Archiv der Kategorie: aus-erlesen Auf und Ab

Kalabrien und Basilikata

Ganz im Süden ist das Leben noch erfrischend. Die Luft riecht nach Abenteuer. Sie Sicht ist durch die flirrende Sonne getrübt. Kalabrien und Basilikata sind für Italienreisende schon eine gewagte Übung. Kurz hinter Neapel, kurz vor Sizilien. Dazwischen schien lange eine terra incognita zu liegen. Meer und Berge – das gibt’s auch woanders. Warum also bis hier runter reisen, warum nicht weiter bis Sizilien?

Ganz einfach! Weil man es kann, und weil es einen Reiseband vom Michael Müller-Verlag gibt! Zugegeben, nicht für jedermann ein Totschlagargument. Aber ganz von der Hand zu weisen ist es eben doch nicht.

Annette Krus-Bonazza ist die auskunftsfreudige Expeditionsleiterin in diesem Buch. Kalabrien als Alternative zu Sizilien und Apulien – das haben schon viele Touristen nicht eine Sekunde in ihrem wohlverdienten Urlaub so gesehen. Doch Basilikata, die Basilikata, fünf Silben, die erst einmal für Fragezeichen über den Köpfen sorgen, erzählt man wohin es demnächst gehen soll. Klingt schon nach Süden, nach geheimnisvollen Routen.

Das Gremium, das alljährlich die Kulturhauptstadt Europas zu europäischer Ausgelassenheit auffordert, hat die Stadt Matera als eine der beiden Städte (neben dem bulgarischen Plovdiv) auserkoren. Eine Stadt, die durch ihre Felsenkirchen, in den Fels gehauene Häuser und unterirdische Infrastruktur von außen wie innen den Besucher begeistert. Mit einem Mal waren Fernsehteams aus aller Welt in der kleinen Stadt, um zu berichten, was die Welt bisher nicht kannte.

Doch Matera ist bei Weitem nicht der einzige Ort, den man in der Basilikata besuchen sollte. Ihn auszulassen, wäre aber ein noch größerer Fehler. Ebenso irrt, wer meint, dass in dieser dörflichen erscheinenden Landschaft alles zu finden sei außer Nervenkitzel. Der Ponte alla Luna führt nicht wie der Name vermuten lässt in den Orbit, sondern lediglich an das gegenüber liegende Ufer einer Schlucht. Wer unbedingt ganz festen Boden unter seinen Füßen braucht, bekommt hier den Adrenalinkick seines Lebens. Die Belohnung wartet in Form eines gläsernen Skywalks und einer umwerfenden Aussicht. Ausgangspunkt ist das Dörfchen Sasso die Castalda in der Nähe von Potenza.

Nicht weniger Potenzial bietet Belvedere Marittimo und Cittadella del Capo. Schon allein die Namen künden von vollendeter Pracht und Erholung. Annette Krus-Bonazza hat auch gleich noch einen privaten Tipp für die zweite Seite eines gelungenen Urlaubs zur Hand: Die Familie Raffo-Monetta besuchen. Beziehungsweise ihr Fischrestaurant. Schon beim Lesen bekommt Appetit und sieht das Meer vor dem geistigen Auge Wellen schlagen.

Nicht erst durch die Dauerberichterstattung in Reisesendungen ist der Süden Italiens in den Fokus neuer Besucher gerückt. Die berichten aber nur von dem, was ohnehin sichtbar ist. Annette Krus-Bonazza übergeht diese Dinge nicht, schaut aber viel weiter als so manches Kameraobjektiv. Vor ihrer Neugier ist keine Höhle, kein Park, kein Aussichtspunkt, keine Taverne sicher. Spannend erzählt sie von den kleinen und großen Geheimnissen, den verborgenen Schätzen, den nachhaltig wirkenden Plätzen, die man nie wieder vergessen wird.

Als Leser erlebt man eine Metamorphose. Vom neugierigen Durchblätter wird man zum aufgeregten Umblätterer, nur um festzustellen, dass die Welt in Kalabrien und Basilikata schnellstmöglich erkundet werden muss. Angst, dass man etwas verpasst, muss man nicht haben. Annette Krus-Bonazza hat alles (alles!) genau im Blick und teilt ihr Wissen gern mit wissbegierigen Besuchern.

