Böhmisches Bäderdreieck

Františkovy Lázně, Mariánské Lázně und Karlovy Vary bilden das Böhmische Bäderdreieck. Das muss man niemandem mehr erklären. Und statistisch war jeder schon mal hier. Die Region ist – wie in diesem Reiseband beschrieben – zusammen mit Plzeň das touristische Zentrum im westlichen Tschechien. Prag ist nur ein Katzensprung entfernt, Franken gar noch näher und das Erzgebirge bildet im Norden eine natürliche Grenze, die man nur allzu gern überquert – egal in welche Richtung.

Diese drei Orte – Franzensbad, Marienbad und Karlsbad, die Namen sind geläufiger – sind der Innbegriff des Kurens in Mitteleuropa. Die Quellen der Region versprechen für allerlei Wehwehchen rasche Linderung. Doch was diese drei Orte auszeichnet ist ihr anhaltender Ruf. Von Goethe über Chopin bis hin zu diversen adeligen Staatsoberhäuptern genoss und genießt man hier die entspannte Atmosphäre. Auch wenn man teils im Dreieck springen muss, um voranzukommen. Denn es gibt Zeiten im Jahr, in denen die drei Städte und die Orte dazwischen wirklich überlaufen sind.

Was tun also, wenn man mitten in der Saison zwischen Menschenmassen umherspringen muss, um sich schlussendlich doch erholen zu können? Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Aber es ist ein guter Anfang sich mit diesem Reiseband auf das Triangolat (gibt es das Wort überhaupt?) der mineralischen Genesung vorzubereiten.

André Micklitza schafft es in der Kürze des Buches ein Füllhorn an Aktivitäten, Besichtigungen und Wanderungen zusammenzustellen, das es einem tatsächlich erlaubt mehrere Wochen den Massen aus dem Weg gehen zu können und dennoch die Pracht der Region ausgiebig kennenzulernen. Und dabei auch wirklich nichts auszulassen!

Es ist klar wie das Quellwasser, dass man in den Kurzentren – allein schon der Wandelgang in Franzensbad ist ein Augenschmaus – niemals allein sein wird. Doch die großzügigen Anlagen bieten viel Platz für ruhige Erholungsminuten.

Es sind vor allem die kleinen Tipps – meist farbig unterlegt – die dem Besucher einen Vorsprung vor der Tourimeute bieten. Kleine Gassen, entlegene Pfade, erhabene Aussichtspunkte oder einfach nur Orte, an denen man sich leicht überzeugen lässt, warum so manches Schwergewicht aus Kultur, Politik und Adel hier dem Müßiggang frönten.

Hat man sich genug erholt, sofern das möglich ist, oder einfach mal zwischendrin, steht einem Besuch von Plzeň nichts mehr im Weg. Die Stadt setzte sich mit ihrer Braukunst selbst ein Denkmal – eines der Denkmäler, das man gern besichtigt… Doch auch hier gilt: Nur eine Attraktion ist zu wenig. Plzeň bietet mehr als literweise Hopfenkaltgetränke.

Je nach Entfernung ist das Böhmische Bäderdreieck zu jeder Jahreszeit eine unbedingte Reiseempfehlung. Ein Muss hingegen ist dieser Reiseband.

Paris – Werke von Rainer Maria Rilke und Erik Satie

Rilke geht immer. Satie? Auch. Auch, wenn man ihn nicht unbedingt an erster Stelle nennen mag, geht es um klassische Musik. Er war halt ein Moderner. Wie Rilke. Und dennoch ist Saties Musik unverkennbar. Passagen und Melodien sind seltsam vertraut. So unbekannt ist er dann wohl doch nicht. Die getragenen Melodien sind die Verkörperung von Ruhe und Andacht.

