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Der dritte Mann – Die Neuentdeckung eines Filmklassikers

Ein Weihnachtsfilm ist er gewisse nicht, „Der dritte Mann“ von Carol Reed mit Orson Welles in der Hauptrolle. Ein Massenphänomen auch nicht. Und trotzdem geraten seit siebzig Jahren die Herzen aller Filmfans in Wallung, wenn die Rede von diesem Meisterwerk ist. Expressionistische Kameraeinstellungen, eine düstere Geschichte noir und die außerordentlich charakterstarken Darsteller tragen seitdem zum Ruhm dieses immer wieder zum besten Film aller Zeiten gewählten Kunstwerk bei.

Da kommt das Buch von Bert Rebhandl gerade richtig. Wem die Story schon ein wenig im Nebel des Vergessens untergangen ist, bekommt zur Einstimmung erst einmal eine knappe, aber umfassende Nacherzählung als Gedächtnisauffrischung kredenzt. Ist der Film, das Buch wieder auf der geistigen Leinwand präsent, treten die kleinen verdeckten Dinge des Films auf die Leinwand.

Wien ein paar Jahre nach dem verheerenden Krieg: Die Stadt liegt in Trümmern, die Siegermächte haben Österreich (was in der Form nicht mehr oder noch gar nicht gab) sowie Wien unter sich aufgeteilt. Der innere Ring wird von allen vier Mächten gemeinsam unter Kontrolle gehalten. So war es in Wirklichkeit, so ist es im Buch / Film. Graham Greene und Carol Reed haben das Buch zusammen erarbeitet. Es war also kein Film, der auf einem bereits existierenden Buch basierte. Das Drehbuch wurde eigens für den Film geschrieben. Beide – Film und Buch – sind mittlerweile Klassiker. Der Film läuft seit Jahren in einem Wiener Kino in der Originalfassung – man achte auf den ersten Auftritt Paul Hörbigers, der des Englischen nicht mächtig war und vor laufender Kamera Himmel und Hölle verwechselt.

Obwohl der Hauptdarsteller Orson Welles im Film kaum zu sehen ist und erst nach gut der Hälfte des Films zum ersten Mal auftritt (da hat Steven Spielberg besonders gut aufgepasst, denn sein Hai taucht im gleichnamigen Film erst gegen Ende kurz auf), wird „Der dritte Mann“ auf immer und ewig mit dem massigen Schauspieler verbunden sein. Bemerkenswert: Ein weiterer „Bester Film aller Zeiten“ – „Citizen Kane“ darf sich ebenfalls eines Orson Welles rühmen.

In den Dutzend Kapiteln durchleuchtet der Bert Rebhandl so ziemlich jede Querverbindung von Charaktern und Darstellern, ihre Verquickungen mit der Zeit und den Verbindungen ihrer Rollen zur Gegenwart. Qohlwollend nimmt man dann doch zur Kenntnis, dass die kleinen Schweinereien doch lieber der Regenbogenpresse überlassen werden als dieses Buch „aufzuhübschen“. Als Konsequenz des Buches muss man sich eingestehen, dass auch nach mehrmaligem Schauen des Films immer noch Fragen offen blieben, die nun in diesem Buch beantwortet werden. Selbst die Fragen, die man niemals zu stellen wagte.

Stadtabenteuer Wien

Würde es Wien nicht schon geben, man müsste es glattweg noch einmal erfinden! Judith Weibrecht hat zwar Wien nicht neu erfunden. Aber ihre Stadtabenteuer Wien geben – wie alle Bücher der neuen Reisebuchreihe aus dem Michael-Müller-Verlag – der reichlich angestaubten Reisebuchbranche eine neue Note. Wer nun erwartet, dass Treppensteigen im Stephansdom als extraordinär einzuschätzen ist, liegt nicht ganz falsch, dennoch kann die Autorin immer noch einen draufsetzen.