Albanien

Wer sich vorgenommen hat Albanien zu besuchen, reist per se schon mal gern auf eigene Faust. Und hat schon vorher ein wenig recherchiert. Das Baskenland beispielsweise ist genau so weit von Deutschland entfernt, aber allein schon Bilbao hat sicher mehr deutsche Besucher als das Land Albanien. Das ist kein Makel! Vielmehr ist es eine Chance ein Land zu besuchen, über das – bleiben wir doch gleich im Baskenland – vergleichsweise wenig bis gar nichts bekannt ist. Ein Abenteuerspielplatz gigantischen Ausmaßes!

Ralph-Raymond Braun macht Schluss mit der Planlosigkeit und zeigt in seinem fast fünfhundert Seiten starken Reiseband ein Land, das einmal als das Armenhaus Europas bezeichnet wurde. Portugal ging es einmal ähnlich, und heute gehört es zu den Top-Destinationen rund ums Mittelmeer. Wer also Albanien noch ursprünglich erleben will, muss sich sputen. Denn der so genannte Fortschritt macht schon lange nicht mehr Halt vor dem kleinen Balkanstaat.

Bereits vor über dreißig Jahren reiste Autor Ralph-Raymond Braun nach Albanien. Alles geführt, jede noch so kleine zufällige Begegnung folgte einem Plan. Jetzt kann jeder nach Albanien reisen. Jede Zufallsbekanntschaft ist auch eine solche. Und die ursprüngliche Natur ist ursprünglich, weil sie es eben ist. Das sollte man bedenken, wenn man es gewohnt ist jeden Tag ein frisches Stück Seife im Hotel vorzufinden. Albanien hat viel zu bieten – Abenteuer inkl.

Dieser Reiseband liest sich wie ein spannender Roman. Egal, ob man erfahrener Individualtourist mit Hang ausgeprägtem Entdeckergen oder Über-Stock-Und-Stein-Frischling. Mit selten dagewesener Energie und angenehmer Neugier schreibt Braun von unberührten Naturschutzgebieten, in denen man fast zu jeder Tages- und Nachtzeit Flora und Fauna bei der Erledigung ihrer alltäglichen Aufgaben beobachten kann. Er führt durch erhabene Gänge in abgeschiedenen Klostern und erzählt von Legenden, die bis heute von Mund zu Mund weitergegeben werden. Wer sich nicht allzu touristisch gibt, kommt in den Genuss einer unerschöpflichen Gastfreundschaft, die zu Tisch noch lange nicht zu Ende sein muss.

Entgegen anderen Destinationen ist in Albanien nicht die Hauptstadt Tirana der einzig sehenswerte Ort, den man gesehen haben muss, um das Land zu begreifen. Das alte Lissos, heute Lezha, liegt nur eine knappe Fahrstunde von Tirana entfernt. Wie überall im Land überkommt einem schnell das Gefühl, dass ein Eimer Farbe so mancher Fassade gut bekommen würde. Doch dann wäre alles wie immer. Sauber, rein, herausgeputzt, um einladend zu wirken. Der Charme des Landes liegt in der oberflächlichen Ungenügsamkeit. Das ist keineswegs negativ gemeint. Im Gegenteil. Wer Albanien besucht, sucht keine klinisch reinen Ecken. Charme entsteht erst durch Leben. Und Leben hinterlässt Spuren. Genau wie dieses Buch. Selbst wem nie in den Sinn gekommen wäre Albanien einen Besuch abzustatten, wird schon beim Durchblättern feststellen, dass Albanien – ob nur als Tagestourist (beispielsweise von der griechischen Insel Korfu aus) oder für länger mit Rucksack oder Hotelgast im gediegenen Ambiente oder Adventure-Junkie in wilden Gewässern oder oder oder – mehr als nur eine bloße Erwähnung in geselliger Runde nach dem Urlaub ist. Man sollte nur nicht den Fehler begehen, und dieses Buch nicht zu lesen.

Der Vesuv

Bewohner von Pompeji und Herculaneum konnten dem Berg ihres Schicksals nichts entgegensetzen. Sie versanken am 24. August 79 in einem Aschregen ungekannten Ausmaßes. Es ist gleichzeitig auch die Geburtsstunde eines Mythos. Der Vesuv. Zwei Städte verschwanden für immer von der Landkarte. Zumindest in ihrer ursprünglichen Form, denn Pompeji ist heute neben dem größten Naturhistorischen Museum der Welt wieder bewohnt.

