Superhits der Showa-Ära

Japan kann sich zweier Autoren rühmen, die sich den gleichen Namen teilen: Murakami – zwei mit dem perfekt ausgeglichenen Verhältnis von Vokalen und Konsonanten. Und doch so unterschiedlich. Während der Eine – Haruki – mit blumigen Worten der weiten Welt wie eine Sonne erscheint, in dem er Japans Kultur erklärt, ist Ryū eher der kleine Teufel, der aus der Erde herausbricht und mit brachialem Heavy-Metal-Sound den Dreck der Gesellschaft nach Oben wirbelt, um noch mehr Kultur zu zeigen. Seine Bücher sind keine Sinfonien, sie sind orchestrale Wuchtbrummen, die lange die Synapsen zum Schwingen bringen.

Apropos gleiche Namen und ausgewogenes Verhältnis von Vokalen und Konsonanten: Midori, so heißt sie und sie und sie und sie und sie und … sie auch. Ja, sechs Frauen, alleinstehend, alle heißen Midori. Ihnen gegenüber stehen sechs junge Männer – zum Glück für den Leser haben sie unterschiedliche Namen. Ishihara, Yano, Sugiyama, Katō, Sugioka und Nobue sind echte Taugenichtse. Die Typen, bei denen man die Straßenseite wechselt, wenn sie ins Sichtfeld geraten. Gelangweilte, antriebslose Gestalten, die nur Unfug im Sinn haben. Was die beiden Halbdutzende verbindet ist Karaoke. Die Jungs verkleiden sich, trashy, die Frauen haben mehr Gefallen an dem gemeinsamen Singen. Die Jungs reiben sich auf an den unzähligen Gedanken, was sie alles machen könnten. Den Willen haben sie ja schon. Böse Gedanken, schreckliche Willensbekundungen – bisher blieb es jedoch bei den Gedankenspielen.

Es ist wieder einmal soweit. Karaoke. Die Jungs organisieren – fast schon militärisch – ihren Abend. Sie bestimmen, wer die Technik organisiert, wer als Fahrer nüchtern bleiben muss und so weiter. Der Abend am Strand verläuft wie immer: Singen, rumalbern, sich an die Nachbarin von gegenüber erinnern, die sich so grazil aus ihrer Kleidung schält, sich haarklein vorstellen, wie sie sich ihren Körper einseift – die Jungs sind in freudiger Erwartung dessen, was nie passieren wird. Nur Sugioka ist am nächsten Morgen immer noch in der Stimmung der Nacht. Da wird selbst eine alte Frau zum Objekt der Begierde. Und schon ist es passiert. Ein anzügliches Nähern. Einfach nicht aufhören können. Eine blitzende Klinge. Und schon liegt die Frau am Boden. Blut umschließt ihren leblosen Körper.

Midori ist tot. Aus den sechs Midoris wie aus heiterem Himmel ein Fünferpack geworden. Und dieses Fünferpack hat es in sich. In Windeseile werden die biederen Damen zu fünf Fingern einer Faust, die kein Erbarmen kennt. Wie ausgewechselt beginnen sie zu recherchieren. Und sie sind gut! Schon bald haben sie einen Verdächtigen. Und wo ein Verdächtiger ist, ist auch ein Zweiter. Eine rauschende Rachejagd beginnt. Eine Jagd wie sie nur von einem Autor geschrieben werden kann: Ryū Murakami.

Love letters

Was wäre eigentlich, wenn Virginia Wolf und Vita Sackville-West heute leben würden? Sie würden sich heutzutage auf einem Charity-Event kennenlernen, wo sich die C-Promi-Garde mit der D-Kategorie ablichten lässt, weil sie so mehr Follower generieren würden. Hinter vorgehaltener Hand würde eine Viertelfinalteilnehmerin einer Casting-Show oder ein Teilnehmer bei einem menschenverachtenden Reality-Format mit einem leichten Grinsen das Gerücht verbreiten, dass sie und sie, Virginia und Vita

– die Namen würden schon mal zu den TV-Formaten passen … – etwas miteinander hätten. Eine hektisch sprechende Moderatorin würde aus ihrem „Was ist denn da passiert?“-Monolog eine Sensation ankündigen. Und die beiden selbst? Sie würden elegant, aristokratisch, gelangweilt den bunten Mikrofonen und den kreischenden Zurufen der Fotografen die kalte Schulter zeigen.