Das nennt man dann wohl ein Match – nicht gegeneinander, sondern miteinander. Im Wechsel von Rilkes Gedichten und Saties Melodien entsteht ein Flammenmeer der Emotionen. Mit einem Fingerschnipp wähnt man sich im Paris zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Die Stadt ist seit ein paar Jahrzehnten eine ganz neue Metropole. Und mittendrin Rainer Maria Rilke. Er ist mit Auguste Rodin zusammengetroffen und arbeitet für ihn. Die Boulevards sind gewaltig. Die Architektur ist prächtig. Die Luft flirrt. Und Rilke gibt der Stadt den romantischen Anstrich, den sie bis heute bewahrt.

Der Reigen wird ergänzt durch die zauberhaften Melodien von Erik Satie. Jeder Tastenanschlag wird bewusst ans Ohr des Zuhörers gelegt. Vollmundig lässt er die Nostalgie einen Nebelschweif um die Verlorenheit des Hörers treiben. Mal ganz sanft, mal mit unerhörter Härte lauern Töne auf den neugierigen Empfänger.

Die beiden Künstler lassen einem keine andere Wahl als sich genüsslich zurückzulehnen und ihre Worten und Tönen zu lauschen. Marit Beyer ist nicht einfach nur die Vorleserin von Rilkes Zeilen, sie zelebriert die Wucht der Zartheit seiner Worte mit jeder Silbe. Olivia Trummer ist Satie erlegen und würde sicher auch vom Meister persönlich Applaus bekommen.

Die Idee Paris mit Worten und Melodien in Szene zu setzen gelingt mit jeder Sekunde, die viel zu schnell verstreicht. Zum Glück gibt es ja die Zurück-Taste…

Oh! Wandern am Gardasee

Es ist ein wenig frevelhaft, wenn man den Gardasee nur mit Massen, die sich durch die engen Gassen schleppen in Verbindung bringt. Hier im Norden Italiens, wo Berge und Meer eine perfekte Symbiose eingegangen sind, gibt allen Unkenrufen zum Trotz, noch einen oder anderen Ort, an dem man tatsächlich Ruhe genießen kann. Ganz ohne Verkehrslärm, ohne die üblichen Sitzplatzblockierer in Fußballshirts und ohne hektisches Getrappel auf steinigen Pfaden. Man muss allerdings die Füße in die Hand nehmen und so manchen Aufstieg meistern. Als Belohnung winken atemberaubende Aussichten, leckere Mahlzeiten und ewige Erinnerungen.

„Immer diese Aussicht“ ist beispielsweise eine Wanderung überschrieben. So viel Zeit für die lachende Wahrheit muss sein. Und tatsächlich kommt man vor lauter Aussicht auf der Wanderung von Sasso zur Cima Comer kaum vorwärts. Also früh aufstehen und viel Zeit einplanen. Und unterwegs die richtige Abzweigung nehmen. Welche? Autor Peter Righi weiß es ganz genau! Als Belohnung warten ein palazzo con parco und immer wieder Aussicht, Aussicht, Aussicht. 180 Grad, mindestens.

Da fühlt man sich manchmal wie ein Blatt im Wind. Ein Papierblatt. Zumindest, wenn man von Toscolano Maderno nach Gaino wandert. Und zwar durch das Tal der Papiermacher. Exquisite Mitbringsel mit wenig Gewicht inkl.

Oder mal so richtig Geschichte tanken. Dem, der jahrelang Europa auf der Nase herumtanzte selbst mal auf selbiger herumtanzen. Um wen es geht? Na, um Napoleon. Ein ganz besonderer Ort, mit ganz besonderer Geographie. Und Geschichte.