Man fühlt sich in einer Metropole schnell allein gelassen. Auch wenn sie quasi vor er eigenen Haustür liegt. Das kann an der Andersartigkeit der Stadt liegen, an ihrem undurchsichtigen Verkehrssystem oder auch an der Sprache. Ja, Wien ist anders, der öffentliche Personennahverkehr ist exzellent organisiert. Doch ein Wiener mal richtig loslegt, ist man schnell mit seinen Deutschkenntnissen am Oarsch! Herr hilf mir, möchte man ausrufen. Besser sollte es heißen: Maria hilf! Denn im Stadtteil Mariahilf, wird einem wirklich geholfen. Eineinhalb Stunden Weanerisch im Dialektworkshop. Danach ist man nicht deppert, weiß, dass es sich gehört ein Servas in die Runde zu werfen, wenn man andere begrüßt und ist nicht länger irritiert, wenn man ein Sackerl angeboten bekommt.

So gewappnet kann der Streifzug durch die Donaumetropole losgehen. Nur ein Katzensprung entfernt liegt der Bauch von Wien, der Naschmarkt. Ein Paradies für alle Leckermäuler. Allerdings auch eine No-Go-Area für alle, die es gern mal etwas ruhiger angehen lassen. In den engen Gassen zwischen den Ständen fällt es zunehmend schwer die lukullischen Extravaganzen in den Auslagen auch wirklich genießen zu können. Doch es gibt einen Trick, den Naschmarkt auch wirklich und gänzlich zu einem Erlebnis zu machen. Während die Sonne sich langsam aus ihrem Nachtquartier schält, stiehlt man sich leise aus seiner Unterkunft. Das ist echte Weanerische Marktkultur! Und im Freihausviertel gleich nebenan kann man sich stärken und in so manchem Designerlokal ein neues Leiberl erstehen. Was das ist, weiß man ja noch aus dem Sprachkurs. Ob da allerdings schon am frühen Morgen die Türen mit einem Lächeln geöffnet sind?

Wer noch mehr Wien und noch mehr Mariahilf verträgt, der trinkt sich genussvoll durch die Kaffeekarte des Cafe Jelinek, kraxelt an einem ehemaligen Flakturm die Wände hoch und taucht im selben Gebäude in die Tiefen der Ozeane hinab. So ist Wien, so sind die Stadtabenteuer, so muss es sein!

Die Adern Wiens

Straßen als Adern einer Stadt zu bezeichnen, ist schon seit Jahren in Mode. Wer in Wien während der Rush hour im Stau gestanden hat, könnte leicht das Gefühl bekommen, dass ein verlangsamter Puls nicht zwingend zum Herzstillstand führen muss. Man kann sich links und rechts an der Architektur erfreuen. Nach ein paar Wochen wirkt allerdings auch das nicht mehr.

Norbert Philipp studierte in Wien und schwimmt mit in seinem Buch durch die Arterien und Venen einer der faszinierendsten Metropolen Europas. Die eine oder andere Straße ist so bekannt, dass man meint sie müsse nicht mehr vorgestellt werden. Doch selbst die Kärtner Straße birgt noch Geheimnisse in sich, die man erst durch dieses Buch erkennt. In dem Kapitel über die berühmteste Einkaufsmeile Wiens wartet der Autor gleich mit einem interessanten Fakt auf. Wer Wien allein erleben will, der macht am besten einen großen Bogen um die Kärntner, besonders zwischen halb und um Fünf. Dann ist diese Fußgänger-Straße am belebtesten, am beliebtesten … am vollsten.

Ein sehr langes und abwechslungsreiches Leben hat die Währinger Straße hinter sich und sicher auch noch vor sich. Es geht Auf und Ab. Burgerbuden und Häuser mit Geschichte, dichter Verkehr und lauschige Plätze zum Entspannen bilden auf sowie links und rechts der Währinger Straße ein Netz, das moderne Urbanität stilvoll vorlebt.

Auf seiner inspirierenden Reise auf Wiens Straßen, den Adern der Stadt, trifft Norbert Philipp zwangsläufig auf die ereignisreiche Geschichte der Mariahilfer Straße. Vor nicht allzu langer Zeit war hier das Infarktrisiko am größten. Beginnend am Museumsquartier lieferten sich Autos und Fußgänger ein atemraubendes Rennen. Bis die Stadt beschloss die Bergaufstrecke (vom Museumsquartier kommend) – und natürlich auch die Gegenrichtung – nur noch für Lieferanten zu öffnen. Die anliegenden Geschäfte liefen Sturm. Wie sollen denn jetzt die Kunden in die Geschäfte kommen? Das ist der Untergang! Doch alles kam anders. Heute trollen sich, besonders am Abend Musikanten, Skater und Bummler auf der verkehrsberuhigten Straße und machen sie zu der Straße mit dem ungehindertsten Menschfluss der Stadt.

