Archiv für den Monat: August 2013

Winterwohlfühlküche

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Ob wir es wollen oder nicht: Es kommen auch wieder kältere Tage. Die Sonnenzeit ist vorüber, dann regiert die Dunkelheit wieder. Den Endorphinen freien Lauf zu lassen fällt immer schwerer. Jeder Glücksmoment ist jetzt Gold wert. Dabei kann jeder mitwirken. Am einfachsten mit leckeren Sachen, die den Körper wärmen, die Nase in fremde (warme) Gefilde entführen und Aromen, die auf der Zunge Samba tanzen.

Wenn man davon ausgeht, dass die kalten Tage etwas weniger als ein halbes Jahr uns beherrschen, ist dieses Buch das einzig Koch- und Backbuch, das für die ungemütliche Jahreszeit benötigt wird. Denn es sind über 150 Rezepte darin enthalten. Eines für jeden Tag.

Und bei diesen Rezepten kommt man doch wirklich gern nach Hause: Pancetta-Zwiebel-Tarte, Kartoffelgratin mit geräuchertem Schellfisch, und zum Nachtisch Birnen-Orangen-Tartes mit Mascaprone. Da stellt sich schon beim Lesen der Rezepte ein wohliges Gefühl ein. Und die Vorfreude steigt. Schoko-Feigen-Stücke mit Macadamia. Oder salzige Schoko-Stücke. Oder Kirschmarzipanstreusel-Schnitten…

Die kühlen Tage können kommen. Sie können uns nichts mehr anhaben. Denn wir haben die Rezepte gegen Melancholie und den Herbst-Blues.

Architektur Kalender 2014

2014_Architektur

Erhaben, oft erschlagen steht der Besucher vor einem Gebäude. Er ist verblüfft wie hoch man bauen kann. Er ist erstaunt ob der Faszination dieses Gebildes. Warum? Keine Ahnung! Da steht mitten im Weg ein Klotz aus Beton, Stahl und Glas. An und für sich nichts Besonderes. Und doch bekommt man den Mund nicht zu. Der Blick schweift nicht einen Moment ab von diesem Monument menschlichen Schaffens.

Wie auf einer Murmelbahn schwingen sich Aufgänge durch das Gebäude. Ist das die Faszination. Oder sind es die scheinbar zahllosen Balkons? Oder die verzauberten Silhouetten der Türme von gegenüber? Nein es ist der Kalender von Horst Schäfer, der die Faszination von Wolkenkratzern überall auf der Welt mit seiner Kamera eingefangen hat.

Der Blick starr auf eine Stelle gerichtet. Wie in einer Hypnose-Sitzung fällt man in eine Art Trance. Lässt die Bilder auf sich wirken.

Chicago, Frankfurt, Paris. Stationen einer Reise ins Innere der Künstler. Millionen von Menschen gehen achtlos an den Riesenbauten vorüber. Ein verstohlener Blick. Wow! Gitterlinien zeichnen ein schwer zu entschlüsselndes Raster, ein Labyrinth feinster Geraden fesseln den Blick.

Wie in einem Traum erscheinen Bäume vor Glasfassaden. Wenn in der Vertikalen nach Oben schaut, scheinen sich die Spitzen der Häuser irgendwann berühren zu können.

Zwölf Monate Staunen. Zwölf Monate Faszination. Zwölf Monate mit immer wieder kehrenden Momenten erfreulicher Ein- und Ansichten rund um den Globus.

Kalter Wind in Genua

Kalter Wind in Genua

Bacci Pagano ist Privatdetektiv in Genua, einer Stadt, die in Krimidingen in Deutschland eher eine untergeordnete Rolle spielt. Noch! Denn der nüchtern kalkulierende und sich durch nichts aus der Ruhe bzw. seinem Denkschema bringen lassende Ermittler ist eine literarische Wohltat.

Denn Bacci Pagano ist ein echter Kerl – wer ihm dumm kommt, bekommt es auch mit ihm zu tun. Eigentlich arbeitet Pagano im Moment für eine Industriedynastie. Ein einfacher Job. Dabei entdeckt er, dass der Erbe, der bald heiraten soll, von seiner Verlobten ziemlich hinters Licht geführt wird. Sie ist ein ganz schön durchtriebenes Luder.

Mitten in den Ermittlungen wird Pagano von einem Freund um Hilfe gebeten. Dessen Radiosender ist Vielen ein Dorn im Auge. Zu links. Zu offen. Zu gefährlich. Genua rückte 2001 in den Fokus der Öffentlichkeit, als es hier zum ersten Mal in der Geschichte der G8-Gipfel zu immensen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei kam. Aktionen, die heute zum Alltag bei den Gipfeltreffen gehören. Radio Baba Yaga berichtet immer wieder kritisch und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen von Missständen und Schiebereien.