Das „Oh!“ im Titel ist nicht einfach so herausgepurzelt. Es ist eine Buchreihe, die diesen Titel wahrhaft verdient. Natürlich ist der Gardasee eine Top-Destination, unbestritten. Und es gibt unzählige Bücher mit allerlei Geheimtipps. Aber wer per pedes dieses Paradies erkunden will, braucht Erstens keine Gängeli, Zweitens wirklich hilfreiche Tippe, Drittens Kartenmaterial, das aussagekräftig die Route vorgibt, Viertens Standorte zum Innehalten und Fünftens garantiert nicht pfundweise Papier, um von A nach B zu kommen. Oder kurz gesagt „Oh! Wandern am Gardasee“ ist die perfekte Quinte für den neugierigen Wanderer.

Vom Reisen. Ein Fotojournal

Wenn man selbst zurückblickt und schaut wie man noch vor gar nicht allzu langer Zeit Urlaube geplant und gebucht hat, ist man verblüfft. Schleppte man sich noch vor rund zwei Jahrzehnten über Reisemessen, und danach die Kataloge die Treppen hoch in die eigenen vier Wände, klickt man sich jetzt durch die unendlichen Welten der Angebotsseiten im Netz. Und dennoch – auch wenn die Diaabende der Vergangenheit angehören – sind immer noch die Urlaubsbilder die Gedächtnisgrundlage für so manches Erlebnis. In jedweder Form verzieren diese Erinnerungen die Wände, oder die Fotoalben füllen meterweise die Regale. Reisen war, ist und bleibt die Erinnerung, die immer bestehen wird.

Ein bisschen Nostalgie schwimmt immer mit, wenn man zurückdenkt und an Unvorhergesehenes, Eindrucksvolles, Nachhaltiges erinnert wird. Dieses Fotojournal verbindet Vergangenheit und Gegenwart auf so wunderbare Weise. Zum Einen in Schwarz-Weiß gefangener Gedächtnistresor (Tresor im doppelten Sinn: Schatz und Aufbewahrung), zum Anderen viel Platz, um das soeben Erlebte schriftlich festzuhalten.

Eine echte Innovation. Während die meisten ihre Erlebnisse umgehend per social media der Welt ungefragt zur Verfügungen stellen, hat man mit diesem Fotojournal eine ganz persönliche Möglichkeit eine Erinnerung „für später“ zu schaffen.

Dieses „Weißt Du noch…?!“, dass unweigerlich zutage tritt, wenn man die Fotos erblickt in Verbindung mit den eigenen Niederschriften – Platz ist wirklich genug in diesem Fotojournal – ist unbezahlbar. Ja, die Fotos sind schon drin, im Buch der Erinnerungen. Sie sind aber Ideengeber, Ratgeber, Erinnerungsstützen. Den freien Platz daneben kann, darf, muss man selbst füllen. Doch vor die Worte hat der Reisegott die Erlebnisse gesetzt. Mit lockerer Feder füllt man in Windeseile den freien Platz im Journal.

Wer beispielsweise eine mehrwöchige Kreuzfahrt gemacht hat, sieht Bilder von anno dazumal von Menschenmassen am Anleger, die den Giganten der Meere zujubeln mit anderen Augen als Reisende, die jeden Schritt ihrer Reise selbst organisiert haben. Die wiederum vergleichen die die Fotos im Fotojournal mit ihren eigenen Empfindungen – früher war alles entspannter, weitläufiger, nicht so überlaufen.

Wer Reisen nicht nur als Sammelalbum für die Anzahl der Länder sieht, wo man seinen Fuß draufgesetzt hat, und diese Erinnerungen für sich und Nachfolgende festhalten will, hat beim Kauf dieses Fotojournals eine richtige Entscheidung getroffen.

Die Welt als Zahl

Na, heute schon addiert, subtrahiert, multipliziert oder gar dividiert? Nein? Aber zumindest doch mit Mathe irgendwas zu tun gehabt. Nein? Wirklich? Fahalsch! Jeder hat heute schon auf sein Smartphone geschaut – das läuft nicht ohne Mathe. Aus dem EINEN Bett gestiegen, sich mit EINER Zahnbürste die – im besten Fall ZWEIUNDDREIßIG Zähne geputzt. Oder sich beim Einkaufen über die ZEHNprozentige Preissteigerung geärgert. Alles Mathe. Es geht nicht ohne. Und der Spruch aus der ACHTEN, das man das alles niemals mehr brauchen wird, ist somit hinfällig. Es geht nicht ohne Mathe, und schon gar nicht ohne Zahlen!