Über eineinhalb Jahrtausende war es ruhig um den Vulkan. Bis 1631. Da bebte die Erde wieder gewaltig. Und wieder flohen die Menschen. Manche rechtzeitig, manche zu spät. In einer endlosen Prozession bat man um göttlichen Beistand. Der dann auch prompt eintrat. Seitdem ist Gennaro der Schutzheilige der Stadt Neapel. Alles Mythen, alles Legenden. Doch genau die sind es doch, die den Vesuv so begehrenswert machen…

Dieter Richter lässt sich von keinerlei Hokuspokus beeindrucken. Er schreibt dem Vesuv die überfällige Biographie auf den grummelnden Leib. Auch er kann sich den Legenden nicht ganz verschließen und zieht damit den Leser postwendend auf seine Seite. Er ist in guter Gesellschaft: Gräfin Ida von Hahn-Hahn zog es zum Vesuv, weil sie eine Eruption erwartete. Goethe war hier, sogar Andy Warhol malte den historischen Ausbruch.

Eine Biographie über einen Berg zu schreiben, dafür muss man tief in den Archiven graben. Das tut Dieter Richter auch. Und er fördert Erstaunliches zu Tage. Seit jeher haben sich große Köpfe selbigen zerbrochen, wie die Erde dazu kommt ab und zu mal zu spucken. Eine wissenschaftliche Erklärung konnte nie so recht gefunden werden. Erst mit der industriellen Revolution kam man dem Phänomen auf die Schliche. Heute sind Vorhersagen so genau wie nie zuvor.

Der Vesuv ist nicht erloschen. Er schläft nur. Manchmal brummt er, manchmal zischt er. Doch das macht ja schließlich jeder von uns einmal. Nicht weiter schlimm. Und wenn doch, dann gibt es Evakuierungspläne, die allerdings umstritten sind. Dieses Buch ist mehr als nur ein willkommener Zeitvertreib, wenn man am Golf von Neapel seinen Aperitif genießt. Launig, lustvoll, informativ und vor allem spannend wie ein nervenzerfetzender Krimi. In der ganzen Bandbreite der sprachlichen Vielfalt unternimmt Dieter Richter mit dem Leser eine Reise, die so in keinem Reisebüro der Welt zu buchen ist. Schnäppchenjäger aufgepasst: In so kurzer Zeit hat man noch nie so viel Wissen bekommen, ohne dabei auch nur einmal die Augen zu schließen!

Oberbayerische Seen

Berge oder Meer? Diese Frage kann schon mal für Verwirrung, im schlimmsten Fall für Streit sorgen. Ein Kompromiss muss her. Wie wäre es mit beidem? Aber bitte nicht so weit weg! Dann ist die Entscheidung gefallen. Berge, ein bisschen plätschern drumherum. Also Oberbayern. Und dann nimmt man sich den Atlas vor, oder schaut im Netz nach. Welche Orte gibt es, welche Seen bieten sich an (Meere sind dann eben doch nicht vorhanden, wieder ein Kompromiss)? Und dann hat man eigentlich nur noch eine Wahl: Dieses Buch! Ein paar Seen kennt jeder, Tegernsee, Starnberger See, Chiemsee.

Thomas Schröder gibt ihnen den entsprechenden Raum, jedoch nicht ohne auch den vermeintlich kleinen, unbedeutenderen Seen Stimme zu verleihen. Wie den Wörthsee. Da fehlt kein ER, der Wörthersee ist im benachbarten Ausland. Wörthsee. Dreieinhalb Kilometer lang und ca. halb so breit. Eine exzellente Wasserqualität wird ihm bescheinigt. Leider sind die Ufer fast komplett bebaut und in Privatbesitz, so dass mal eben schnell in den See fast eine Lotterie grenzt. Aber drumherum gibt’s ja auch was zu sehen. Und mit elf Kilometern Umfang kann man sich einige Stunden mit Umsehen ganz gut vertreiben.

