Archiv der Kategorie: erste Schritte

Wer denkt sich die Wörter aus?

Eine Frage wie sie nur ein Kind stellen kann. Aber auf keinen Fall eine Frage, die jeder nicht „mehr so schnell Wachsende“ beantworten kann. Unsere – jede – Sprache besteht aus Buchstaben und Lauten. Darauf baut sich unser gesamtes Kommunikationssystem auf. Damit sind jetzt nicht vordergründig die Grunzlaute gemeint, die man von sich gibt, wenn man im ungünstigsten Augenblick eine wichtige Frage beantworten muss.

Wenn man sich schon sein ganzes Leben mit Sprache beschäftigt, d.h. sie benutzt, wird es immer schwieriger ihre Ursprünge zu erkennen. Geschweige denn sie erklären zu können. Warum sagt man zum Beispiel „Guten Tag“. Warum heißt der Tag Tag? Öh, ähm, – ja, genau so sehen dann die Antworten aus. Kann keiner so richtig sagen.

Die Autoren dieses Buches haben in erster Linie Kinder als Zielgruppe (auch so ein Wort, das man nicht unbedingt verstehen muss) im Sinn. Als Lesehilfe sind die Großen gefragt. Und doppelter Effekt: Sie lernen auch gleich noch etwas (hinzu). Das beginnt schon bei der Frage wie man anfängt die Titelfrage zu beantworten.

Das ist sicher kein Buch, das man Kindern vorliest wie „Hänsel und Gretel“. Es ist das geheime Buch der Antworten. Auch auf die Frage, warum es so viele Worte (oder sagt man Wörter?) für ein und dieselbe Sache gibt.

Spielerisch kommt man der eigenen Sprache auf die Spur. Wie zum Beispiel mit Tabu. Wörter erklären, ohne bestimmte Begriffe nicht zu verwenden. Immer wieder stößt man als erwachsener Leser auf Sachen, die man selbst erlebt hat. Ohne zu wissen, dass dies bewusst geschah. Wurde man also hinters Licht geführt? Nein, bestimmt nicht. Aber wenn wir schon mal dabei sind – wieso hinters Licht führen?

Auf alle Fälle ist es ein Riesenspaß den Wurzeln der Sprache auf den Grund zu gehen. Der Staungrad (gibt es dieses Wort tatsächlich?) ist immens.

Omas Pakete

Es ist eine Faszination wie sie nur (noch) Kinder erleben können: Das ersehnte Paket, oder noch besser: Das Paket überhaupt empfangen. Vor allem, wenn man es nicht erwartet. Ein kleines Mädchen erwartet das ersehnte Paket von der Oma. Die wohnt am anderen Ende der Welt – das viel gerühmte Westpaket reloaded. Obwohl es genau gesagt aus dem Osten kommt. Oma wohnt in Australien. Und der Postweg führt über den Ozean, wo es die Sterne sieht, eine Flaschenpost überholt. Und im Dschungel auf Wegen transportiert wird, die kaum einer kennt, bis es über Schrebergärten bald schon voller Freude geöffnet wird. Was drin ist? Ist doch völlig egal!Allein die Vorstellung, was dieses eine Paket, von der Oma alles auf seinem Weg erlebt hat, ist eine Geschichte wert.

Das dachte sich auch Matthias Kröner, der schon mit seinem ersten Kinderbuch „Der Billabong-König“ preisgeKRÖNt wurde. Auch das spielt zum größten Teil am anderen Ende der Welt. Und wenn wir schon mal da sind – die Anleihe aus seinen Stadtabenteuer-Bänden ist mehr als nahe liegend und deswegen erlaubt – warum nicht dort weitermachen?

Dank Taltal Levi ist die Sendungsverfolgung des wertvollsten Pakets der Welt ein fest für die Augen. Irgendwie fiebert man schon ein bisschen mit, dass das Paket pünktlich ankommt und das kleine Mädchen mit großen Augen und gaaaaanz behutsam die Schnur vom Paket löst – so viel Nostalgie muss sein: Nur die liebste Oma der Welt verschnürt von ihr Paket.

