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Sempre italia

Ach, würde der Urlaub doch ewig dauern! Würde für immer die Sonne scheinen. Würde für immer der Wein wie beim ersten Mal schmecken. Das ließe sich beliebig fortsetzen, denkt man an Italien. Einmal von hoch oben auf einen Lago schauen, leckere Pasta mit richtig viel parmigiano dort genießen, wo er produziert wird oder unter sengender Sonne sich Pizza in den Mund stopfen – dazu ein vino … und das Paradies kann einem gestohlen bleiben.

Jede Liebeserklärung an den Stiefel ist eine emotionale Reise, reich gespickt mit Erinnerungen und Ideen fürs nächste Mal. Denn ein nächstes Mal gibt es immer! Frances Mayes und Ondine Cohane sind verliebt. Verliebt in Italien – das allein reicht aber noch nicht. Sie halten ihre Liebe zu Land und Leuten in diesem Buch fest. Vierhundert Seiten amore – das kann „im normalen Leben“ die Eine/den Einen schon mal überfordern. Den Leser, den Liebeshungrigen, den Italienliebhaber überfordert es nicht. Denn vieles kennt man vielleicht schon. Manches wollte man schon immer mal besuchen. Und einiges gehört beim nächsten Mal in italia auf alle Fälle zum Reiseprogramm.

Kreuz und quer durch das Land, das immer noch und immer wieder überraschen kann. Immer mit der Kamera im Anschlag und mit dem gezückten Stift in der Hand tauchen die beiden ab in eine Kultur, die mit Sehnsucht nur annähernd beschrieben werden kann.

Jede Region wird so lange bereist bis die Autorinnen das Besondere gefunden haben, das ihre Liebe am besten beschreibt. Die seitenfüllenden Abbildungen locken den Leser in die Geschichten hinein, die so wortgewandt jeder Kritik widerstehen. Für ganz Eilige gibt’s am Kapitelende eine kleine Zusammenfassung und Tipps, was man nicht verpassen darf. Für eifrige Leser sind diese Zeilen Erinnerungslückenfüller. Denn jede Region steckt voller Abenteuer, die man erleben muss.

Und für jeden ist etwas dabei: Radfahren, Weindegustationen, Wandern, Erkundungstouren, Schlemmen …

Im Meer der Italienbücher geht man schnell unter, wenn man nur nach dem Einband seine Wahl trifft. Zu groß die Menge an Reisebüchern, Bildbänden, Ratgebern. „Sempre italia“ ist ein leidenschaftliches Kraftpaket, das man immer wieder hervorholt und sich inspirieren, Träume fliegen lässt und in eine Welt eintaucht, die gar nicht soweit entfernt von der eigenen Haustür das dolce vita mit einem einzigen Umblättern real werden lässt.

Die Geheimnisse von Pinewood Hill

Wie bunt kann schwarz-weiß sein? Diese Frage stellt sich unweigerlich bloßen Durchblättern dieses Buches. Und postwendend gibt man sich selbst gleich die Antwort: Sehr .. sehr bunt!

Vorhang auf für eine rührende – nicht rührselige Story, die von der Kraft der Phantasie erzählt, dass man gar nicht bemerkt wie schnell man in sie hineingezogen wird. Chaska ist ein Junge, der sich der Kraft, die in ihm wohnt noch nicht bewusst ist. Er ist ein Kind. Und deswegen fällt ihm der Umzug in die neue Stadt so unbeschreiblich schwer. Doch statt wie ein kleines trotziges Kind zu klagen, zu weinen und zu schreien, schwingt er sich auf sein Rad und durchforstet zuerst die nähere, später die weitere Umgebung.

An jeder Straßenecke, hinter Büschen und Sträuchern, an und hinter Mauern findet er das, was ihn sein Leid ertragen und schließlich vergessen lässt. Denn nicht weit von seinem neuen Zuhause wird die Phantasie zum Leben erweckt. Hier – Filmstudios und der Hauch der großen weiten Welt – wird Chaska mit dem Virus infiziert – ja, es gibt auch „gute Viren“ – das ihn nie mehr loslassen wird.