Eine Stadt muss sich entwickeln, um überleben zu können. Eine Metropole wie Wien immer wieder neu zu erfinden, weiterzuentwickeln, bedarf Mut und Weitsicht. Nicht immer sind die Veränderungen sofort spürbar und noch seltener werden sie umgehend angenommen.

„Die Adern Wiens“ sind besonders strapazierfähige Ströme, die den Besucher aufnehmen und ihn an die unterschiedlichsten Orte führen. Als Bettlektüre ist dieses Buch die ideale Einstimmung auf den folgenden ereignisreichen Tag und eine Ergänzung zu so manchem Reiseband. Wer die beiden Bände „Wien abseits der Pfade“ vom Braumüller-Verlag schon als unerlässlich kennengelernt hat, wird mit diesem Buch eine unkonventionelle Ergänzung mit enormem Hintergrundwissen entdecken.

101 Wien

Wien mit Reiseband – ist das wirklich notwendig? An jeder Ecke ist doch irgendwas zu sehen, was sehenswert ist. Zur Not folgt man unauffällig irgendeiner Gruppe und man gelangt garantiert zur nächsten Attraktion. Mag sein. Aber dann sieht man nur irgendetwas und weiß nicht was und warum es so bedeutsam ist. Die Antwort auf die Frage lautet also: Ja!

Einer Autorin wie Sabine Becht kann man vertrauen. Zusammen mit Sven Talaron steigt sich nicht nur in die Tiefen der Stadt hinab, sie holt auch das ans Tageslicht, was man beim Hinterhertraben in der geführten Masse nur als sehenswertes Etwas wahrnimmt. Wien birgt die Gefahr in sich, dass man nach ein paar Tagen der Attraktionen müde wird. Es ist einfach zu viel. Bekommt man allerdings Hintergrundinfos an die bzw. in die Hand wird Wien wieder zum Sehnsuchtsort, den man sich erhofft hat.

Und wenn man die ersten Highlights der Stadt (Stephansdom, Kunsthistorisches oder Naturhistorisches Museum, Stadtpark, Bellevue …) als durchaus sehenswert, aber teilweise derart überlaufen, abgearbeitet hat, kann man sich der Wiener Küche zuwenden. Auch hier gilt es wieder Akzente zu setzen. Der Gaumen soll doch nach dem Urlaub nicht der einzige sein, der abgefrühstückt wurde, oder?! Ja, Figlmüller und seine Schnitzel sind weltberühmt, doch wer in der Hauptfiliale speisen möchte, muss erstmal anstehen. Und das nicht nur ein paar Minuten. Ebenso im Griechenbeisl, um die Ecke, dem ältesten Schnitzelrestaurant der Stadt. Ankommen, hinsetzen, genießen, zahlen und weiter geht’s – illusorisch, wenn man zu einer zivilen Zeit dem Magen was Gutes gönnen will. Die Autoren haben Alternativen zur Auswahl, die sich schon zu den etablierten Einkehrmöglichkeiten zählen dürfen.

Wer an Wien denkt, kommt an der zentralen Sammelstelle für Touristen nicht vorbei. Schloss Schönbrunn. Wer meint, dass die Wartezeit vor dem Figlmüller schon unmenschlich ist, der war noch nie in Schönbrunn. Ein riesiges Kassenhäuschen mit zahllosen Warteschlangen. Und ist man endlich im Schloss, geht’s im Gänsemarch durch die Gemächer derer von Habsburg. Schön ist anders! Aber die Anlagen um das Schloss sind sehenswert und wirkliche Erholung. Wer dem Ganzen aber noch die Krone aufsetzen will, fährt ein paar Haltestellen mit U-Bahn stadtauswärts in den Stadtteil Hietzing. Hier lebte Hans Moser, heute die Botschaft Aserbaidschans. Hier lebten Beethoven, Strauss, starb Liszt, und hier wirkte einer der größten Künstler Wiens, Österreichs, Europas, wenn nicht gar der Welt: Gustav Klimt. In einer kleinen Straße (nicht ganz so leicht zu finden, da nicht überall Hinweisschilder hängen) lebte und arbeitete er. Die kleine Villa beherbergt immer noch das Atelier des Künstlers, so als ob er vor seiner Siesta hier noch den einen oder anderen Pinselstrich getan hat.