Ein Kinderbuch für alle ab fünf Jahren, das die Phantasie anregt. Denn jeder wartet irgendwann einmal auf eine Paket. Und vor allem auf das, was drin ist. Und wenn es von der Oma kommt, die dazu noch am Ende der Welt wohnt, kann es ja nur eine gelungene Überraschung sein. Gelungen – das ist dann wohl auch das Prädikat, das man diesem Buch verleihen muss. Mehr noch!

Layla aus dem Zauberwald

Layla, ein kleines Mädchen, rennt aufgeregt durch die Stadt. Sie rempelt Leute an, wird von Autofahrern angehupt, weil sie auf der Straße läuft. Voller Begeisterung schaut sie die Schaufenster an, voller Bestürzung erblickt sie einen Pelzmantel. Was ist geschehen?

Layla wohnt im Wald. Die Blätter bieten ihr Schutz vor regen und Kälte. Die Tiere im Wald sind ihre Freunde. Sie – und nur sie – kann mit ihnen reden. Die Eule Windflug überbringt den Tieren des Waldes und Layla die bedrückende Nachricht, dass die Menschen in der Außenwelt dabei sind die Natur zu zerstören. Es gibt nur eine Möglichkeit den Irrsinn zu stoppen: Layla muss den Menschen die Augen öffnen. Die Sache hat allerdings einen Haken. Layla bleibt nicht viel Zeit. Sobald die Sanduhr, die Windflug ihr gegeben hat, das letzte Sandkörnchen durchrieseln lässt, kann Layla nicht mehr zurück in den Wald, nicht mehr zurück zu ihren Freunden. Ihr Leben wäre dann ein anderes…

Gänzlich ohne Pathos, mit allgegenwärtiger Empathie bringt Nicole Nickler in ihrem ersten Buch die Probleme der Zeit auf den Punkt. Ein kleines Mädchen wird zur Retterin der Welt. Okay, ein bisschen Pathos darf es dann doch sein. Aber den erhobenen Zeigefinger sucht man vergebens.

Auffallend sind die Tuschezeichnungen von Muntaha Al-Robaiy. Sie untermalen die ernsthafte Geschichte. Schwarz und Weiß wie die Zeichnungen ist die Geschichte nicht. Denn das draußen in der Außenwelt gibt es Spezies, die sich mit dem Untergang eine Existenz aufgebaut haben. Die Ratte Rocco ist so ein Opportunist. Ohne Müll und Gestank wäre sie verloren. Rocco weiß nur nicht, dass es auch ohne den Verfall ein gutes Leben geben kann. Layla weiß Rat.

Kinderbüchern mit aktuellem Bezug liegt oft ein Hauch von blindwütigem Aktionismus bei. „Layla aus dem Zauberwald“ bildet die rühmliche Ausnahme. Mit einfachen Worten und entwaffnend einfacher Argumentation tut Kindermund die Wahrheit kund.

Die kleine Elster Elsa – Viktor in Not!

Wo geht eine Elster planschen? Natürlich im Schatzsee! Nachdem es tagelang wie aus Kübeln geschüttet hat, sind die Wissen feucht und der See übervoll. Und vor allem ist es glatt! Das muss man doch ausnutzen und herrlich auf den Blättern den Hügel hinuntersausen … und ab in den See. Was’n Spaß!

Zusammen mit Viktor, Elsas Elsterfreund macht das natürlich noch mehr Spaß. Die anderen Bewohner, der Wiese, die sich hier versammelt haben und dem Treiben mit weit aufgerissenen Augen – so köstlich illustriert von Marion Schickert – folgen, bleibt nur eine Wahl: Mitmachen!

Beim Lesen hört mal förmlich die ausgelassene Stimmung rund um den Schatzsee. Doch, oh weh! Viktor gerät ins Straucheln. Statt im kühlen Nass sanft zu landen, kracht er auf die Wiese. Autsch! Das tut weh! Seinen Flügel kann er erstmal nicht benutzen. Ziemlich blöd, wenn man sich mit Flügeln fortbewegen will und muss. Man müsste ihn schienen. Aber wie? Und wie soll der Stock an dem lahmen Flügel halten? Die Ringelnatter erkennt den Haken an der Hilfsaktion sofort.