Das Wechselspiel von Berge und Meer treiben Eib- und Badersee auf die (Zug-)Spitze. Der höchste Berg Deutschlands ist in Sichtweite – wenn der Himmel es zulässt – und das glitzernde Grün des Eibsees besticht auch durch Sonnenbrillengläser. Fast wie am Königssee, der gleich um die Ecke liegt. Doch alles ein wenig beschaulicher, ruhiger, gelassener. Sein kleiner Bruder in der Badersee. Hier ist das R an der richtigen Stelle. Wer also nach einem Badesee fragt, sollte sich einer optimalen Aussprache bedienen.

Dieses Buch mutet wie ein Werbeprospekt an. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Sollte sie auch. Schließlich ist man in Bayern. Zum Baden in die Berge. Was auf den ersten Blick wie ein Witz daherkommt, wird schon auf den ersten Seiten in ernste Absichten verwandelt. Und wenn dann auch noch kleine Anekdoten mit Hintergrundwissen dem Leser den letzten Zweifel aus den Augen wischen, steht einer erholsamen Zeit an den Seen zwischen den Gipfeln der Alpen nichts mehr im Weg. Da kann noch so viel vom Öl-Boom am Tegernsee geredet werden, 150 Jahre Schifffahrtstradition wiegen so manches auf. Wobei das mit dem Öl-Boom natürlich nicht so ernst gemeint ist…

Dieses Buch ist alternativlos. Die Region ist mehr als eine Alternative zu Meer oder Bergen. Wer beides hat, muss beides vermarkten. Und bewerben. Dieses Buch jedoch als reines Werbeobjekt zu sehen, wäre fatal. Denn 264 Seiten voller Tipps und Hinweise zu dem, was man 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche benötigt, sind eine nicht zu unterschätzende Stütze im Kampf gegen die Langeweile.

Lesereise Georgien

Weltenbummler Georges Hausemer hat ein Herz für Georgien. Und das nicht nur wegen der offensichtlichen Namensverwandtschaft. Dieses kleine Land im Kaukasus, das sich mit einer Literaturszene hervortut, die ihres gleichen sucht. Hohe Berge, eine reichhaltige Kultur und vor allem eins Spielwiese für echte Entdecker. Man muss sich allerdings schon ein bisschen ins Zeug legen, um hier und da tatsächlich der Erste zu sein.

Georges Hausemer hat einen Guide, der ihm den roten Teppich ausrollt, Gio. Fahrer, Übersetzer, Weggefährte, Fährtenleser, Problemlöser. Georgien bereist man nicht eben mal so. Die wohlbekannte Infrastruktur, die man in vielen Regionen der ach so zivilisierten Welt kaum noch wahr-, sondern gegeben hinnimmt, stecken hier im besten Fall in den Kinderschuhen.

Und so reist man mit den geschärften Sinnen des Autors zu den Ursprüngen der Weinkultur – die sollen tatsächlich in Georgien liegen – durch schwefelhaltige Dampfbäder und steckt hinab in eine Bäckerei, die jedem Diabetiker ein letztes Mahl anzubieten scheint.

Dass in Georgien noch nicht alles zum Besten gestellt ist – sofern man westliche, luxusverwöhnte Maßstäbe ansetzt – zeigt das Beispiel des Flughafens Queen Tamar in Mestia. Die Region Ober-Sawetien hat dank des ehemaligen und für Korruption bekannten Präsidenten Micheil Saakaschwili den wohl überflüssigsten Flughafen der Welt. Eine Trutzburg und ein Magnet für Touristen sollte es werden. In tausendfünfhundert Meter Höhe gelegen, ist hier schon seit Jahren kein brauchbares Flugobjekt mehr mit dem Tower in Kontakt getreten, geschweige denn hat ein Flugzeugpneu den Asphalt geküsst. Aber man ist hier immer in Bereitschaft. Wenn man es denn so bezeichnen will. Schnell in den Berg gehauen, billiges Material, dennoch vierzig Angestellte, deren Engagement zu bewundern ist. Georges Hausemers süffisante Episode in seiner Lesereise sticht vor allem durch die humorvolle Wortwahl heraus.

Ein Land voller Naturschauspiele und Kuriositäten scheint Georgien zu sein. Aber eben auch voller Neuentdeckungen. Schon während des Lesens überkommt einem das Gefühl unwahrscheinlich viel über die Kaukasusrepublik zu wissen, ohne jemals einen Fuß auf den dortigen Boden gesetzt zu haben. Das nennt man dann wohl Qualitätsmerkmal.