Ian Stewart sieht das genauso. Aber ist Mathematiker – der muss das sagen. Seine Verständnis von der Welt der zahlen, der Zahlen in der Welt geht aber viel weiter als der Benzinpreisvergleich per App. Zum Beispiel beim immer wieder heiß diskutierten Thema Organspende. Was hat das denn mit Zahlen zu tun? Nun, zum Ersten müssen die Werte stimmen. Also, passen das zu spendende Organ und der Empfänger überhaupt zusammen. Zugegeben, kein einfaches Thema. Ian Stewart schafft es aber fast spielerisch die komplexe Rechenaufgabe sehr gut darzustellen und vor allem zu vermitteln. Denn es spielen vielmehr Faktoren eine Rolle als man gemeinhin annimmt. Selbst Mathemuffel werden staunen wie einfach derartige Rechen“Spiele“ sein können…

Schon mal was von secp256k1 gehört? Nicht? Aber die Schlussfolgerung daraus ist in aller Munde. Es geht um Kryptowährung bzw. seine Verschlüsselung. Die Datenkrake, die in unser Portemonnaie greift, um es in zu verschlingen. Reich wird man mit dem Wissen darum allein noch nicht. Aber das Verständnis um die Sensibilität wird geschärft. Und vielleicht die Angst ein wenig … geschürt, gemindert … das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Ganz egal wie scharf oder lasch man die Zahlen der Welt sieht – und das hat nun wirklich nichts mit der Unschärfetheorie von Heisenberg (nicht der aus „Breaking Bad“, sondern dem Wissenschaftler, der schon mit 25 Jahren in Leipzig als Professor für theoretische Physik lehrte) – mit jeder Seite, die man umblättert, die man mit wachsender Begeisterung liest, werden Zahlen zu einem sichtbaren Teil unseres Lebens. Zumindest für die, die es sich nie vorstellen konnten. Die, die schon immer von Zahlen begeistert waren, sich der Realität nie verschlossen haben, spenden symbolisch anhaltenden Applaus.

Ian Stewart hat die Zahlen nicht neu erfunden. Sein Verdienst ist es ihnen einen Raum zu geben, in dem man sich wie selbstverständlich bewegen kann.

Das kann immer noch in Wien passieren

Als Wien-Tourist kann man es nur schwer vorstellen, dass hier so etwas wie Alltag einkehrt. Alle paar Meter gibt es etwas zu entdecken, dass es so eben nur hier gibt. Mit großen Augen marschiert man an beeindruckender Architektur vorbei, schaut hier und da mal rein, überblickt von so manchem Hügel die Metropole, berauscht sich in einem der zahlreichen Museen und lässt es sich im Café gutgehen.

Der alltägliche Schmäh ist da nur ein Beiwerk, das man erst bei genauerem Hinhören zu verstehen weiß. Es sind jedoch die Alltagsgeschichten wie in diesem Buch, die den Wien-Touristen vom Wienexperten unterscheidet. Wer also dem Schlangestehen am Café Central oder (noch schlimmer, weil länger) am Sacher nichts mehr abgewinnen kann, wem das Belvedere schon näher ist als die heimische Umgebung, der wird den Wienern mit Genuss aufs Maul schauen. Und wenn’s nicht allzu wianerisch wird, versteht man es … zumindest akustisch. Inhaltlich wird’s da schon ein wenig verzwickter. Doch es gibt Abhilfe.