Alle Tiere sind natürlich bestürzt. Die kleine Spinne hat die rettende Idee. Denn sie kann was, was die Anderen nicht können. Sie kann den Stock an Viktors Flügel mit einem Spinnennetz befestigen. So ein Spinnennetz klebt nämlich. Gesagt, getan.

Das zweite Abenteuer von Elsa ist dramatisch. Das kennen auch wie Menschen. Ein kleines Aua, ist nicht minder schlimm als ein Großes. Umso größer die Freude, wenn jemand da ist, der Rat weiß.

Hanna Trunk schafft es einmal mehr Kindern mit ihren Geschichten Mut zu machen. Der berühmte Beinbruch kommt als Flügelbruch daher. Schlimm für Viktor, aber eine Bewährungsprobe für die Spinne. Sie kann allen zeigen, was sie kann. Es gibt immer einen, der den anderen etwas voraus hat.

Die charakteristischen Zeichnungen von Marion Schickert versüßen die ohnehin eindringliche Geschichte um den Süßungsfaktor Unendlich. Dieses Mal ist es sogar ein Muss das Buch nach dem Einband zu beurteilen. Auf den ersten Blick erkennt man die unbändige Freude, die die Tiere haben, wenn sie vom Hügel hinabschlittern. Selbst die Schnecke, die nun wirklich nicht als Sprinter bekannt ist, befindet sich auf dem Rücken der Elster in einem wahren Geschwindigkeitsrausch.

Das große Fabel-Buch

Fabeln begleiten uns durch das gesamte Leben. Als Kinder kichern wir beglückt über sprechende Tiere und verblüffen die Großen, wenn wir die Moral von der Geschicht’ auf Anhieb verstehen. Im weiteren Verlauf treffen wir hier und da auf eben diese Gestalten und erfreuen uns daran, wenn sich (die) Geschichte wiederholt. Gegen Ende möchten wir dann doch lieber mit den Tieren zu tun haben, denn zum Beispiel aufgeblähte Frösche haben dann doch eben eine begrenzte und vor allem vorhersehbare Lebensdauer…

Jean de la Fontaine hat mit seinen Fabeln die wohl größte Werkschau geschaffen, die immer noch zum Lesen, Nachdenken, Rätseln und Amüsieren einlädt. Immerhin wird im Jahr 2021 sein 400. Geburtstag gefeiert. Schon Voltaire – ob er wohl den hundertsten Geburtstag des Fabeldichters gefeiert hat? – sah in den Werken eine unendliche Geschichte.

Wie feiert man einen runden Geburtstag, wenn der Grund der Party aus verständlichen Gründen nicht anwesend sein kann? Mit einem ausgelassenen Dinner? Nach „Die Taube und die Ameise“ wird wohl kein Täubchen kredenzt. Denn die hat Helfer aus alter Verbundenheit, die sich todesmutig einem potenziellen Angreifer in den Weg schmeißen. Und ein Hühnchen zu bewegen, höchstselbst in den Kochtopf zu hüpfen, gelingt weder im richtigen Leben, noch in der Fabel „Der Hahn und der Fuchs“. Da kann man noch so sehr schmeicheln.

Man kann – man wird – den Geburtstag mit diesem Buch auf dem Schoß feiern. Laut lachend, sinnierend, nachdenklich ergötzt man sich an der Universalität der Worte. Und jeder, der den Versen lauscht, bleibt still, geht in sich und macht sich noch lange nicht auf die Fersen, um das Weite zu suchen. Denn das Gute liegt ja bekanntlich so nah. Es ist ein besonderer Genuss bekannte und unbekannte Fabeln (noch einmal) zu lesen. Man schwelgt in Erinnerungen, findet auf Anhieb Parallelen zum eigenen Leben und ist sich das eine oder andere Mal pikiert, wenn man sich selbst in den Reimen wieder findet.