Reise nach Karabach

Ein Vierteljahrhundert ist es gerade einmal her, dass die Region Karabach von marodierenden Banden in Angst und Schrecken versetzt wurde. In Georgien hatte sich der Präsident Swiad Gamsachurdia aus dem Staub gemacht, die Regierung existierte maximal noch auf dem Papier. Anarchie und Selbstjustiz bestimmten den Alltag. Jeder war gegen irgendjemanden, gegen irgendetwas. Für etwas zu kämpfen – das gab es nicht.

Gio ist ein Kind dieser Tage. Vierundzwanzig ist er mittlerweile und hatte mehr mit der Polizei zu tun als Tage im Sandkasten verbracht. Kleinere Gaunereien, die nicht weiter ins Gewicht fallen, wenn man die Gesamtsituation oberflächlich betrachtet. Sein Kumpel Gogliko, als Freund würde er ich niemals bezeichnen, in einer Zeit, in der gegen etwas gekämpft wird, ist nur Platz für Verbündete, aber nicht für Freunde, überredet ihn hartnäckig mit ihm nach Aserbaidschan zu fahren. Was einkaufen, Drogen. Und die werden nach der Rückkehr in Georgien gewinnbringend an den Mann oder die Frau gebracht. Zum ersten Mal etwas für etwas tun. Die Verlockung siegt über die Zweifel.

Der Alda, der die beiden über die Grenze bringen soll, hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Der Trip soll angeblich bestens organisiert sein. Doch Gio glaubt im tiefsten Inneren seines Herzens seinem Kumpel Gogliko kein Wort. Da aber eh nichts anderes anliegt, kann er ja mitkommen. Jana, die Frau, in die er sich gerade zu Verlieben schien, ist auch weg. Ihn hält nichts in Tblissi.

Der Bürgerkrieg in der Region ist geprägt von Kämpfern, die allesamt erfahren sind im sich Tarnen, Verstecken und plötzlicher Angriffslust. Aus dem Dickicht hervorschießen und mit unglaublichem Jähzorn jedem Fremden die Verachtung ins Gesicht zu rotzen. Jeder gegen jeden. Armenier, Georgier, Aserbaidschaner, Tataren, Russen – Freund und Feind sind gleichermaßen verdächtig. Und so gerät der Trip, der ein wenig Sonne in die Schwarzpulverschwaden bringen soll, zum Höllentrip. Gewehrkolben im Gesicht, blutverschmierte Fratzen, Hoffnungslosigkeit, angstverbreitende Kalaschnikows im Anschlag. Aus der Sonne wird wohl nichts mehr werden…

Aka Morchiladze gehört zu Georgiens Schriftsteller –Elite. Seine Bücher wurden vielfach ausgezeichnet und dieses verfilmt.

„Reise nach Karabach“ ist ein Roadmovie, dessen Ende niemand vorausahnen kann. Auch Gio weiß nur, dass der Ausflug nicht einfach wird, dass er so endet und sein Leben verändern wird, konnte er sich niemals im Leben vorstellen. Die expressionistische Sprache katapultiert den Leser in eine Zeit, in ein Land, die nah und fern zugleich sind. Der vergessene Konflikt, das Land, das so weit weg im Osten liegt, sind nur zwei Zutaten, die dem Leser das Buch als fiktional erscheinen lassen. Doch jedes Wort kann genauso gefallen sein. Und das ist die erschreckende Erkenntnis, die am Ende des Buches steht.

Costa Rica

Was ist ein besonderer Urlaub? Der allererste mit den Eltern. Der allererste ohne die Eltern. Der allererste als Paar. Eine Reise, auf die man lange gespart hat. Eine Reise, deren Anreise so lang dauert, dass man einen kompletten Reiseband einmal von Vorn nach Hinten und dann wieder von Hinten nach Vorn lesen kann. Gerade dann ist es wichtig, dass die Reiselektüre spannend, informativ und bis ins kleinste Detail hilfreich ist. Und wenn man Letztes zusammenwürfelt, erhält man eine Reise nach Costa Rica, die mit diesem Reiseband ein Stückchen näher rückt.

