Abscheu gegen die Zerstörer kommen auf, wenn man sorgsam die Texte liest. Doch es zeigt auch – wie es der Untertitel ankündigt – auch Perspektiven auf, Hoffnung keimt auf. Und schon ertappt man sich dabei, dass man sich das Ende des Krieges wünscht, auch um endlich diese einzigartige Stadt kennenzulernen. Und vielleicht gibt es bald auch Berichte über die Stadt, die nicht auf den Zeitungsseiten unter Aktuelles erscheinen, sondern im Sonderteil bei den Reiseseiten. Es wäre zu allererst den Bewohnern Aleppos zu wünschen.

Kennedy sagte: „Ich bin ein Berliner“, Reagan: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“. Jetzt ist es am Leser zu sagen: „Mister Obama (oder Towarisch Putin, Frau Merkel, Monsieur Hollande) read this book!“