Diese elegante Ausgabe im edlen Pappschuber setzt dem Wortgenuss von Jean de la Fontaine den Augenschmaus von Jan Peter Tripp an die Seite. Er flankiert ganz im Sinne des Autors den Band mit eindrucksvollen Bildern. Rätselhafte gestalten, bei denen man nicht weiß, ob sie menschliche Tiere oder tierische Menschen abbilden. Hier verschwimmen die Grenzen spielerisch. Wie in einem Stummfilm, untermalen hier zwei Kunstarten die jeweils andere.

Das Märchen von der Turmuhrdame

Wo ist nur diese Stadt? Wo Kinder nicht richtige Rabauken sein können. Wo die Turmuhrdame die Zeit hinausflötet. Wo ältere Damen den Kindern Geschichten erzählen. Dort also, wo man sich wie im Paradies fühlt. Doch das Paradies hat ein paar kleine Risse. Denn die Turmuhrdame hat ein Geheimnis. So gehört es sich auch für ein richtiges Märchen!

Der Falke, der moralische Wächter der unbekannten kleinen Idylle, soll ihr Vater sein. Einst hat er sie verstoßen. Denn bei einem Fest hat sie dem Sieger unfair zum Sieg verholfen. Tja, was tut man nicht alles aus Liebe?! Nun steht wieder ein Fest an. Und wieder wird ein Held in die Stadt einkehren. Wieder sind die Kinder aus dem Häuschen. Ein echter Held. Sie löchern ihn mit Fragen. Nur die Turmuhrdame nimmt Reißaus. Eine Reise, die ihr Leben verändern wird…

Die Geschichte erzählt auch von der kleinen Myrte. Dieser kleine Naseweis genießt die Kindheit wie man es jedem Kind wünscht. Die Geschichten der Alten saugt sie genauso wissbegierig auf wie die kleinen Streitereien mit ihren Freunden. Doch die Faszination für die Turmuhrdame und ihr Geheimnis führt sie bald schon ins Abenteuer ihres Lebens…

Sabin Roidl hat sich dieses Märchen um Schuld und Unschuld ausgedacht. Doch nicht nur das! Auch die Zeichnungen stammen – und das ist wörtlich zu nehmen – aus ihrer Feder. Der feingesponnene Spinnenwebenschal fasziniert nicht nur Kinderaugen. Auch die Großen, die Vorleser, geraten ins Stocken, wenn sie die mit viel Liebe zum Detail gemalten Abbildungen erblicken. So echt wirken Falken sonst nur in hochpreisigen Bildbänden.

Ein echter Volltreffer ist dieses Buch für alle, die der Phantasie stets dem Rationalen den Vorzug geben. Einfach mal fallen lassen und noch einmal das Erlebnis Märchenlesen immer wieder erfahren.

Die kleine Meerjungfrau

Schuster bleib bei deinen Leisten, möchte man dem jungen Ding zurufen. Unten am Meeresgrund ist es doch wunderschön. Um einen herum die bunten Fische, mystisch ranken sich wunderbare Pflanzen. Doch nein, das junge Ding will unbedingt an Land. Als sie endlich darf, sie ist gerade fünfzehn Jahre alt geworden, ist sie von der fixen Idee besessen, ein Mensch zu werden. Doch der Angebetete, ein Prinz, den sie aus den Fluten rettete, will nun eine anderen zur Gemahlin nehmen. All die Mühen umsonst?

Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau ist ein Oberklassiker der Märchenkunst, sofern es diese Klassifizierung überhaupt geben mag. Ob nun total übersextes Naivchen á la Disney oder als kitschiges Herzchen japanischer Comiczeichner, die Meerjungfrau bleibt für immer in den Köpfen von Generationen von Kindern. Gut so!

Auch dieses Buch wird dazu seinen gebührenden Beitrag leisten. Die Abbildungen stammen allesamt aus Kinderbüchern vergangener Zeiten. Nostalgisch, verklärt, anrührend – und immer wieder ein Hingucker, der einen fast den Text vergessen lässt. Aber nur fast. Denn die Geschichte ist der Star. Das Outfit jedoch muss wie bei jedem echten Star eben auch passen ohne das Wesentliche zu überdecken.