Allen, die meinen, dass Wien mehr als nur einhundertundeinen Tipp zu bieten hat, sei versichert, dass sie recht haben und die im Buch angepriesenen einhundertundein Tipps Ausgangspunkte für weitaus mehr als hundert Tipps mehr sind. Auch wenn man nicht gezielt nach Höhepunkten der Donaumetropole sucht, empfiehlt es sich dieses Buch auf alle Fälle dabei zu haben. Wie soll man sonst das eine oder andere Highlight erkennen? Die Mischung macht’s: Das, was jeder sieht (was man schon zu kennen glaubt), gepaart mit dem, was man nur sieht, wenn man nicht nur vorwärts schaut, sondern auch links und rechts nach oben und unten schaut, in Verbindung mit naiver Neugier – die Autoren lassen jedem Wienbesucher den Freiraum Wien auf eigene Faust zu erkunden, stupsen ihn aber wieder an innezuhalten und sich umzuschauen. Der Lohn: Wien mit ganz anderen Augen sehen zu können!

Bukuríe

Es ist schon ein besondere Melange, die die Autorin Melamar in ihrem Buch „Bukuríe“ dem Leser anbietet. Rita kam als Kind aus Siebenbürgen nach Wien. München war das eigentliche Ziel, doch die Asylgesetze verhießen ihrer Mutter und ihr keine rosige Zukunft. So blieben sie in Wien bei der Tante der Mutter „hängen“.

Pablo Eltern flohen in den 70ern vor der Junta in Chile. Er selbst wurde in Wien geboren. Mit Chile verbindet er nur die ewigen Diskussionen der Eltern über ihre Flucht, ihre Sehnsüchte und die Angst vor Repressalien. Das Land seiner Eltern hat er nie besucht.

Bukuríe stammt aus dem Kosovo. Sie ist Roma. Sie wurde schon einmal abgeschoben – von Deutschland nach Rumänien. Weil die Behörden ihr Albanisch nicht für Albanisch genug hielten, um sie als Kosovarin feststellen zu können.

Rita hat den Laden ihrer Großtante übernommen. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon – es reicht zum Leben und ab und zu macht sie sogar richtig gute Geschäfte. Pablo hat die Musik als Leidenschaft gegen den sicheren Job bei der Bank und endlosen Pessimismus getauscht. Ihn ärgert es, dass Rita nicht mehr aus ihrem Laden, ihrem Leben, machen will. Als sie dann auch noch die Roma Bukuríe in ihrem Laden wohnen lässt, ist Pablo am Ende seines Lateins. Er und Rita, das war mal was Großes. Mit Ideen, Träumen und Plänen einer bunten Zukunft. Jetzt herrschen Grau und Alltagstristesse.

Dass Bukuríe Farbe und Fröhlichkeit in ihr Leben bringt, kann er schon gar nicht mehr realisieren. Zu sehr sitzt er in seinem Sauertopf und sucht nach dem Schlechten in der Zeit.

Bukuríe hat eine harte Zeit hinter sich. Sie verkauft Zeitungen auf der Straße und besitzt die Gabe die Menschen wahrlich lesen zu können ohne das Alphabet zu beherrschen. Ihr umwerfendes Lächeln und die Möglichkeit mit einem Fremden in ihrer Sprache sprechen zu können, lässt eine tiefe Beziehung zwischen ihr und Rita erwachsen. Nur Pablo ist außen vor. Er fühlt sich wie das fünfte Rad am Wagen. Weder Rita noch Bukuríe können ihn in ihren Kreis des Friedens hineinziehen…

Melamar gelingt es mit „Bukuríe“ eine anrührende Integrationsgeschichte dem Leser an die Hand zu geben. Drei Menschen, die mehr oder weniger das Schicksal des Anderen eher verstehen als die meisten in ihrer Umgebung. Doch alle Drei haben unterschiedliche Herangehensweisen mit sich und diesen Schicksalen umzugehen. Unbekümmerte Fröhlichkeit, dankbare Ergebenheit und grundlose Schwarzmalerei müssen noch lernen sich die Hand geben zu können.