Denn sie haben sich, haben einander, haben ihre Gatten, Freunde, Geschäftspartner (oft in Personalunion) und würden trotzdem schwitzen wegen der vermeintlichen Hetzjagd. Doch im Vergleich zu damals – Virginia Wolf und Vita Sackville-West lernten sich 1922 bei einem Dinner kennen – wäre die Hetzjagd nach ein, zwei Wochen vorüber. Bis, ja bis sie sich wieder öffentlich zeigen (vielleicht sogar gemeinsam?!) und das Getuschel von Neuem beginnt.

Was hätten sie dann noch? Ihre Social-Media-Kanäle, in denen sie in wohlgewählten Worten auf die Missstände in der Gesellschaft hinweisen. Vielleicht würden sie die Regenbogenfahne schwenken, was ihre Partner ungewollt in die Regenbogenpresse ziehen würde. Würden die beiden gendern?

Oder würden Virginia Wolf und Vita Sackville-West den abgemagerten Promiklatschreporterinnen und den leicht zu Übergewicht neigenden Promireportern (das ist eine ganz subjektive Einschätzung, aber passt irgendwie ins Bild, oder?!) frontal entgegentreten und Gegenfragen stellen, die jeden Unterton entlarven?

Ach es wäre ein Fest für alle, die die beiden Autorinnen für ihr Tun verehren! Zum Glück waren die Zeiten als die beiden sich ihre Liebe in unzähligen Briefen und Tagebucheinträgen gegenseitig versicherten anders. Geschliffene Worte, erhabene Sehnsucht, feuriges Verlangen und schnippige Bemerkungen ohne dabei bewusst verletzen zu wollen. Dieses Buch ist ein meisterhaftes Beispiel dafür, das Liebe und Zuneigung laut und leise, offen und verborgen, zart und roh zugleich ist – die Außenwelt darf zusehen, aber nicht eingreifen. Zwei unabhängige, starke Frauen, die nicht müde werden in ewiger Verbundenheit getrennt und zusammen jeglichen Konventionen zu trotzen!

Im Dienst des Irdischen

China, die Volksrepublik und Religion – jaajjjeeiinn. Irgendwie durchaus eine logische Verbindung, andererseits auch wieder nicht. Es ist kompliziert. Und so sollt man sich diesem Buch auch nähern. Klar, China, Asien, Buddhismus – die Verbindung ist eindeutig da. Und dann die monströsen Parteitagsbilder der Kommunistischen Partei, wenn im Takt dem Vorsitzenden gehuldigt wird – das ist so gar nicht buddhistisch.

Religion ist in China überall vorhanden, so wie hierzulande der christliche Glaube und seine Sichtbarkeit nicht zu übersehen sind. In China hingegen gibt es stellenweise Tempel, die nicht historisch gewachsen sind, sondern moderne Bauten sind (ja, die gibt es auch in unseren Breiten), sondern von Firmen erbaut wurden. Und deren Größe die historischen Tempel um ein Vielfaches übertreffen. Also, China und Religion ist doch nicht so verwunderlich wie so mancher Dauerskeptiker es glauben mag.

Hans-Wilm Schütte reist durch ein China, das ohne rasanten Fortschritt nicht überlebensfähig ist. Das Land lebt vom selbst auferlegten Image des enormen Aufschwungs.

Als Erstes fällt im Buch die üppige Farbenpracht der Abbildungen auf. Gold soweit das Auge reicht. Festgehalten aus unterschiedlichen Perspektiven. Und erst die Erläuterungen! China ist gemessen an der Zahl der Gläubigen die Nummer Eins im buddhistischen Lager. Neben der Pracht der Bilder stellt Autor Hans-Wilm Schütte die Geschichte und Tradition in den Fokus. Strömungen innerhalb des Buddhismus sind oft stellenweise ein Dorn im Auge der Religionshüter sowie der Machthaber im Reich der Mitte.