Costa Rica sticht nicht nur in Lateinamerika, sondern generell aus der Masse an Ländern und Reisezielen heraus. Es gibt keine Armee im Land, Massentourismus ist verpönt und deswegen nur marginal vorhanden, Nachhaltigkeit wird großgeschrieben. Ein Füllhorn an Naturattraktionen, zwei Meere, Bergtouren, action and fun (so viel Anglizismus muss sein), eine lokale Küche, die jedem Leckermäulchen ein permanentes Lächeln ins Gesicht zaubert, endlose Strände – klingt irgendwie nach Paradies. Ist es auch!

Hat man bzw. kann man sich dazu entschließen Costa Rica zu besuchen, wird es Zeit die Reise genau zu planen. Wer dem durchorganisierten Wahnsinn mit hinter einem Regenschirm gruppenweise durchs Dickicht der Hotspots folgenden Herde entgehen will, muss selber seine Reise zusammenstellen. Dieser Urlaub soll etwas ganz Besonderes werden. Autor Jochen Fuchs hat mit seinem Reiseband, der besonders auf Individualreisende zugeschnitten ist, die Bibel aller Costa-Rica- Reisebände zusammengestellt.

Das besondere Highlight sind die Touren, die es dem Neuling im Land zwischen Nicaragua und Panama vereinfachen auf der Suche nach dem Paradies fündig zu werden. Egal ob man knapp zwei Wochen, reichlich zwei oder drei Wochen bleiben will. Immer wieder streut er Anekdoten, wichtige reisepraktische Tipps ein, die farbig unterlegt nicht nur zum Lesen, sondern zum Nachmachen und Erleben einladen.

Die Masse an Naturparks überfordert den Reisenden an der einen oder anderen Stelle. In Ruhe kann man im Buch nachlesen, welche Attraktionen die einzelnen Parks bieten. Ob nun am Seil durch den Dschungel gleiten und über die Wipfel des Regenwaldes Naturschauspiele aus einer besonderen Perspektive hautnah erleben oder lieber im glasklaren Wasser der Karibik furchteinflößenden Geschöpfen über die Flosse streichen, oder beim Bummel durch Liberia, der kleinsten Provinzhauptstadt mit den Einheimischen die Siesta verdösen, dieses Buch ist ein Ratgeber zu jeder costaricanischen Tageszeit. Die nützlichen und detaillierten Karten stehen als Download für elektronische Geräte zur Verfügung. Das Buch selbst wird man immer dabei haben – so viel steht schon lange vor der Abreise fest.

So wie man Obst isst, um einer drohenden Erkältung entgegenzuwirken, so dringend empfiehlt es sich in dieses Buch als Reisegrundlage für Costa Rica zu vertiefen. Jochen Fuchs ist das, was man einen Landeskenner nennt. Und er beweist das auf jeder der knapp 600 Seiten.

Lesereise Korsika

Auf und Ab – das ist Korsika. Nicht nur geographisch, denn die viertgrößte Insel des Mittellmeeres ist ein echtes Kraxelparadies. Nein, auch politisch ist die Insel ein Pulverfass, an deren Lunte des Öfteren immer mal wieder gezündelt wird. Susanne Schabers Lesereise Korsika ist ebenso aufgebaut.

Neben bezaubernden Naturbeschreibungen und Portraits der Menschen, die diese Landschaft prägen, schreibt sie auch vom blutigen Kampf der Korsen um Anerkennung und Unabhängigkeit.

Der kleine Korse, der einmal zum großen Franzosen wurde, ist auf der Insel nicht so sehr anerkannt wie landläufig angenommen wird. Denn als er den Thron Europas erklomm, war seine Herkunft kein Thema mehr.

Und dann wieder Traditionspflege, die in einem in Gedanken schon die Koffer packen lässt. Da liest man dann von Kastanienbäumen, die hier auf der Insel so bedeutsam sind. Jede gute Korsin muss beweisen, dass sie dutzendfach die Früchte verarbeiten kann.

Hotels und Tourismus sind wichtige Einnahmequellen Korsikas. Denn wer einmal hier war, kommt oft wieder. Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen gehören zu den elementaren Eigenschaften, die man benötigt, um Erfolg zu haben und dem Gast unvergessliche Tage und Wochen bereiten zu können. Das ist nicht immer einfach, doch lohnenswert. So wie Madame Dalakupeyan. Ihr Hotel ist äußerlich vielleicht nicht das durchgestylteste. Doch eines der am liebevollsten geführte. Susanne Schaber lässt sich vom Charme der Inhaberin und ihres großen Traumes aus Stein verzaubern und zieht dabei den Leser in eine Geschichte, die ihresgleichen sucht.