Sugar Dead

Da sitzen sie nun im Beisl und diskutieren über die Sachen, die sie umtreiben. Oberst Karl Tannhacker vom LKA Wien, Abteilung Gewaltverbrechen und der Grafiker Jonny Graberth. Eine dieser Sachen ist der Mord an Edwin Kohut-Bäumler. Der hatte im Sechsten Bezirk, Mariahilf, für seine, tja, wie soll man sie nun bezeichnen? Gespielin? Seine Affäre?, eine Wohnung freigehalten. Nun ist er tot. Erschossen. Mitten ins Herz.

Auch Alfons Wyskidensky schied relativ schmerzlos aus dem Leben. Der Bauunternehmer war wie Kohut-Bäumler gern im „Sugar Dad“ anzutreffen. Hier war das schummrige Begegnungszentrum von jungen Damen und älteren Herren. Alles kann, nichts muss! So verkaufte es der Besitzer.

Der Tod von Hans-Werner Strohmer bringt allerdings noch mehr diffuses Licht in diesen undurchsichtigen Fall. Denn er konnte sich das „Sugar Dad“ bzw. das Personal gar nicht leisten. Ihm gehörten keine Immobilien, er baute auch keine. Er war pensionierter Bahnbeamter. Drei Morde. Dreimal das Wort „Kinderficker“ mit Lippenstift an den Badezimmerspiegel geschrieben. Man müsste irgendwie an die Person rankommen, die diese drei Herren miteinander verbindet. Aber wie?

Neunzehn Jahre zuvor: Dem Ehepaar Scherwath wird eine Tochter geboren, Auxiliadora, die Helferin der Christen, soll sie nach dem Willen ihres Vaters heißen. Das Kind wächst heran. Sie ist höflich, zuvorkommend, fleißig, eloquent. Schon im Teenageralter ist sie jedoch zu höflich und zu zuvorkommend… Eigenschaften, die ihr immer wieder Probleme einbringen werden. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht! Bis zu dem Moment, in dem ihr das Blaulicht das Gesicht erhellt. Tannhackers Vorgesetzten bleibt nur eine Wahl, das junge Ding mit dem vielsagenden Namen festzusetzen und anzuklagen. Doch Tannhacker und vor allem Graberth kommen gehörige Zweifel auf…

Alexander Kautz spielt keine Spielchen mit seinen Ermittlern. Sie wittern heiße Spuren, wischen falsche Fährten mit einem Handstreich vom Tisch und verlassen sich auf ihren gesunden Menschenverstand. Klischees haben in diesem dichten Krimi keinen Platz. Der Amateur Graberth ist keine lästige Fliege, die vom Profi Tannhacker immer wieder genervt von der Backe verjagt werden muss. Er ist Ideengeber und darf sogar auf eigene Faust ermitteln. Dabei hat er selbst genug zu tun. Labradormischling Foster fordert liebevoll Zuneigung ein. Seine Freundin Jessy fordert mehr gemeinsame Zeit ein. Und der Job erledigt sich auch nicht von allein.

„Sugar Dead“ führt den Leser durch ein Wien, das von Gewaltverbrechen durchdrungen ist, dessen Leben aber nicht dadurch allein bestimmt wird. Empathie und Wortwitz – abgeschmeckt mit einer ordentlichen Portion Schmäh – bauen sich vor dem Leser auf und lassen ihn herzhaft miträtseln, wer denn da im Hintergrund die Fäden und am Abzug zieht.

Eszters Wende

Schöne heile Welt mitten in Wien. Sophie bezieht ihre erste eigene Wohnung im zentralen Ersten Bezirk von Wien. Gleichzeitig tritt Eszter Nagy, eine Ungarin, ihren ersten Arbeitstag an. Sie pflegt von nun an die Opernsängerin Isabelle Janssen. Die gefeierte Opernsängerin hatte vor Kurzem einen Schlaganfall und ist seitdem nicht mehr dieselbe. Ihr Gatte braucht unbedingt Unterstützung. Im Haus wohnt auch Dr. Volker Schmidt mit seiner Frau Lilly. Sie wünscht sich sehnlichst Kinder, doch er versperrt vor diesem Wunsch stets die Ohren. Ganz oben wohnen Bernhard, EU-Politiker Bernhard und Felix, der Schriftsteller. Schöne heile Welt mitten in Wien? Mit nichten.