„Im Dienst des Irdischen“ ist ein tiefer Einblick in den Alltag der Buddhisten in China. Tempel mit gigantischen Ausmaßen, daneben bescheidene Rituale, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Besinnliche Bilder und ausufernde Goldbeschau. Propaganda und reine Lehre. Wer sich auf diese Reise einlässt, erlebt Seite für Seite ein Abenteuer nach dem Nächsten. Unter den Reisebildbänden nimmt dieses Buch einen ganz besonderen Platz ein, und zwar auf den vorderen Plätzen!

Bulgarien

Bulgariens touristische Tradition reicht weiter zurück als man vielleicht vermuten mag. Für den einen Teil Deutschlands war es eines der Top-Traumziele. Nach der Wende geriet es fast über Nacht in Vergessenheit. Doch seit einiger Zeit mausert sich das Land am Schwarzen Meer wieder zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die Nachbarländer. Die Infrastruktur erstärkt und verstärkt das Interesse an Bulgarien. Es ist die Wiedergeburt eines der abwechslungsreichsten Länder Europas.

Und wenn man als Erster mit dabei ist, kann man den Aufschwung nutzen und Veränderungen am besten wahrnehmen. Autor Jens Alexis gehört sicher zu denen, die mit Fug und Recht behaupten können Erster zu sein. Und vor allem viel-, weit- und ausgiebig gereist zu sein. Vom Goldstrand bis in die Höhen der Karpaten und des Balkan, von urbanen Einkaufsmagistralen bis in die entlegensten Bergdörfer – zu Fuß, schwimmend auf der Donau, (auto-)mobil oder mit dem Rad. Als Autor eines Reisebandes ist man ja geradezu verpflichtet all das auszuprobieren … und Jens Alexis macht es auch. Wie selbstverständlich führt den Leser durch ein Land, das seine Schätze jedem offenbart, der sich offen dafür zeigt. Doch Eile ist geboten! Denn immer mehr Gäste strömen ins Land.

Immer wieder – und das schon beim bloßen Durchblättern – staunt wie vielfältig die Möglichkeiten vor Ort sind. Versteckte Bergklöster sind hier mindestens genauso normal wie endlose Sandstrände. Und wer nach dem Durchblättern sich die Zeit nimmt und den Reiseband wie einen Roman liest, der wird ziemlich schnell gepackt vom Reisefieber, weil er immer wieder neuen Entdeckungen vorgestellt wird. Zeugnisse, die vor zweieinhalbtausend Jahren ihren Ursprung hatten wie die Festung Shumen im gleichnamigen Nationalpark sind ebenso sehenswert wie Dzhumaya-Moschee in Plovdiv.

Wer sich bisher noch nie bis selten mit Bulgarien beschäftigt hat, macht große Augen bis hin zu Freudensprüngen, wenn man sich Seite für Seite in den Südosten Europas hineinliest. Die zahlreichen Karten und die unzähligen Fotos vermitteln zusammen mit den eingehenden Texten einen umfassenden Gesamteindruck eines Landes, das sich nur allzu gern touristisch erobern lässt.

Nordspanien

Durch den Norden den Süden im Süden genießen. Klingt konfus. Wird aber nachvollziehbar, wenn man diesen Reiseband liest. Der Süden, das ist Meer, Sonne, Genuss, Erholung. So soll es sein, so ist es auch. Und Spanien, als Synonym für den Süden kann darüber hinaus noch mit dem eigenen Norden punkten.

Vor allem, wenn man sich lukullisch „weiterbilden“ will. San Sebastian, das Baskenland im Allgemeinen, ist eine Hochburg der genussreichen Küche. Die Kochclubs der Stadt, in der schon die Sisi viele ihrer Sommerfrischen verbrachte, sind mehr als nur ein Experimentierfeld des Bauchstreichelns.