Der Abenteuerspielplatz, den sich Chaska erobert, beschert ihm unzählige Begegnungen der anderen Art. Kleine und große Aha-Effekte, die bei ihm und dem Leser auf Anhieb zünden.

Doch der Star dieses Buches sind die Zeichnungen. Sie funkeln und strahlen, dass es einen umhaut! Die unerbitterliche Sonne reflektiert in der Landschaft, den Figuren – dem gesamten Set. Wie Fotografien, sie derart lange bearbeitet wurden, dass sie irreal erscheinen. Doch hier ist alles echt. Jeder Strich ist so gewollt und erfüllt voll und ganz seine Funktion. Explodierende Sportwagen, gruselige Figuren, eine kecke Katze – nichts entspringt dem Zufall. Der Aufwand, der bei diesem Buch betrieben wurde, verpufft an keiner einzigen Stelle. Wer meint ein dünnes Buch binnen weniger Minuten lesen zu können, kennt „Die Geheimnisse von Pinewood Hills“ noch nicht. Immer möchte man in den Zeichnungen versinken, in ihnen herumtollen und die Vergangenheit wieder einfangen. Und sei es nur für Augenblicke.

Thorbeckes Flugzeuge & Luftschiffe Kalender 2023

„Willkommen an Bord, Sitze aufrecht stellen, Anschnallen“ und dann wird man mit Angeboten beschallt, dass man sich die Landung noch sehnlicher herbeiwünscht. Von Nostalgie ist ein heutiger Flug meilenweit entfernt.

In den Anfängen der Luftfahrt, als die ersten Flugversuche von tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten unternommen wurden, stand das Abenteuer im Vordergrund. Und die Flieger sahen auch ganz anders aus! Windkanäle gab es noch nicht. Ganz zu schweigen von steigenden Fluggastzahlen. Und eben auch keine Knallerangebote, die man unbedingt nutzen sollte. Und auch keine Hochglanzfotos von stromlinienförmigen zigarrenähnlichen Massentransportmitteln.

Es war die vielbeschworene „gute, alte Zeit“, die farbenfroh und vielleicht nicht immer ganz wahrheitsgetreu den Traum vom Fliegen versprach, die mit jedem Wochenblatt in diesem Kalender dem Fernweh Futter gibt. Da sitzt einer der Gebrüder Wright in einer Maschine, einer Konstruktion, die kein Mensch mit einer fürsorglichen Mutter jemals betreten dürfte.

Wie farbenfroh schon vor über einhundert Jahren für Luftfahrtshows geworben wurde, hatte wohl wenig mit der Realität zu tun. Immerhin elf Tage im Januar war der Luftraum über Los Angeles im Jahr 1910 azurblau mit ein paar dröhnenden Punkten, die man sich ohne das Plakat – zu sehen im Kalender am Anfang des Jahres 2023 – nicht so einfach erklären konnte.

Konstruktionszeichnungen, Werbeanzeigen, gezeichnete Impressionen – wer sich gern hinwegträumt, wird sich Woche für Woche in einen Rausch schauen können, der nur schwer zu bändigen sein wird.

Die kurzen Texte stehen nur geographisch am Rande des Geschehens, sprich des Kalenders. Wichtige Daten und Jubiläen, Anekdoten und Berichte von anno dazumal setzen die Bilder in den richtigen Rahmen. Einmal rund um die Welt, den Koffer voller Träume, Augen auf und das Abenteuer Luftfahrt kann beginnen! 365 Tage im Jahr, jede Woche ein neuer Traum.

Genusszeit Kalender 2023

Das Auge isst mit! Und es kann dieses unbeschreibliche Gefühl hervorrufen, das man Appetit nennt. Fast schon einen Heißhunger heraufbeschworen kann.

Dieser Monatskalender ist der stille Chefkoch, der die Leidenschaft fürs Essen immer wieder aufs Neue entfacht. Von der Frucht über deren Verarbeitung direkt in den Magen. Denn wenn beispielsweise aus Oliven ein köstliches Öl entsteht, ist dies die Veredelung einer jeden Mahlzeit. Perfekt in Szene gesetzte Zitrusfrüchte verströmen schon im Winter einen Hauch Sommer, der Süden lockt mit erfrischender Leichtigkeit. Das volle Aroma reifer Heidelbeeren – egal, in welcher Form – lassen schon beim flüchtigen Vorübergehen das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Klingt übertrieben? Klingt nach zu viel des Guten? Was kann falsch daran sein mit allen Sinnen genießen zu wollen? Nichts, gar nichts.