Bernhard sieht seine Karriere gefährdet, sollte er seine Homosexualität offenlegen. Was würde die Partei sagen? Und wie würden die Wähler reagieren? Felix spielt bisher duldsam die zweite Geige in ihrer Beziehung. Doch lange will und wird er dieses Spielchen wohl nicht mehr mitmachen.

Volker Schmidt hat die Praxis von seinem Vater übernommen. Er selbst hatte immer alle Prüfungen mit Bravour bestanden. Einzig allein der Gedanke, dass die Prüfungsergebnisse massiv mit dem exzellenten Ruf seines Vaters zusammenhängen könnten, stört ihn. Seine Eltern haben sich nach der plötzlichen Praxisaufgabe aufs Altenteil zurückgezogen. Nicht ganz freiwillig. Denn Volkers Vater leidet an Schizophrenie. Die allerdings hat er mit Medikamenten gut im Griff. Die Krankheit ist allerdings vererbbar. Was der Grund ist, dass Volker Lillys Kinderwunsch andauernd ausweicht. Sie begnügt sich derweil mit dem Einkauf von Kindersachen. Man weiß ja nie…

Die Pflege von Isabelle Janssen ist für Eszter ein echter Glücksgriff. Herr Janssen lässt ihr alle Freiheiten, und Isabelle genießt die Spaziergänge durch die Stadt. Die Erinnerungen an ihre große Zeit allerdings versetzt sie immer wieder in Apathie. Eszters Traum bald schon einen Blumenladen eröffnen zu können, wird schon bald konkrete Konturen annehmen können.

Und was ist mit Bernhard und Felix? Alle im Haus scheinen mit einem Mal ihr Leben in geordnete Bahnen lenken zu können. Wird Bernhard über seinen Schatten springen sich offen zu Felix bekennen?

Silvia Hlavin lässt einen frischen Hauch durch dieses ehrenwerte Haus wehen. Eszter und Sophie schweben wie gerufene Engel durch das Gemäuer und lassen Farben erstrahlen wo sonst in absehbarer Zeit der Putz von den Wänden bröckeln würde. „Eszters Wende“ liest sich wie schnörkelloser Roman, dessen Ende man gern vorausnehmen würde und dessen Ende zwar nicht überrascht, aber in der brachialen Umsetzung dann doch für große Augen sorgt.

Bauhaus – Ein fotografische Weltreise

Wenn große Jubiläen anstehen, Jahrestage spricht man oft davon, dass diese ihre Schatten vorauswerfen. 2019 wird 100 Jahre Bauhaus gefeiert. Weimar, Dessau, Berlin – überall wird man dieses nur auf den ersten Blick schlichten und funktionalen Stils gedenken. Doch von Schatten ist da nichts zu sehen. Vielmehr erhellen die Strahlen der Vergangenheit das Jetzt und Morgen. Und so präsentier sich auch dieses Buch. Schon das Titelbild lässt eine Bauhaus-Schöpfung (Casablanca) im strahlenden Sonnenlicht des Maghreb den Leser und Betrachter erahnen, was auf den folgenden 240 Seiten auf ihn zukommt.

Und das ist eine ganze Menge! Bauhaus wird allgemeinhin als originär deutscher Baustil angesehen. Außerhalb Deutschlands war dieser Stil aber mindestens genauso anerkannt und vor allem beliebt. Was daran lag, dass viele Protagonisten ab einer bestimmten Zeit in Deutschland nicht mehr arbeiten konnten, die meisten nicht mehr durften.

Diese fotografische Weltreise führt den Interessierten an Orte, die er vielleicht schon mal besucht hat. Und dann ist im Rausch der Gefühle und Eindrücke so mancher Bauhaus-Edelstein untergegangen. Von Indien über Libanon, von Afghanistan (leider schwer beschädigt) bis Burundi – Bauhaus ist überall. Und damit ist nicht die Baumarktkette gemeint, die sind in weniger Ländern vertreten. Kambodscha, Kuba, Indonesien, Guatemala – Fotograf Jean Molitor ist ganz schön rumgekommen, um diesem Bildband den Stempel Weltkunst aufzudrücken. Die erklärenden Texte von Kaija Voss ordnen jedes noch so kleine Detail, jedes Element, das Bauhaus so unverkennbar macht, wird beschrieben.