Nordspanien – das ist auch der Jakobsweg, das letzte Teilstück. Das ist auch Rioja – eine Region, die dem Wein ihren Namen gibt. Das ist Bilbao mit dem Guggenheim-Museum – ikonisches Highlight und Must-Do in der Baskenmetropole, die in den vergangenen zwei Jahrzehnt wie kaum eine andere Stadt ihr Aussehen (zum Besseren) verändert hat. Und sonst?

Dafür nimmt sich Autor Thomas Schröder knapp sechshundert Seiten Platz. So erfährt man von abgelegenen Orten, die tatsächlich noch so etwas wie Geheimtippcharakter in sich bergen. Wie Laxe, ein kleiner galizischer Ort mit einem reizvollen weißen Dünenstrand. Hier rollt man nicht den üblichen roten Teppich für die Gäste aus, die Landschaft ist einladend genug. Ein bisschen muss man sich selbst einbringen, um Laxe zu finden, aber das Ergebnis entschädigt wohl für so manches Links-Und-Rechts-Schauen.

Auch die weniger bekannte Region Kantabrien sollte man im Vorfeld im Buch schon einmal besuchen. Über fast alle Grenzen hinweg ist der Santander. Dass hinter der Marke eine zauberhafte Stadt steht, die nach einem verheerenden Brand vor achtzig Jahren wieder komplett aufgebaut wurde, wissen nur wenige. Heute strahlt sie mit der Sonne um die Wette und bietet weitaus mehr als einladende Strände. Die Architektur lädt zum Bummeln ein, das Kunstmuseum ist ein Augenschmaus, innen wie außen.

Nordspanien mausert sich zu einer Region, die immer mehr Gäste anzieht. Hier ist es nicht ganz so heiß wie in Andalusien, kulturell muss man sich hier hinter keiner anderen spanischen Region verstecken. Der Terror der ETA, was sicherlich viele Gäste viele Jahre lang abgeschreckt hat hier die schönste Zeit des Jahres zu verbringen, ist vorbei. Asturien, Galicien, Baskenland, Kantabrien, Navarra, La Rioja und Kastilien sind auch dank dieses Reisebandes immer öfter mehr als nur erfragenswerte Antworten in diversen Quizshows, sondern liebevoll ans Herz gelegte Reiseziele.

Mord auf der Kreuzfahrt

Eine Kreuzfahrt soll es sein, die Clare aus ihrer Schaffenskrise holt. Griechenland und die Insel des Dodekanes. So hat Nigel es sich ausgedacht, so wollen sie es versuchen. Und damals wie heute ist es ein köstliches Vergnügen an der Reling zu stehen und die Ankommenden vorab zu analysieren. Witwen, Witwentröster, seltsame Geschwisterpaare, ein Geistlicher nebst Gemahlin, dessen Bart sich beim Essen bewegt als sein Talar im heftigsten Küstensturm. Und ein Naseweis mit dem Drang alles in ein Notizheft zu schreiben. Nigel und Clare haben sichtlich Spaß bei der Tradition des Leute-Anschauens. Auch wenn ihnen so mancher Gast nicht willkommen erscheint. Man kennt sich aus der englischen Heimat und hegt so manches Vorurteil gegenüber den Anderen. Aber was soll’s: Es ist Urlaub, und die Reise dient einem guten Zweck (dem Clare wieder kreativ werden zu lassen).

Die Ausflüge zu den Tempeln, den Ruinen griechischer Tempel und das dazugehörige Geplänkel mit den Mitreisenden lassen schon dunkle Wolken am Horizont erahnen. Nigel und Clare fasziniert von allem was um sie herum vor sich geht.

Bis … ja, bis sich endlich der Titel dieses Krimis in seiner vollsten Pracht zu erkennen gibt. Frau über Bord, Mord – Nigel Strangeways ist nun gefragt. Denn er ist nicht nur Clares bester Freund, der diese Kreuzfahrt organisiert, um ihr zu helfen. Er ist außerdem Detektiv. Einer von der unermüdlichen Sorte. Einer mit Pfiff!