Was gehört sonst noch in ein Buch, das ein Reiseziel emotional in den Fokus setzen möchte? Ein wenig Geschichte gefällig? Keine Räuberpistolen, sondern stolze Recken, die den Ungerechtigkeiten der Besatzer die Stirn bieten und ihr Herz mit der Faust präsentieren.

Dass auf Korsika fürs leibliche Wohl exzellent gesorgt wird, versteht sich von selbst. Doch Susanne Schaber schreibt das nicht einfach nur auf. Sie macht Appetit auf die Insel und ihre kulinarischen Eigenheiten. Als Insulaner ist man auf das angewiesen, was Mutter Natur zur Verfügung stellt. Zumal man sich ja nicht vom Festland abhängig machen will. Da ist sie wieder, die tiefe Kluft zwischen dem zentralistischen grand frère und dem rebellischen Corse. Als Besucher bekommt man davon nur vereinzelt etwas mit. Vielmehr umarmt einen die Gastfreundschaft mit voller Wärme und Herzlichkeit. So wie dieses Buch unerlässlich ist, bei einem Besuch der Insel, genauso tief und ehrlich empfunden sind die Geschichten in ihm. Einhundertzweiunddreißig Seiten voller Leidenschaft und Bewunderung für eine Insel, die im Zwiespalt sich erhoben hat, um im Europa anzukommen.

Slowenien

Klein, kompakt, alles drin! Klingt wie eine Werbung für ein Auto. Ist aber die sehr komprimierte Zusammenfassung dieses Buches und des Landes Slowenien. Es ist doch immer wieder erstaunlich wie wenig man über das Bescheid weiß, was quasi vor der eigenen Haustür liegt. Gerade mal eine Stunde benötigt man günstigstenfalls, um in Slowenien anzukommen. Doch erst richtig in Slowenien angekommen ist man erst, wenn man Lore Marr-Biegers Reiseband über dieses überraschende Land gelesen hat.

Ja, dieser Reiseband ist ein Lesebuch. Eines, das Lust macht Slowenien auf Herz und Nieren zu prüfen. Kann man hier wirklich mit der ganzen Familie komplette Bedürfnispakete stillen?

Ohne Klischees zu bedienen verführt die Autorin den Leser in eine Welt, die gar nicht mal so weit weg ist. Ein bisschen Sport gefällig? Dann bleiben Sie zuhause. Slowenien bietet nicht einfach nur ein bisschen Sport. Alpines Skiwedeln, Kajakfahren, Radwandern und Mountainbiking, Schwimmen, Wandern … über Berg und Tal bewegt man sich von einer grandiosen Aussicht zur nächsten. Ohne dieses Buch wird’s allerdings schwierig die wirklich beeindruckenden Orte zu finden. Lore Marr-Bieger scheint Slowenien mit dem Auge und dem Herzen vermessen zu haben. Jeder Tipp ein Volltreffer.

Oder wie wäre es mit einem kulinarischen Ausflug. Sloweniens Küche ist reichhaltig. Frisch und deftig, gesund und leicht – wer einkehrt, wird übermannt von der Vielfalt des Angebotes. Und auch hier gilt wieder: Gut essen kann man fast überall. Aber wo man wirklich gut essen kann, weiß nur die Autorin.

Wer nur einen flüchtigen Blick auf die Landkarte wirft, vermisst vielleicht den Badeurlaub in Slowenien. Doch das nördlichste Land des ehemaligen Jugoslawiens besitzt tatsächlich einen Meereszugang. Nur ein paar Kilometer Strand, der gerade mal die klassische Marathonstrecke zulässt (die 42,195 km sind erst in der Neuzeit entstanden, klassisch waren es exakt 40 km), gilt es zu entdecken.

Und gleich dahinter wohl eines der interessantesten Gebirge der Welt. Selbst Jules Verne ließ hier schon einen seiner Helden (Mathias Sandorf) ein einzigartiges Abenteuer beginnen. Denn im Karstgebirge verschwindet schon mal ein Fluss, nur um dann Kilometer später wieder aufzutauchen.