Wer also demnächst durch Rostock oder Phnom Penh, Hamburg oder Chavigny, durch Weißensee oder Bukavu spaziert, wird garantiert seine Augen offenhalten, um bloß nicht wieder Erinnerungen an die Heimat zu verpassen. Oder man beschreitet den umgekehrten Weg. Alang, Udaipur, Quetzaltenango besuchen, um das Bauhaus im besonderen Licht der Ferne auf sich wirken zu lassen.

Endlich mal eine Prachtband, der einem nicht das Blut in den Oberschenkeln abschnürt. Die Motivauswahl ist exzellent, die Stimmung der Szene wird so eingefangen wie sie wirklich ist. Bauhaus wird hundert – jeder, der jetzt anfängt ein weiteres Buch über dieses außergewöhnliche Jubiläum zu schreiben, muss mit dem Scheitern seines Projektes rechnen. Es geht kaum besser!

Labyrinthe – Eine Reise zu den berühmtesten Irrgärten der Welt

Was ist das? Links, rechts, rechts, links, rechts, links, links, rechts. Ein Spaziergang durch Altjeßnitz in Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt durch den ältesten original erhaltenen Hecken-Irrgarten Deutschlands. Seit 1854 kann er in dieser Form durchschritten werden. Doch es gibt bekanntlich immer mehrere Wege – in einem Labyrinth ist das der eigentliche Spaß.

Die Reise in diesem Buch zu den verwegensten Irrgärten ist ebenso spannend wie die Reisen durch die beschriebenen Labyrinthe. Und die Reise führt einmal um den Erdball. Von Algier über Glastonbury und Mismaze und Schönbrunn bis nach Wing.

Nicht jedes der beschriebenen Labyrinthe ist fußläufig zu erobern. Manche Linienkunstwerke sind als Fliesenmosaike zu bestaunen. Wie das Theseusmosaik, das im Kunsthistorischen Museum Wien zu bewundern ist. Für Reisende aber besonders interessant sind diejenigen, die man be- und versuchen kann. Schönbrunn, wieder einmal Wien, ist so eines. Jedoch niemals an einem sonnigen Wochenende das Labyrinth besuchen. Dann sind die Besuchermassen zu erdrückend. Fasziniert läuft man durch die Heckengänge, durch die Hecken selbst sieht man nicht viel, was auch gut ist. Es würde nur den Spaß verderben.

Lyveden New Bield in Northamptonshire ist eine Attraktion, die noch gar nicht so lange besichtigt werden kann. Das Anwesen selbst ist seit Jahrhunderten eine Baustelle. Sir Thomas Tresham war überzeugter Katholik. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wollte er hier einen zweiten Landsitz errichten, den man nur durch ein Labyrinth erreichte. Doch daraus wurde nicht, und erst kürzlich wurde das Labyrinth freigelegt.

Es ist ein ganz besonderer Reiseband. Ein Reiseband im Reiseband. Denn dieses Buch kann durchaus als doppelter Ratgeber angesehen werden. Zum Einen als Tippgeber, wenn man noch nicht weiß wohin die nächste Reise gehen soll. Zum Anderen als Wegweiser durch die unterschiedlichsten Irrgärten der Welt. Denn jedes Labyrinth ist in Draufsicht abgebildet. So kann man schon mal die Wege mit dem Finger ablaufen.

Die feinlinigen Illustrationen geben detailgenau die eindrucksvollen Kunstwerke wieder. Was auf den ersten Blick so einfach erscheint, weil sich die Wege doch so offensichtlich gleichen, entpuppt sich schnell als Trugschluss. Und schon sitzt man in der Falle! Links? Rechts? Wo lang? Wie Stan Laurel in „A chump at Oxfrod“ ist man der Verzweiflung nahe, wenn man den richtigen Weg gefunden zu haben scheint, und schließlich feststellen muss, dass die Sackgasse wieder einmal nicht ausgeschildert war. Nicht verzagen: Es gibt immer einen Ausweg. Dieses Buch ist der Ausweg aus der oft verbreiteten All-Inclusive-Reise-Langeweile. Je nach Mut ist man mit Buch und Irrgarten ein paar Minuten, meist jedoch Stunden beschäftigt.