Es ist die Zeit, in der die steife Etikette an Bord von Dampfern langsam einem legereren Umgang weicht. Noch nicht ganz die Ära der Flipp-Flopp-Träger, die sich wundern, dass der Ouzo in Athen wie der Raki in Istanbul schmeckt. Doch der Umgangston ist ähnlich explizit.

Nicholas Blake nimmt den Leser mit auf eine mörderische Reise, die im Literaturbetrieb längst schon ein eigenes Genre kreiert hat: Kreuzfahrtmorde. Von Dr. Crippen bis Colombo kommt man nicht mehr umhin diese besondere Location für die menschlichen Abgründe zu verwenden. Nigel Strangeways – der Name ist Programm – geht seine eigenen Wege, um den oder die Täter dingfest zu machen. Fast könnte man meinen, dass das eine Familiensache ist. Denn Nicholas Blake ist ein Pseudonym. Er war Hofdichter der Queen und begann aus wirtschaftlichen Gründen Krimis zu schreiben. Sein richtiger Name lautete Cecil Day-Lewis. Und bei dem Familiennamen wird man hellhörig: Er ist der Vater von Daniel Day-Lewis, dem Schauspieler. Der hat seine Karriere – und hier ist die Parallele zum eigensinnigen Meisterdetektiv Strangeways – (vorübergehend) an den Nagel gehängt. Ein außergewöhnlicher Autor mit einer außergewöhnlichen Familiengeschichte und ein außergewöhnlicher Krimi – was will man mehr?!

Liparische Inseln

Inseln haben ihre eigene Faszination. Egal wie man steht, der Horizont ist immer das Wasser. Ein kleiner Kosmos, der auf dem Wasser treibt. Bei Inselgruppen kann es jedoch schon mal passieren, dass schnell das „Kennste-Eine-Kennste-Alle“-Gefühl aufkommt. Doch es gibt Ausnahmen. Wie die Liparischen Inseln.

Urgewaltig aus dem Leib der Erde wuchtig emporgestiegen, sind sie die Schönheitsflecken im Gesicht des Mittelmeeres. Feurig-brodelnd wie Stromboli. Wohlduftend und lieblich, so dass der Geldadel keine andere Wahl, um sich hier, auf Panarea niederzulassen. Exquisite Genusskultur auf Salina. Scharfe Einsichten auf Lipari. Jedes Vorurteil, ob des Namens bestätigend wie auf Vulcano. Entschleunigen auf Alicudi oder einfach nur in der Vergangenheit graben auf Filicudi. Sieben Inseln – sieben unterschiedliche Erlebniswelten. Auch wenn der Horizont …

Thomas Schröder widmet sich jeder dieser einzigartigen Inseln mit Hingabe. Schnell bekommt das das Gefühl hier zuhause sein zu können. Der Horizont als Limit? Nein, als Startpunkt für die nächsten Abenteuer! Immer wieder tauchen neue Abenteuer auf, die man unbedingt erleben muss. Ob nun zu Fuß rund um die Insel, was auf den Kleineren wie Alicudi und Filicudi deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt als auf Lipari. Oder mit dem Boot einmal einer der Inseln umrunden. Bergklettern. Ein Tipp im Voraus: Wer Inselhopping betreiben will, sollte Vulcano ans Ende seiner Reise setzen. Oder ganz sicher sein, dass am nächsten Ort rund um die Uhr eine Waschmaschine zur Verfügung steht. Denn hier brodelt nicht nur die Erde und dampft es an vielen Stellen, hier steigt einem unvermeidbar Schwefelgeruch nicht nur in die Nase, sondern vor allem in die Klamotten. Die Folgen kann man sich selber ausmalen.

Die Liparische Inseln sind das Zuckerli auf einer Reise durch den Süden Italiens. Kleinode im Meer, die sich bewusst auf Besucher einrichten und doch eine gehörige Portion Eigenwilligkeit in sich tragen. Und immer die Anreise berücksichtigen – auch dafür ist dieses Buch der ideale Unterstützer.