In die Büroräume des Senders wurde eingebrochen. Nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht ein Gewehr gestohlen worden wäre. Die Polizei und Pagano nehmen, teils unabhängig voneinander, die Spur auf. Mal liegt die Mordkommission vorn, meist jedoch Pagano.

Ein verzwicktes Katz-und-Maus-Spiel ist die Folge. Mal hat Pagano den Täter schon am Schlafittchen, schon ist er ihm wiederentwischt. Die Hintermänner tauchen vor den Schleier des Vergessens und schon sind sie wieder verschwunden. Zwei Fälle muss Pagano lösen. Zweimal Lug und Trug, zweimal Heuchelei und Prügelei. Und zweimal hat die Lösung zwei Seiten.

Was diesen Krimi so besonders macht, ist die liebevolle Huldigung an Genua. Jede Ecke, jede Gasse, jede Bar wird mit so viel Detail beschrieben, dass man fast keinen Stadtführer mehr braucht. Anders als Brunetti in Venedig oder Guarnaccia in Florenz ist Bacci Pagano ein handfester Kerl, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Obwohl er lieber mit Worten als mit Fäusten kämpft. Aber, wenn’s gar nicht anders geht…

Mit seiner amaranten Vespa jagt er Verbrecher durch die Carruggi, die engen Gassen Genuas. Wer aufmerksam liest, kann in der ligurischen Metropole selbst auf Verbrecherjagd gehen.

Antike mit Biss

Antike mit Biss

Bissige Gesellen haben in den Bücherregalen der großen Buchhandlungen Hochkonjunktur. Der kitschig-verklärte Blick auf die Untoten und die Gestalten der Nacht faszinieren Leser. Doch das sind alles nur Phantasiegespinste.

Doch wie in jeder Geschichte so steckt auch hier ein Funken Realität –  Wahrheit wäre wohl etwas übertrieben in diesem Zusammenhang. Cornelius Hartz, passionierter Bücherentstauber und Seitenwühler hat sich wieder einmal auf die Socken gemacht, und ist dem Mythos der schaurigsten Geschichten der Antike auf den Grund gegangen.

Beim Staubaufwühlen ist ihm (wieder einmal) so manches Histörchen unter die fixen Augen gekommen.

Dem Dichter Horaz, der um die Zeitenwende lebte, ist die besonders gruselige Geschichte erzählt worden: Vier Hexen wollen einen Liebestrank brauen. Dazu benötigen sie einen schmucken Jüngling. Die Vorbereitungen sind umfangreich. Schließlich soll der Liebestrank einen gewissen Varus einer der Hexen gefügig machen. Da ist von Natternbrut die Rede, von Ermattungen ob der Vorrichtungen und Flüchen. Liest man den Text ohne Vorbildung, klingt das alles ganz nett. Ist halt ein Gedicht aus alter Zeit. Cornelius Hartz gibt dem Leser die Richtung vor, wie man den Text „lesen muss“.

Weiter geht die wilde Hatz durch die Antike der Raufereien und Mysterien: Das berühmteste Werk der Geschichte ist wohl die Bibel. Sie zu lesen, kein Problem. Sie vollends zu verstehen – ein zweckloses Unterfangen. Denn seit jeher streiten sich ganze Generationen von Kirchenforschern um die Deutung einzelner Passagen. Im Markusevangelium wird Jesus als Exorzist dargestellt. Dass er hier und da Bedürftige von ihren Leiden befreite, ist bekannt. Doch was geschah mit den ausgetriebenen Geistern? Ja, diese Stelle muss man erstmal finden. Und dann auch noch verstehen. Nun, jetzt ist das Geheimnis gelüftet. Cornelius Hartz hat den Bibelleser von seinem Leid erlöst. Halleluja!

Die Falle schnappt gnadenlos zu! Man ist gefangen im Strudel der Ereignisse vergangener Tage. Unerbittlich schlägt sich die Schreibfeder von Cornelius Hartz ins Gedächtnis des Lesers. Es gibt kein Entkommen. Anklage: Unterhaltung in Tateinheit mit Wissensvermittlung. Die Zeugen: Die Leser. Das Urteil: Schuldig in allen Anklagepunkten. Die Strafe: Dieses Buch! Aber das ist keine Strafe – es ist eine Belohnung.