Hietzing

Hietzing bei Hitze genießen – da muss man einen kühlen Kopf bewahren. Denn der Stadtteil der Donaumetropole Wien bietet eine Menge an historischen Schmeckerchen, die man auch auf den zweiten Blick nicht erkennen wird. Eine U-Bahn-Haltestelle nach dem Tourismusmassenphänomen Schönbrunn öffnet sich dem neugierigen Besucher eine fast schon als geheimnisvoll zu bezeichnende Welt. Prächtige Villen reihen sich neben unscheinbare Wohnhäuser, deren einstige Bewohner die Welt eroberten. Für Filmfans ein wahres El Dorado.

Gleich schräg gegenüber der U-Bahnstation trifft man schon auf die erste Leinwandikone. Ein Platz ist nach diesem Filmschauspieler benannt. Im deutschsprachigen Raum eine Legende: Hans Moser. Das Haus, in dem er wohnte, befindet sich fußläufig ein paar Minuten entfernt. Dichte Hecken umgarnen die Stadtvilla. Kameras verraten, dass hier etwas zu beschützen ist. Auf den beliebten Volksschauspieler weist erst einmal nichts hin. Um die Ecke jedoch: Botschaft der Republik Aserbaidschan. Die hat die Villa des nuschelnden Schauspielers als ihre neue Heimat in der Fremde angenommen und eine Erinnerungstafel angebracht.

Leopoldine Konstantin ist sicher den wenigsten Filmfans ein Begriff. Doch ihre Rolle als Mutter eines glühenden Nazis in Hitchcocks „Notorious“ machte sie nach Jahren in der Bedeutungslosigkeit wieder bekannt. Sie lebte einst in der Trauttmansdorffgasse 29. An sie erinnert keine Tafel.

Anders sieht es da in der Maxingstraße 18 aus. Hier komponierte Johann Strauss die „Fledermaus“, im selben Haus starb auch Franz Schubert, dem der Bauchtyphus das Leben kostete.

Bleibt man in der Maxingstraße hat sich das Soll an sehenswerten Promi-Ex-Behausungen noch nicht erschöpft. Maria Lassnig, die Avantgardistin der österreichischen Malerei lebte auf der gleichen Straßenseite nur ein paar Häuser weiter stadteinwärts.

Nun ist sicher nicht jeder darauf erpicht, in seinem Urlaub Plätze zu besuchen, die mehr oder weniger berühmte Menschen mit ihrer Anwesenheit beglückten. Doch das Wissen darum, lässt so manche Fassade in anderem Licht erscheinen. Das Klimt-Haus, das erst nach dem Tod von Gustav Klimt erbaut und an der Stelle seines einstigen Ateliers um seine Wirkungsstätte herum gebaut wurde, ist dagegen ein Anziehungspunkt für alle Wien-Kultur-Reisenden. Hietzing hat gleich zwei Klimt-Orte vorzuweisen. Und einmal Schiele. Alles gut erkennen, wenn man weiß, wo man schauen soll.

Werner Rosenberger setzt dem ehemaligen Wiener-Alltagsfluchtziel Hietzing die Krone auf. Je länger man durch diesen beschaulichen Stadtteil flaniert, und je mehr man in diesem Buch blättert, desto häufiger betritt man historischen Boden. Burgschauspieler, Musiker, Stadtplaner fanden hier den Ort, der sie gewähren ließ.

Als Besucher und Leser findet man hier das Paradies. Die Promis von annodazumal sind nicht mehr. Ihre Häuser, das Dach überm Kopf von damals sind noch da. Man muss sie nur suchen. Nur einen Steinwurf von Sisi und Franz kann man das Wien von Johann, Rudolf, Alban und vielen anderen bedeutend gelassener erkunden als ein, zwei U-Bahn-Haltestellen zuvor. Und mit diesem Buch im Handgepäck entdeckt man Wien immer wieder neu.