Ein Buch – sieben Inseln, alles drin, mehr braucht man nicht. Für schönes Wetter ist hier eh gesorgt. Die Reisevorbereitungen werden mit diesem Buch ein Klacks. Dann kann’s ja losgehen. Nicht vergessen: Die farbigen Kästen im Buch sind das Salz in der Inselsuppe und erleichtern hier und das sicher den Gesprächseinstieg. Denn so mancher Insulaner wird über das ausgeprägte Wissen der Gäste ins Staunen geraten… Garantiert!

Costiera amalfitana – Geschichte einer Landschaft

Eigentlich würde man die Region an der Küste bei Amalfi gar nicht erforschen. Zu steile Felsen, kaum Wege und Straßen. Und vor zweihundert Jahren gab’s nicht mal Übernachtungsmöglichkeiten. Olle Goethe hat deswegen diesen Landstrich mehr oder weniger mit Missachtung gestraft. Ha! Der arme Tropf! Reist nach Italien und schaut sich nicht einmal die Amalfiküste an! Das ist ja wie … Paris ohne Eiffelturm, San Francisco ohne zerrissene Jeans oder Barcelona ohne Tapas.

Dieter Richter – so steht es im Pressetext zum Buch – hat diese Region studiert. Ja, studiert. Die Amalfiküste – wenn man Traumjob googelt, muss das wohl dabei rauskommen.

Nun ja, es gibt viele Orte und Regionen, wo Italien am italienischsten ist. Meist hängt diese Bewertung vom eigenen gusto und Wissensstand ab. Und die costiera amalfitana ist sicherlich von Italienern überflutet, aber eben auch von so manchen sehnsüchtig nach Italien hechelnden Fremden, der, wenn er denn einmal einen Sitzplatz im ristorante am Meer ergattert hat, diesen nicht mehr hergeben will. Und somit zwar die Aussicht genießen kann, aber eben auch den Rest (die größere „Hälfte“) verpassen wird.

Dieses Wissensvakuum wird durch dieses kleine rote Büchlein gehörig mit Fakten, Analysen, Deutungen in hingebungsvollen Worten gefüllt, doch selber anschauen ist um Einiges mehr wert. So unwirtlich diese Gegend erscheinen mag – stramme Waden sind das Mindeste, was man erhält, nimmt man die Fußwege der Region – so sehr beeindrucket sie von jeher ihre Besucher. Hier versteckten sich Piraten, hier entstand die älteste Seerepublik Italiens, hier berauschten sich Künstler an ihrer Schönheit.

Eine Rundreise mit Dieter Richter ist ein Wissensflash der obersten Kategorie. Es gibt wohl kaum einer Zeile auf dieser Welt, die der Autor nicht vorher gelesen hat, um seinem Kompendium die nötige Fülle verleihen zu können. Von der regionalen Küche über römische Villen (und ihre durchaus pikanten bis geheimnisvollen Geschichten) bis hin zum touristischen Overkill der Gegenwart lässt er keinen Aspekt einer „natürlichen Entwicklung“ der costiera amalfitana aus.

Wer die Amalfiküste besucht, muss sich im Klaren sein, dass er niemals, oder nur sehr selten, allein sein wird. Man muss die Stille wirklich suchen – dafür gibt es Reisebände. Wer die Region verstehen, sie mit allen Sinnen aufsaugen will, der kommt um dieses Buch nicht herum. Das Standardwerk über eine der schönsten Landschaften der Erde!

Rhodos

Orthographisch ist die Insel die letzte Bastion der Tradition: Rhodos, mit H. Geographisch südlich der Türkei gelegen und in Sachen Erlebnis ein absoluter Volltreffer. Da muss man echt aufpassen, dass man nichts verpasst. Das Mittel der Wahl: Dieser Reiseband.

Natürlich ist Rhodos – die Insel Rhodos – ein exzellentes Badeparadies. Doch sich hier nur in die Sonne zu legen, wäre frevelhaft. Jahrtausendalte Hinterlassenschaften zeugen von einer reichhaltigen Geschichte – die neuere Geschichte trägt zum Beispiel den Namen von Anthony Quinn. Wie es dazu kommt – fahren Sie nach Faliráki… und genießen Sie die Ruhe, die mancherorts schon verflogen ist.