Denn hier entstehen Farben, die in keinem Baumarkt der Welt so strahlen können wie das natürliche Vorbild. Ein Triptychon des Genusses erfüllt zu jeder Tageszeit den Wunsch nach Gesundem. Immer wieder entdeckt man in den Abbildungen etwas Neues. Jedes Stück Obst, Gemüse oder Genussmittel führt unweigerlich dazu sich den Verlockungen hinzugeben. Und selbst eine Mango, die eh schon nach Ferne schmeckt, wird durch die geschickte Darreichung als verführerisches Detail zum Objekt der Begierde.

Dreimal mmmh, zwölf Mal lecker, 365 Tage Verführung auf höchstem Niveau. Es gibt nur einen kleinen Haken an diesem wunderschönen Kalender: Man kann zwar in ihn hineinbeißen, aber lecker ist bestimmt anders.

Travel Time Kalender 2023

Na, können Sie es auch nicht mehr hören? „Früher war alles besser“. Mag ja sein, dass man das so empfindet. Das ist aber noch lange kein Beweis für diese These. Beispiel gefällig? Was ist sooo viel besser daran, mit einem Fahrzeug mit ein paar Dutzend PS eine gefühlte Ewigkeit gen Süden zu tuckern? Immer mit der Angst im Nacken, dass der Motor überhitzt, der Familiennachwuchs permanent auf Toilette muss, die Spritfüllung doch nicht bis zur nächsten Tankstelle reicht und der nächste Berg nur im Zweiten genommen werden kann. Und dann gibt’s am Urlaubsort nicht mal Schnitzel?

Und heute? Schnitzel soweit das Auge reicht, in zwei Stunden im Süden und gegen das Nörgeln gibt’s Videos aus und auf allen Kanälen. Und der Süden strahlt im schönsten Hochglanz – na, fühlen Sie sich nun schlechter?

Zugegeben, die Vergleiche sind stellenweise an den Haaren herbeigezogen. Doch so ein bisschen Nostalgie hat bis jetzt noch niemandem geschadet. Ebenso die Moderne. Je nach Gemütslage kann man sich an dem einen oder anderen mehr oder weniger erfreuen.

2023 ist ein Jahr, in dem die Nostalgie nicht nur an die Tür klopft, sondern tagein, tagaus an der Wand hängt. Kräftige Farben, klare Konturen und der hauch der Vergangenheit lassen Reiseträume erstehen. Ohne viele Schnörkel kommen die Bilder rasch zur Sache: Das musst Du gesehen haben! Die Illustrationen sehen so verdammt echt nach „so war’s mal“ aus, dass man sich mehr als einmal die Augen reibt, wenn man bemerkt, dass diese Abbildungen viel jünger sind als sie anmuten.

Diese Ansichten lauern nur darauf den Betrachter einzufangen. Alaska ohne Huskeys – unmöglich. Budapest ohne Blick aufs Parlament vor dem die Donau fließt – das wäre ja wie Santorini ohne die typischen weißen Häuserfassaden.

Als das Reisen noch mit dem Zen-Spruch „Der Weg ist das Ziel“ gleichzusetzen war, trugen derartige Plakate die nahe Welt in die Herzen derer, die sie sehnsuchtsvoll entdeckten. Kein Filter, der aus einem wolkenverhangenen Himmel das strahlendste Blau herauskitzelt. Zwölf Mal Reiselust und Verheißung ohne dem Bild auf den Leim zu gehen. Hier ist die Kunst so nah, dass sie selbst in den Hintergrund tritt.