Ein Land, eine Autorin, ein Reiseband – und der Urlaub kann beginnen. Siebzehn Wandertouren deuten nicht nur an, dass Slowenien förmlich auf seine Besucher wartet. Ein kleines Land mitten in Europa, das erkundet werden will. Mit enormen Rechercheaufwand und bildhafter Sprache wird dieser Reiseband zum unverzichtbaren Reisebegleiter, der zu jeder Tageszeit parat gehalten werden muss. Die gelb unterlegten Infokästen machen den Leser zum Experten Sloweniens. Geschichtliche Anekdoten, ausgeklügelte Tipps, detaillierte Karten und Wanderungen und Einkehrtipps sind das Salz in der Suppe, damit ein Slowenien-Urlaub noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Bushäuschen in Georgien

Würde es Katie Melua nicht geben, hätte Eduard Schewardnadse nicht so aktiv an der deutschen Wiedervereinigung mitgewirkt, man wüsste nichts von Georgien. Im Kaukasus liegt das Land. Stalin kam von hier. Fußballfans erinnern sich noch an epische Matches von Dynamo Tblissi. Aber das war’s dann auch schon.

Wer interessiert sich schon für Georgien, könnte man ketzerisch fragen. Finns halten es mit Finnland. Franks mit Frankreich und Georgs mit Georgien – könnte man meinen. In diesem Fall stimmt es aber. Georges Hausemer kennt Georgien, hat viel gesehen und viel darüber geschrieben. Viele Reportagen, die man in Tageszeitungen und Büchern noch einmal nachlesen kann. Vergessen all die Anstrengungen von Politikern (aus welchen Gründen auch immer) verpuffen im Nachrichtenwust des Schreckens. Und da springt Georges Hausemer in die Presche.

Bücher über Georgien gibt es sicherlich viele. Ganz sicher mehr als über andere Kaukasusrepubliken. Da ist es schwer eine Nische zu finden. Trara! Hier ist die ultimative Nische! „Bushäuschen in Georgien“ – auf so eine Idee muss man erstmal kommen. Wer denkt bei Georgien schon an Bushäuschen? Naja, einer, ein Luxemburger, der sein Land als das großartigste Großherzogtum der Welt beschreibt. Der Titel erregt Aufsehen. Und blättert man ein wenig darin herum, ist man überrascht. Denn europäische Nahverkehrsnetze funktionieren (meistens), ihre Haltepunkte sind durchgestylt, austauschbar, bieten Schutz vor Regen und geben Auskunft über die Fahrzeiten. Georgische Nahverkehrsnetze funktionieren meistens nicht. Die Haltstellen oder Bushäuschen sind nicht genormt. Schutz vor Wind und Wetter bieten sie auch nur sporadisch. Und Auskünfte sucht man in der Regel vergebens. Aber, und das kann man gar nicht oft genug betonen und hervorheben: Sie haben Charme. Und eine Geschichte. Nicht immer die Gleiche, zum Glück, nicht immer mit Happy End, doch sie haben Geschichten.

Selbst Einheimische wie Dato, der Fahrer und Dolmetscher des Weltreisenden Hausemer sind erstaunt, was da alles in der Gegend rumsteht. Sie sehen aus wie eine Guillotine, sind aus Baggerschaufeln wild zusammengeschustert worden, bieten Eseln einen trostlosen Rastplatz oder wurden im wahrsten Sinne des Wortes in (nicht auf oder vor oder neben) der Natur erbaut. Die süffisanten Texte von Georges Hausemer erlegen den letzten Zweifler am Nutzen dieses Buches, sofern es sie je gab. Nie wurde ein Land – übrigens Partnerland der Frankfurter Buchmesse 2018 – so eindrucksvoll durch die Hintertür einem breiten Publikum zugängig gemacht. Im Jahr 2017 ging der bedeutendste Literaturpreis Luxemburg, der Prix Batty Weber an Georges Hausemer für sein Lebenswerk. Und während in Georgien so mancher beim Warten auf den nächsten Bus – und das kann dauern – darüber nachdenkt, was der neugierige Ausländer, der so eifrig die avantgardistischen Hinterlassenschaften der UdSSR aus Beton, die wellblechbedachten Treffpunkte der Busnutzer, die verlassenen Orte des Stillstands fotogarfiert, so treibt, hat der bestimmt schon wieder den nächsten Coup in Gedanken fast abgeschlossen. Die georgischen Buchmesseteilnehmer 2018 werden aus dem Staunen nicht mehr rauskommen.