Hans-Peter Siebenhaar lässt den Leser an der wahren Identität der Insel teilhaben. Kaum eine andere griechische Insel hat einen derartigen Boom erlebt wie Rhodos. Dennoch gibt es sie, die kleinen versteckten Orte, die man suchen muss, um ursprüngliche Gelassenheit erleben zu können. Und dazu zählen nicht nur die Offensichtlichen wie Burgen und Wehranlagen vergangener Tage.

Wer sich auf den Brettern der Meere (für viele die Bretter, die die Welt bedeuten) wohlfühlt, für den ist Rhodos ein Paradies. Prasonisi im Süden der Insel klingt nicht nur wie Paradies. Hier schlagen die Wellen besonders hoch und die Herzen der Surfer höher. Höchstgenuss versprechen die Garnelen von Sými, einer Insel nordwestlich von Rhodos (ihr und auch Chalki im Westen sind Extrakapitel gewidmet – ein Ausflug dorthin ist im Nu erledigt).

Rhodos gehört sicher zu den Urlaubszielen, die allgemein bekannt sind. Bei der genauen Lage im Mittelmeer wird’s schon enger. Und wer immer noch meint, dass der Koloss das einzige Ziel der Insel ist, der muss unbedingt in diesem Reiseband blättern. Und sei es nur, um zu erfahren, dass er, der Koloss, aus bekannten Gründen nicht mehr zu den Ausflugszielen zu zählen ist, sondern vor allem, weil die Alternativen so zahlreich sind. Ob per pedes oder auf / neben Vierbeinern mit mal mehr oder weniger langen Ohren, ob auf dem Rad oder motorisiert – Rhodos wuchert mit einem Füllhorn an Möglichkeiten die Insel zu erkunden.

Der übersichtlich gehaltene Reiseband bietet für jeden etwas. Farbige Kästen, die die Geschichten hinter der Geschichte anschaulich untermalen, Ausflugstipps en masse sowie die Vorstellung von Orten, die man sonst in keinem Reiseprospekt findet. Hier hat alles, was sehenswert ist eine Heimat gefunden.

Ein schwarzer Flügel in Florenz

Was für eine Reise! Ulrike Rauh ist einmal mehr in ihrem geliebten Italien. Und wie immer, wenn sie „nur“ mit Gepäck unterwegs ist, reist sie niemals allein. Ihre Neugier treibt sie förmlich in die Arme von Menschen und Kultur. Und was wäre Italien ohne Musik?!

Immer wieder lässt sie sich von Tönen, Harmonien, Melodien verführen innezuhalten oder vom eingeschlagenen abzuschweifen. Und immer trifft sie die richtigen Entscheidungen. In Florenz hat sie sich für zwei Monate eine Unterkunft gesucht, um einen Sprachkurs zu belegen. Doch schon der schwarze Flügel im Appartement der Gastgeberin weist ihr den Weg für die kommende Zeit.

Es sind die kleinen Geschichten in diesem außergewöhnlichen – ja fast schon einzigartigen – Reisebericht, die das Lesen zu einem rasanten Vergnügen machen.

Ulrike Rauh ist bei ihren Erkundungen bei so mancher Berühmtheit zu Gast. Sie lauscht den großen ihrer Zunft und entdeckt dabei so manches Talent. Was alle Geschichten vereint, ist die Tatsache, dass Musik ein verbindendes Element ist. Wer Musik liebt, kommt sich schnell einander nahe. Das spürt man in jedem Satz, den die Autorin dem Leser zwanglos anbietet. Man schwebt zwischen Dur und Moll, gleitet über die Tastatur der Klaviere und sie lernt dabei noch so manches neue Instrument kennen. Von einem Lyra-Klavier hatte sie noch nie gehört.

Die Leichtigkeit der Texte ist die Partitur, die Ulrike Rauh in wohlklingende Wort verwandelt. Auf Reisen kann dieses Büchlein der Trompetenstoß zum Eintauchen in die Welt der Musik sein.