Kalender 2023 – Meisterwerke 1923

Auch 2023 wird man sich fragen wie das Jahr wohl verlaufen wird. Die Wünsche und Sehnsüchte sind zu Beginn des Jahres noch allgegenwärtig. Wenn die ersten Tage und Wochen vorüber sind, ist die Gegenwart steter Begleiter.  Dann und wann beginnt man zu sinnieren, warum das Jetzt genauso ist wie es ist.

Am 1. Januar wird beim Blick auf den Kalender schon das erste Nachsinnen über das Jetzt in künstlerischer Hinsicht beginnen. Zumindest, wenn dieser Kalender die Wand verziert. Es gibt nicht mehr viele, die man 2023 fragen kann wie es 1923 so war. Man kann vielleicht den einen oder anderen Kunstexperten fragen, was vor einem Jahrhundert modern war. Aber man wird nur Worte ernten. Ein Blick auf diesen Kalender – und es werden 365 Blicke werden – zeigt, wie sehr Moderne, Expressionismus und Impressionismus den Blick auf die Zukunft lenkten. Noch heute bezeichnen wir diese Gemälde als modern. Und noch immer strahlen sie im hellsten Licht, zaubern ein Lächeln ins Gesicht der Betrachter oder lassen so manchen rätseln, was denn da genau zu sehen.

1923 war ein produktives Jahr für Künstler. Claude Monet – immer hin schon 83 Jahre alt und noch immer ein produktiver Maler – zeichnete immer wieder in seinem Garten in Giverny, westlich von Paris, auf halber Strecke nach Rouen. Bis heute ein mehr als beliebter Ausflugsort für alle, die schon immer mal wissen wollten, wo man die besten Motive findet. Vielleicht findet sich 2023 die Zeit den Ort zu finden, wo ein Jahrhundert zuvor ein weiteres Bild aus dem Garten des großen Impressionisten entstanden ist.

Auch Max Liebermann hat vor einhundert Jahren noch lange nicht den Pinsel beiseite gelegt. Vielmehr hält er einen Spaziergang im Birkenwald in Wannsee (nach Westen, um den kompletten Bildtitel zu nennen) mit eindrucksvollen Pinselstrichen fest.

Das Jahr beginnt dieser Kalender mit einem der namhaftesten Künstler seiner Zeit, Wassily Kandinsky. Zwei schwarze Flecken, wer nur diese auf dem Gemälde erwartet, bekommt mehr als er vermuten konnte. Ein bisschen Blau, einen mehrfarbigen Bogen, ein Viereck, das an Mondrian erinnert. Wenn der Januar wegweisend für das gesamte Jahr ist, kann 2023 nur ein Gutes werden. Man wird mehr bekommen als angekündigt. Nur Zyniker sehen darin eine Schwarzmalerei.

Es ist niemals verkehrt die Zukunft in der Vergangenheit beginnen zu lassen. Es müssen ja nicht immer gleich die Fehler von einst als Referenz herangeholt werden. Manchmal reicht es auch aus einfach mal zu schauen, was es schon gab, um die Gegenwart zu begreifen.

Verfallene Orte in Wien

Wien ein einzigartiges Attribut zu verleihen, ist eine schier unlösbare Aufgabe. Die Schöne, die Elegante, die Historische. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Doch die Verfallene, darauf kommt keiner, der jemals zwischen Hietzing und Donaustadt unterwegs war. Und dennoch gibt es sie, die verlassenen Orte, die scheinbar dem Verfall preisgegeben werden. Lost places, verfallene Orte, Abenteuerspielplätze für eine neue Art von Geschichtsjägern.

Und manchmal sind diese Orte einfach nur leerstehende Gebäude, die nur darauf warten wieder entdeckt zu werden. Wie das Theater am Mittersteig im Vierten. Es fällt spärliches Licht auf den Saal, wo einst das gespannte Publikum den Filmaufführungen entgegenfieberte. Eine Staubschicht bedeckt den Boden. Restmüll hat der Wind hineingeweht. Vor etwas mehr als einhundert Jahren erbaut, strahlt die Größe immer noch einen gewissen Glanz aus. Nach dem Kriege vergnügten sich hier nur kurz fesche Madeln mit den GIs. Der Kinoboom der Folgejahre hielt nur reichlich zwei Jahrzehnte. Die Logen wurden entfernt. Die Stuckarbeiten mit grässlich-hässlichen Platten verkleidet. Eine Boxhalle wurde aus dem Theater der Träume – so groß ist der Wandel dann auch nicht gewesen…