Der stabile Einband mit der bestechenden Optik wird für viele Kinder eine Marke sein, die sich in ihren Köpfen festsetzt. Ein Hingucker, ein Hinhörer, ein Hin-Und-Wieder-Aus-Dem-Schrank-Hol-Buch.

Die Schneekönigin

„Bitte nur noch ein Märchen, biiiitteeeee!“. Ein Satz, der wahrscheinlich öfter ausgesprochen wurde, als so manche Gottesanrufung. Märchen sind der Kleber, der von Kindesbeinen an den Familienbegriff am besten darstellt. Ein Märchen zu erzählen ist die hohe Kunst der Liebe.

Das Märchen von der Schneekönigin aus der Feder von Hans Christian Andersen ist das Wintermärchen par excellence. Der kleine Kay wird von der Schneekönigin entführt. Ihre Küsse lassen jeden Lebenssaft erstarren. Sein Freundin Greta, gleich von gegenüber ist so verzweifelt, dass sie kein Mühen scheut ihren Kay zu finden. Sie fragt die Vögel, den Fluss, die Rosen, sogar Krähen und Prinzen bis sie endlich in Lappland ankommt und mit ihren warmen Küssen Kay aus der eisigen Umklammerung der Schneekönigin befreien kann.

Dieses kleine Büchlein besticht den Leser – und somit auch den Zuhörer, denn dieses Märchen muss laut vorgelesen werden – durch die einzigartige Gestaltung. Das ebenmäßige Gesicht der bösen Schneekönigin wird von einem Eissplitterkranz umrankt. Mal strahlend weiß, mal goldig glänzend. Jedoch immer ohne große Emotionen. So es sich für eine richtige Schneekönigin gehört. Nur Eisprinzessinnen lächeln! Als versierter Leser hat man das Buch schnell gelesen. Aber es geht nicht darum einen Schnellleserekord aufzustellen, sondern Märchen, besonders dieses, der Nachwelt zu erhalten. Jedes „Ach ja, kenn ich!“ ist fehl am Platz. Ein „wie wundervoll!“ ist angebracht.

Gerade zur Weihnachtszeit besinnt man sich auf die viel beschworenen alten Werte, ohne dabei kitschig oder im schlimmsten (und unpassendsten) Fall politisch zu wirken. Diese alten Werte müssen bewahrt bleiben, da sie die Grundlage mehr als nur einer Kultur sind. Denn nur wer der Faszination der Märchen erliegen kann, wird ihren Zauber erkennen.

A wie Antarktis

Da hat man nun die ganze Welt gesehen, Pizza in Neapel gegessen, Kokosnüsse am Pazifik genossen, einen Höhenrausch in den Anden erlebt. Und dennoch gibt es ein Land, einen ganzen Kontinent, über den man so gut wie gar nichts weiß: Die Antarktis. Das fängt schon bei der Namensgebung an. Die Griechen – nein, sie waren nicht dort, zumindest nicht die „Alten Griechen“, von denen man so gern spricht – gingen davon aus, dass jeder Punkt auf der Welt einen entsprechenden Gegenpunkt hat. Der Nordstern im Sternbild Bär, griechisch arktos – wie in Arktis – muss also irgendwo im Süden, dem Gegenteil des Nordens, also einen Gegenpunkt haben. Anti, ante, Antarktis – so einfach ist das!

Naja ganz so einfach ist dann doch nicht alles. Wenn man zum Beispiel die Antarktis auf einer Karte abbilden will, nimmt sie einen enormen Platz ein. Sie reicht vom linken Rand einer Karte bis zum rechten. Und dabei ist sie „nur“ 20 bis 30 Prozent größer als Europa, je nach Jahreszeit. Denn, wenn bei uns sommerliche Temperaturen herrschen, ist es am Südpol bitterkalt. Bis zu minus 89 Grad Celsius. Die höchste jemals gemessene Temperatur in der Wüste – ja, es ist eine Wüste, in der weniger Niederschlag fällt als in der Sahara – betrug plus 17 Grad Celsius.