Tatort Mittelalter

Tatort Mittelalter

Und wieder lernt der Leser, dass nicht alles, was heutzutage passiert auch eine Erfindung der Gegenwart sein muss. Gräueltaten, Raub, Mord, Folter – alles, was die Gazetten füllt und uns Leser angeblich immer als Erstes interessiert, gab es schon immer. Wenn es im Mittelalter passierte, ist es doch noch einen Spur interessanter.

Nach „Tatort Antike“ ist dieses Buch nicht nur die logische Folge, sondern die Fortschreibung der Grausamkeiten einer Zeit, die an Meucheleien erst viel später wieder überboten wurde.

Die Autoren Franziska Schäfer und Malte Heidemann haben einen guten Grund sich die prominenten Fälle herauszupicken. Denn die sind dokumentiert. Wenn Bauer A seinen Nachbarn um die Ecke brachte, fand das damals schon wenig Beachtung. Es war nicht mal eine Niederschrift wert.

Und die Bandbreite der Scheußlichkeiten reicht von Kindesentführung (die des erst elfjährigen Heinrichs. IV) über Kastration (Petrus Abaelard, Philosoph, 1180) bis hin zum bestialischen Völkermord an den Katharern bzw. Albigensern wie sie in Südfrankreich genannt wurden. Und immer hatte die Institution Kirche in Gestalt eines ihrer so genannten Würdenträger die Finger im Spiel. Machterhalt und Unseriosität gingen schon im Mittelalter Hand in Hand.

Die Autoren bemühen historische Quellen, um die Taten plastisch darstellen zu können. Der Tathergang und die Tatumstände werden dem Leser logisch dargeboten, so dass ein komplettes Bild der Tat entsteht. Freundlicherweise verzichten sie auf unappetitliche Details.

Geschichte zu vermitteln ist schwierig, im Unterricht oft staubtrocken und uninspiriert dargeboten. Franziska Schäfer und Malte Heidemann sind nicht einfach nur die Faktendrescher zwischen Wandtafel und Publikum, sie sind die Geschichtenerzähler einer vor Rohheit strotzenden Zeit. Geschickt entführen sie den Leser in eine Zeit, die längst vorüber gegangen ist. Die Parallelen zur Gegenwart sind noch sichtbar, allerdings sind die Täter der Gegenwart teilweise geschickter.

Solch investigativen Journalismus wünscht man so mancher Gazette. Denn wer macht ausübt, hat fast immer eine Leiche im Keller. Die Leichen der Vergangenheit erzählen noch heute vom Schicksal, das sie ereilte. Die Geschichte wird niemals ruhen …!

Wolf Erlbruchs Kinderzimmerkalender 2014

2014_Wolf Erlbruchs Kinderzimmerkalender

Ein Kinderzimmer zu dekorieren ist ein einfaches Spiel. Die Auswahl an Dekorationsmaterial ist schier unendlich. Leider ist der größte Teil kitschig und nicht wirklich von Dauer. Eine ordentliche Deko sollte schon ein Jahr lang uneingeschränkte Freude verbreiten. Zwölf Monate voller Spannung (für die Kleinen) verspricht dieser Kalender von Wolf Erlbruch. Der renommierte Künstler hat zwölf Kalenderblätter gestaltet, auf denen man immer wieder etwas Neues entdeckt. Radfahrende Eulen und Hasen, Gänse, die sich einen wärmenden Mantel teilen oder eine innig tanzendes Bärchenpaar – einfach köstlich. Kinder werden ihre helle Freude haben. Und wenn die Kleinen strahlen, sind die Großen ebenso zufrieden. Die Zeichnungen regen gerade dazu an sich Geschichten zu den Bildern auszudenken. Was macht die Ziege mit dem Goldfischglas denn da oben auf dem Berg? Wer springt weiter? Meister Lampe oder der Grashüpfer?

Quartettspiel Haustiere

Quartett Haustiere

Soll man Haustiere aufzählen, so erhält man folgende Antworten: Hund, Katze, Vogel, Fisch. Und wie soll man daraus ein Quartettspiel über Haustiere machen? Da fehlen doch noch mindestens Leopardengecko, Hausschwein, Chinchilla, Zebrafink und zwei Joker. Das Ganze (und ein paar Tiere auf handlichen Spielkarten mehr) verpackt man zusammen mit einer Spielanleitung in eine schicke stabile Metallbox und fertig ist das ultimative Quartettspiel für alle Altersklassen. Von „Noch-keine-Zähne“ bis hin zu „wieder-keine…“ – naja halt von Jung bis Alt, von Krabbelgruppe bis zur liebevollen leicht ergrauten ersten Liebe – alle werden an diesem Spiel ihre Freude haben, weil hier keine Exoten, sondern überall und jederzeit zu beobachtende Tiere die Hauptakteure sind.