Heute haben einige der Figuren, die einst die Wände und Decken zierten zerschlagene Nasen. Ironie der Geschichte? Das Theater wieder so herzurichten, dass ein lohnenswerter Kulturbetrieb (der nüchterne Sachton ist in diesem Fall mehr als angebracht) vonstatten gehen könnte, ist fast illusorisch. ABER: Für Stadtabenteurer, die dem Charme des Verlassenen, des Verfallenden anheimgefallen sind, gehören solche Orte zum Standardrepertoire. Denn hier gibt es auf engstem Raum mehr zu sehen als in so manchem Museum.

Ein abgebranntes Restaurant, aus Sicherheitsgründen bald nach der Katastrophe abgerissen, Tiefbunker, und selbst so (thematisch) naheliegende Orte wie der St. Marxer Friedhof sind wahre Fundgruben, um jüngere Geschichte erlebbar zu machen.

Die beiden Autoren / Fotografen machen sich gern die Finger schmutzig, um in aussagekräftigen Bildern die Vergangenheit zu konservieren. Den nur, weil etwas nicht mehr da ist, muss es ja nicht verschwunden sein. Ohne Geschichte kein Jetzt, und erst recht kein Morgen. Nicht viele Orte sind – nicht ganz ohne Aufwand – besuchbar. Die meisten jedoch verstecken sich hinter Riegeln und Schlössern, dicken Mauern, Absperrungen. Zum Glück gibt es Bücher wie dieses, um die versteckten Juwele der Zeit doch noch ans Licht zu bringen.

100 Highlights Wildes Deutschland – Die schönsten Naturparadiese und Nationalparks

Wild ist sicher nicht das erste Wort, das einem einfällt, wenn man von Deutschland spricht. Dennoch gehört das wilde Leben dazu wie die typische Korrektheit und Pünktlichkeit. Und das reicht von Kap Arkona bis ins Höllental, vom Naturpark Schwalm-Nette bis ins Zittauer Gebirge.

An einhundert solcher wilder Orte kann man sich in diesem prachtvollen Bildband ergötzen, und zwar von Nord nach Süd. Als Erstes schlägt man willkürlich eine Seite auf. Land der tausend Seen – Müritz-Nationalpark. Ein stimmungsvoller Sonnenuntergang und ein Urwald, in dem die Stämme in einem derart saftigen Grün zu versinken drohen, dass man es für eine Setaufnahme aus einem mystischen Thriller halten könnte. Doch es ist alles real. Im richtigen Moment den Auslöser der Kamera gedrückt, und voilà: Auch das ist Deutschland. Wild, frei, fernab von Tabellen und Zahlenkolonnen. Der dazugehörige Text brilliert durch Fakten, die nicht wegzureden sind und macht Appetit genau diesen Ort, zu genau der Zeit der Aufnahme einmal selbst zu besuchen.

Nur wenige dutzend Seiten weiter wird’s fast schon historisch, ein wenig politisch sogar. Deutsche Politiker und wild? Keine Angst, so schlimm wird’s nicht. Doch die Schorfheide – bis dahin hat man sich nun vorgeblättert in diesem Buch – ist eng mit den Lenkern Deutschlands verbunden. Wo einst Nazis wie Kommunisten auf der Jagd waren, nördlich von Berlin, ist heute der sanfte Tourismus zu Hause. Hier kann man stundenlang unterwegs sein, ohne dabei tatsächlich eine Menschenseele zu anzutreffen. Kloster Chorin, ein Zisterzienserkloster in Backsteingotik, gehört den berühmtesten Orten der Gegend.