Kindern einen so extremen Kontinent nahezubringen, ist ein schwieriges Unterfangen. Nur allzu oft tappt man in die Falle, und lässt es beim „Da unten ist es verdammt kalt“ einfach bewenden. Wobei das mit dem „unten“ auch schon wieder so eine Sache ist, weiß Autor David Böhm zu berichten. Es begegnet dem Kontinent, der nun wirklich allen gehört, auf dem mehrere Länder Forschungsstationen unterhalten, dem ewigen Eismeer mit Landmasse, mit dem nötigen Respekt. Zahlreiche Abbildung dienen dazu das geschriebene Wort noch einmal zu verdeutlichen. Die ausklappbaren Schautafeln sind das Highlight des Buches großformatigen Bandes. Von Amundsen bis Tierarten, von Landkarten bis Eisbergen, vom Leben in der Antarktis bis zu den zahlreichen Südpolen (nicht gewusst, dann wird es Zeit einen Blick in dieses Buch zu werfen) – wer als Elternteil dieses Buch nur dem Nachwuchs überlasst, wird früher oder später vom enormen Wissensschatz des Kindes überrascht werden.

Die Aufbereitung des Themas ist in diesem Buch erstklassig gelungen. Alles, was jetzt noch an Wissen fehlt, kann nur vor Ort erfahren werden. Am besten mit diesem Buch im Handgepäck, so wird es in der eisigen Ödnis niemals langweilig!

Chlodwig

Na das ist ja ‘ne Überraschung! Der neue setzt sich genau neben Bert. Bert, der eigentlich Bertolt heißt, rümpft innerlich die Nase. Der soll ihn bloß in Ruhe lassen. So gestriegelt wie der aussieht … das kann nichts werden. Im Sportunterricht bekommen seine Befürchtungen neue Nahrung. Der gescheitelte Junge und ein Ball werden wohl niemals Freunde werden. Schule kann hart sein. Das sieht auch Chlodwig so.

Seine Eltern lassen es ihm an nichts fehlen. Leckere Pausenbrote, ordentliche Klamotten und eine Frisur. Bei Bert sieht alles ein bisschen unaufgeräumter aus. Das fängt auf dem Kopf an und hört bei den immer mal wieder fehlenden Pausenbroten auf.

Als Herr Wentzl, der Lehrer der beiden eine Projektarbeit ankündigt, kommt es wie es kommen musste: Bert und Chlodwig müssen zusammen sich Fragen ausdenken und auf der Straße Leute zum Thema Umweltschutz interviewen. Einhellige Meinung unter den beiden so unterschiedlichen Burschen: Muss das sein?!

Nur Mut, möchte man ihnen zurufen. Und siehe da. Es klappt. As Bert die üppig ausgestattete Wohnung von Chlodwig sieht, fallen ihm die Augen raus. Alles so sauber, so ordentlich. Beim Gegenbesuch einen Tag später geht es Chlodwig nicht anders. Alles ist so chaotisch, so lebendig. Ohne groß nachzudenken, lassen Chlodwig und Bert ihren Bauch entscheiden. Sie sind gar nicht so verschieden. Sie leben nur in unterschiedlichen Wohnungen, mit unterschiedlichen Eltern. Ihre Interessen sind die gleichen. Die Möglichkeiten, diese Interessen auszuleben, sind unterschiedlich. Aber das hält weder Bert noch Chlodwig davon ab diese zu verfolgen.

Ein wunderschön gestaltetes Kinderbuch, das mit dem Vorurteil aufräumt, dass Vorurteile aus dem Weg geräumt gehören. Es so zu machen wie Bert und Chlodwig – Vorurteil, hä, was’n das? – ist der richtige Weg. Denn wo nichts ist, kann auch nicht beseitigt werden.

Die Illustrationen von Jens Rassmus entlocken ein ums andere Mal dem Leser ein Schmunzeln. Zum Beispiel, wenn Bert vorwitzige Schwester Miezi sich nur allzu gern als Interviewte zur Verfügung stellt.