Edward

Edward

Worüber lacht man gern? Über Missgeschicke. Über Macken. Über … Menschen. Edward ist so einer. Doch wir lachen ihn nicht aus. Wir lachen über ihn. Denn Edward ist einer von uns. Edward ist DAS Exemplar eines Menschen. Einer der ersten. Und er macht genau das, was wir auch tun. Wir jagen. Wir versuchen unseren Alltag so bequem wie möglich zu gestalten. Wir nutzen Apps, Smartphones und das Internet. Edward ist da eher Purist: Faustkeil, Pfeil und Bogen – das sind seine Bequemlichkeits-Herbeiführungsutensilien.

Roy Lewis ist sein Vater. Und Roy Lewis hatte (ja, leider muss man es sagen: hatte) einen sprachgewaltigen Mutterwitz. Den er jetzt an seinen geistigen Ziehsohn Edward weitergibt. Vor lauter unterschwelligem Herausprusten weiß man gar nicht wo man anfangen soll. So bleinbt nur der Hinweis, der Ratschlag sich Edwards Biographie einzuverleiben, beiseite zu legen, sie noch einmal zu lesen, es nochmal zu lesen, es beiseite zu legen, … Naja, und so weiter.

„Edward“ von Roy Lewis ist eines der wenigen Bücher, das man sich ganz vorn ins Bücherregal stellt. Und dann und wann immer wieder darin blättern wird. Das ist nicht nur eine bloße Feststellung. Es ist eine Garantie.

Denn Edward hält uns den Spiegel vor. Wir, die zivilisierten, bis in die Haarspitzen entwickelten Homo sapiens, die Krönung der Schöpfung stammen letzten Endes alle von Edward ab. Er gab uns die Richtung vor, errichtete Pfade, auf denen wir heute noch wandeln. Wir haben’s nur vergessen. Edward holt uns auf den humoristischen, harten Pfad der Wirklichkeit zurück. Die Erkenntnis, dass „Scheiße nun mal passiert“ oder „political correct“ formuliert, dass nicht immer alles seinen geplanten Weg geht (oder schlussendlich doch?) bildet nach Roy Lewis das Ende einer ganzen Epoche: Des Pleistozäns. Murphys Gesetz als Ende einer Epoche: So hat das noch nie jemand gesehen!

„Edward“ ist die Antwort auf die Frage wer wir sind, woher wir kommen. Die Antwort fällt wortgewaltig und zum Niederknien komisch aus. Keine Schenkelklopfer. Vielmehr eine über 200 Seiten dauernde Zwerchfellattacke, die sich gelegentlich stoßartig entlädt. Die Zwischenzeit verbringt der Leser mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das erst dann verschwindet, wenn man das Buch zuklappt und der Alltag einen wieder eingeholt hat. Der Alltag hat es jedoch verdammt schwer sich gegen Edward durchzusetzen. Therapeutischer Lippenverzerreffekt!

Nur ein Teil von Dir

Nur ein Teil von dir

Es ist nur ein kleiner Schritt vom Vorurteil zum Rassismus. Mit Rassismus kann man umgehen, weil er plump und stumpfsinnig ist. Vorurteile aus dem Weg zu räumen, bedarf einigen Aufwands.

Deola stammt aus Nigeria und lebt nun in London. Dort arbeitet sie als Wirtschaftsprüferin für eine NGO, ein nichtstaatliche Hilfsorganisation. Immer wieder stößt sie auf Reisen, bei der Arbeit, im Alltag auf Vorurteile. Doch sie ist Frau genug sich dem entgegenzustellen oder über diese hinwegzusehen. Ihr Leben – auch ohne Mann (wieder so ein Vorurteil, dass Frau ohne Mann es viel schwerer hat) – verläuft in geregelten Bahnen. Die Arbeit macht ihr Spaß, sie kommt rum in der Welt. Multi-Kulti ist für sie keine leere Worthülse, es ist ihr täglich Brot.

Doch ihre Welt wird auf eine harte Probe gestellt. Sie soll in ihrer Heimat Nigeria einige Hilfsorganisationen überprüfen, ob diese von ihrer Organisation unterstützt werden können, ob sie es wert sind unterstützt zu werden.