Bereits kurz nach der Wende wurde dem Gebiet in der Uckermark un dem Barnim der Status eine UNESCO-Biosphärenreservats verliehen. Einhundertdreißigtausend Hektar – zur Verdeutlichung: Ein Fußballfeld misst nicht einmal einen Hektar – 240 Seen, Tausende Moore, Wiesen, Äcker und Wälder. Das sind die blanken Zahlen. Was die Natur hier auf die Landkarte gezaubert hat, spottet jedoch jedem Kategorisierungswahn. Jeder Ast darf so wachsen wie er es für richtig erachtet. Jeder Grashalm darf sich nach der Sonne recken wie es ihm beliebt. Und jeder Besucher erfreut sich genau an dem, was so wild mitten in Deutschland zu entdecken ist.

Dieses Buch macht Lust darauf die wilde Seite Deutschlands zu erkunden. Sanft auf dem Rad mit einem Lächeln im Gesicht. Mit forschender Miene. Alle Sinne geschärft. Vom Rothaargebirge bis an die Saale (die mit dem schönen Strand, wie es schon im Volkslied heißt), vom Stettiner Haff bis in den märchenhaften Habichtswald – Wer es bisher nicht wusste, wird in diesem exzellent gestalteten Bildband zum Naturfan, zum Wildheitsforscher, zum Naturparadies- und Nationalparkfan ersten Grades.

Caffè d’Italia – Kalender 2022

Das italienische Lebensgefühl ist nur ein Viertelquadratmeter groß. Klingt erstmal nicht viel, ist aber bei genauer Betrachtung genau das richtige Maß. Fünfzig mal fünfzig Zentimeter ergeben nun mal nur den erwähnten Viertelquadratmeter, was aber schlussendlich nur eine mathematische Fingerübung darstellt. Und beim Lebensgefühl, besonders beim dolce vita geht es nun wahrlich nicht um Zahlen, Fakten und Regeln. Vivere il momento – Leb den Augenblick! Der Augenblick beim Betrachten dieses Kalenders dauert so ungefähr … ein Jahr.

Und so betritt man eine Welt, die jedem offen steht. Die man aber so nur selten zu sehen bekommt. Denn die Fotografien von Toni Anzenberger und Christina Anzenberger-Fink geben dem Alltäglichen den besonderen Anstrich. Es ist ein reduzierter Anstrich. Schwarz-Weiß in all seinen Abstufungen. Was auf Anhieb auffällt: Wer am oder hinterm Tresen steht, lächelt. Da muss wohl was im Getränk sein, dass die Mundwinkel gen Himmel ziehen lässt?! Oder ist es das Ambiente?

Denn das erzählt nicht nur von der „guten alten Zeit“ – es bewahrt sie bis ins Jetzt und Heute. Milano, Roma, Padova, Montepulciano – schon bei der bloßen Erwähnung dieser klangvollen Orte schlägt das Herz eines jeden Italienfans höher. Auch der Gedanke einen echten italienischen Kaffee, sprich Espresso an der Bar genießen zu können, lebt die Sehnsucht nach bella italia schlagartig auf. Selbst eingefleischte Teetrinker werden hier zum Caffenista. Diese Kaffeehäuser muss man sehen.

Jetzt holt man sie sich für ein weiteres Jahr ins Haus. Das Großformat macht es unmöglich sie zu übersehen. Und so manches Mal wird man nicht einfach daran vorbeigehen, sondern innehalten. Vor Ort tritt man einfach über die Schwelle und schreitet in eine andere – sorgenfreie – Welt. Daheim, mit diesem Kalender an der Wand erhält man Einblicke, die man in Torino, Trieste oder Ascoli Piceno suchen muss. Für den Kalender haben diese Suche das Künstlerpaar übernommen. Nur hier gibt es – formatbedingt – den größten Café der Welt.

Sich Italien ins Haus zu holen, beginnt nicht im Vorratsschrank. Es beginnt bei der Einstellung das Wagnis einzugehen. Im eleganten Duotone wird jeder Augenschluck zu einem Augenschmaus und erhöht den Augenblick. 2022 soll nicht noch einmal ein pandemiebedingtes Urlaubsausfalljahr werden. Sollten die Zeichen jedoch wieder auf Homecouching stehen, dann ist dieser Kalender eine Alternative, die zwar die Sehnsucht schürt, aber im Gegenzug auch das Italiengefühl gleichwertig nach Hause holt.