Es soll eine besondere Reise werden. Zum Einen ist Nigeria noch nicht im Portfolio von LINK, der Organisation, für die Deola arbeitet. Zum Anderen steht der fünfte Jahrestag des Todes ihres Vaters an. Und der wird mit einer großen Party begangen. Endlich Zeit Mom wiederzusehen. Und Aunty. Und Ivie, ihre Cousine. Endlich wieder unvoreingenommen sie selbst zu sein. Dafür nimmt sie gern die permanenten Vorwürfe in Kauf, warum sie, mit 39 Jahren, noch keinen Mann und kein Kind hat.

Groß ist die Freude über das Wiedersehen. Und auch die „Geschäfte“ machen Fortschritte. Und ein Mann tritt in Deolas Leben. Mit Folgen…

Sefi Atta legt mit „Nur ein Teil von Dir“ den authentischsten Nigeria-Roman ihrer Karriere vor. Fernab von folkloristischem Schnickschnack strickt sie eine schicksalhafte Geschichte einer jungen Frau, die voll und ganz in ihren jetzigen Leben aufgeht. Ihre Wurzeln sind stets präsent, dennoch führt sie ihr eigenes Leben, das durch eine Unachtsamkeit auf den Fugen geraten zu sein scheint.

Die zahlreichen detaillierten Facetten des nigerianischen Lebens ziehen den Leser in den Bann eines spannungsgeladenen Landes, das auf dem Sprung zu einer Wirtschaftsmacht immer wieder an den eigenen Ansprüchen und privater Vorteilsnahmen scheitert. Einzelschicksale untermalen diese Eindrücke. Vorurteile bekommen neuen Nährboden, werden aber auf der anderen Seite ebenso schnell entkräftet. Ein starkes Stück Afrika, eine kritische, ungeschminkte Sichtweise auf Nigeria.

Die Geheimnisse des Roten Meeres

Die Geheimnisse des Roten Meeres

Wer heute Geschichten vom Roten Meer erzählt, kommt an gigantischen Einkaufstempeln, an wohl riechenden Souks und einem lautstarken Stimmengebrabbel nicht vorbei. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Henry de Monfreid geboren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte er sich auf den Weg ans Rote Meer, um sein Glück als Waffen- und Drogenschmuggler zu probieren. Mit Erfolg: Nach seinem größten Deal konnte er sich ein eigenes Elektrizitätswerk leisten. Ein Krimineller? Jein. Ein Glücksritter? Ja! Ein gewiefter Geschäftsmann? Und wie! Und ein erstklassiger Autor, der ab der ersten Seite den Leser fesselt (wieder oder immer noch Krimineller?!).

1931 brachte der Abenteurer seinen ersten Roman heraus. „Die Geheimnisse des Roten Meeres“ schlug ein wie – es sich für einen Kriminellen gehört – eine Bombe. Seine Erlebnisse im arabischen Raum sind überschattet von geschicktem Verhandlungsgeschick, eine ordentlichen Portion Chuzpe den Behörden und ihrer ausführenden Organe die Stirn zu bieten, und sie werden in einem Gewürztiegel zu einem schmackhaften Lesegenuss zusammengemischt.

Bei de Monfreid treffen Autobiografisches und feinste Formulierungskunst aufeinander. Man merkt sofort, dass hier ein echter Kenner und Meister am Werk ist. Total zufrieden mit sich und der Welt, ein entspannter Mensch, der hier berichtet.

Ein Glücksfall für den Leser: Denn Arabien, fernab vom Konsumüberfluss, aber schon damals mit dem Geruch der weiten Welt im Ambiente der stets lauernden Gefahr: Henry de Monfreid war ein Gauner wie er im Buche steht – nicht nur sinnbildlich. Die künstlerische Ader bekam er in die Wiege gelegt. Paul Gaugin ging in seinem Elternhaus aus und ein. Und wie Künstler nun mal so sind, müssen sie tagein, tagaus ums Überleben kämpfen. Eine harte, und für den kleine Henry auch prägende Zeit.

Auf 300 Seiten wird der Leser eine Welt voller Bakschisch und roher Gesellen versetzt. Ein Abenteuerroman für Jugendliche, die Tom Sawyer schon kennen und Jules Verne schon verinnerlicht haben. Henry de Meonfreid gehört ohne Zweifel in die Reihe großer Abenteurer, wie es sie seit Ernest Hemingway nicht mehr gab. Nur mit dem Unterschied, dass der Franzose sich nicht in Gefahr begab, um darüber schreiben zu können. Er schrieb, weil er in Gefahr geriet und ein Freund ihn zum Schreiben überredete.

Den Zauber Arabiens heute ganz und gar zu verstehen, das geht nur mit der Vorbildung eines Henry de Monfreid.