David Bowie Foto

Jeder weiß, wo er war als in New York die Flugzeuge ins World Trade Center krachten. Jeder weiß, wo er war als die Mauer fiel. Und ein sehr großer Teil weiß noch sehr genau, was er dachte als ihn die Nachricht vom Tod David Bowies erreichte. Unmöglich! Erst das neue Album, das das Blut einmal mehr zum Kochen bringt, und nun ist alles eingetreten, was er selbst prophezeit hatte? Wie weit kann ein Künstlerleben reichen? Was nun?

Bowie lebt! Er wird immer weiterleben! Sei es in den Shows von Sven Ratzke, die weltweit das Werk und Wirken von David Bowie einem geschmackvollen Publikum wach halten oder mit diesem Prachtband die Wandlungsfähigkeit eines Kunstfertigen und Geschäftstüchtigen nachhaltig konservieren.

„David Bowie Foto“ ist nicht mehr und vor allem nicht weniger als das, was der Titel verspricht und eben auch hält. Ein neunundsechzig Jahre und zwei Tage anhaltendes Leben für die und als Kunst. Rock, Funk, Soul, Triphop – Pop als Spielart des Seins. Ohne Bowie wäre die Kunstwelt eine andere. Oft wird behauptet, wenn es den Einen nicht gegeben hätte, wäre ein Anderer in die Presche gesprungen. Bowie hat keine Lücke gefüllt, er hat sie aufgetan und hat sich in ihr breit gemacht bis sie zu zerbersten drohte. Dann schlug er die nächste Kerbe ins jungfräuliche Fleisch der Kunst. Das blieb nicht ohne Folgen. Wer heute mit Extravaganz auf sich aufmerksam machen will, muss sich unweigerlich mit dem Vergleich mit Bowie gefallen lassen.

Bei einem derartig umfassenden Kunstwerk wie David Bowie ist es nicht verwunderlich, dass er selbst zum Kunstobjekt anderer Künstler wurde. Oft engagierte David Bowie Künstler, die ihn ins rechte Licht setzen sollten. Die Posen hatte er meist schon geübt, bevor der vor die Linse trat. Nachdenklich, ernst, verspielt, traurig, ironisch, doch immer ikonisch. Es muss ein Fest für jeden Fotografen gewesen sein, einmal David Bowie bei der Arbeit, bei der Selbstinszenierung beistehen zu dürfen. Modefotografen wie Norman Parkinson sind sicherlich Kummer mit den Models bekannt. Die Kunst besteht darin, die Unwegbarkeiten unsichtbar zu machen. Bowie in Szene zu setzen, muss sich dagegen anfühlen wie eine Straßenüberquerung an einem autofreien Sonntag. Ob gestellte Pose oder Schnappschuss bei einem Konzert: Würde es den Begriff „bella figura“ nicht schon geben, hätte Bowie auch dafür ein eingetragenes Markenzeichen für sich in Anspruch nehmen können.

Fotografie-Ikonen wie Greg Gorman schwärmten schon vor ihrer Zusammenarbeit mit Bowie von dem kreativen Genie. Die Aussicht den Thin White Duke und Ziggy Stardust samt realem Bowie vor die Linse zu bekommen, machte selbst ihn nervös, wie er in seiner Erinnerung an David Bowie einräumt.

Es gibt Fotobände, auch über David Bowie, die kurz nach seinem Tod marktschreierisch auf den Markt geworfen wurden, und als Almanach durchaus ihre Berechtigung haben. Doch sie werden nicht annähernd dem Mythos David Bowie gerecht. Mit diesem Buch gelingt es erstmals – immerhin hat es über fünf Jahre gedauert – Bowies Schlaglicht nicht in einem Schatten enden zu lassen, sondern ihm noch mehr Spotlight zu gewähren als er selbst schon ausstrahlt. Bowie ist Kunst, und Kunst ist Bowie. Wer jetzt schon die ersten Weihnachtsgeschenke besorgen möchte, hat Nummer Eins schon erledigt. Denn dieses Buch stellt man nicht einfach ins Regal „zu den anderen Büchern“. Man schlägt jeden Tag eine Seite auf und schwelgt in Erinnerungen.