„Das kann immer noch in Wien passieren“ ist die Allzweckwaffe im Wunderschönfinden des Alltagssingsangs in der Donaumetropole! Denn nicht alles, was so melodisch ans Ohr geflogen kommt, ist mit Liebreiz und Wohlwollen behaftet. Es sind schon deftige Abreibungen, die man allerorten vernehmen kann. Das beginnt bei der familiären Aufarbeitung der eigenen Geschichte derjenigen, die nicht fliehen mussten. Was den Autor dieser Anekdote dazu veranlasst zu bemerken, dass sein Gegenüber zumindest dafür verantwortlich ist, dass seine Familie fliehen musste, wenn sie denn konnte. Starker Tobak, wenn so ein Dialog „zwischen Tür und Angel“ stattfindet.

Diese Alltagsgeschichten sind gespickt mit Perfidität, laissez-faire und einer ordentlichen Portion Schärfe und Wortwitz. Oberflächlich eine schonungslose Abrechnung mit der hauptstädterischen Arroganz gegenüber allen von außerhalb. Doch in der Tiefe liegt der wahre Schatz dieses Buches vergraben.

Nicht alles, was scharfkantig ist, verletzt. Als Trostpflaster kann man dieses Buch ebenso verstehen. Denn wird vorbereitet ist, entgeht so manchen Verbalscharmützel. Zartbesaitete können in Wien schnell unter die Räder kommen, wenn sie sich nicht bewusst sind, dass nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Und in Wien kocht man sehr heiß – also verbal. Als Zusatzlektüre für den einen oder anderen Reiseband ist dieses kleine Büchlein, das sich mit Macht gegen übertriebene Korrektheit wehrt, unverzichtbar. Und mit diesem Buch in der Hand, am richtigen Ort kommt man garantiert mit echten Wianern ganz schnell ins Gespräch.

Hotel Amerika

Eine Hochzeit ist ein festlicher Anlass, ein freudiges Ereignis, in den meisten Fällen eine einmalige Sache. Für die direkt Beteiligten auf jeden Fall. Für alle drumherum, die die daran arbeiten, die Angehörigen etc. oftmals eine stressige Angelegenheit. Für Shirley, Ingrid und Franz ist es der ganz normale Wahnsinn im Hotel Amerika. Sie sind nach Amerika gekommen, um das große Glück zu finden. So ein Glück wie Braut und Bräutigam wollen sie auch haben … anfangs.

Shirley, aus Irland eingewandert, posaunt vielsagend in die Welt hinaus, dass sie es ihr letzter Tag sei im Hotel Amerika. Dann käme sie als Gast wieder. Ingrid, Schwedin, ein junges Ding, die immer noch Schwierigkeiten mit der Sprache hat, findet in Shirley eine gute Freundin. Sie sind guter Dinge, dass ihr amerikanischer Traum in Erfüllung gehen kann. Und dann ist da noch Fritz. Aus Berlin. Am frühen Morgen kreuzt er die Finger, dass es endlich klappt mit einer Festanstellung im Hotel Amerika. Sie alle haben keine Flausen im Kopf – Shirley vielleicht ein bisschen. Ihr Job ist ein harter Job. Ihre Träume sind greifbar und doch so fern. Und mit dem heutigen Tag sollen diese Träume ein Stück weit Realität werden.

Doch es kommt anders. Die Braut wird mit einer Nachricht konfrontiert, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Die Hochzeit steht auf der Kippe. Und im Hotel geht es drunter und drüber. Es ist nur ein Tag, der das ganze Leben aller verändern wird. Und diesen Tag beschreibt Maria Leitner auf wunderbare Weise.

Die Autorin selbst hatte ein bewegtes Leben. Sie genoss als eine der Wenigen eine fundierte Ausbildung. Sprach mehrere Sprachen. Reiste um die Welt. Doch die gesellschaftlichen Veränderungen im Deutschland des 20. Jahrhunderts – Krieg, Weimarer Republik, das Terrorsystem der Nazis – machten ihren Plänen fette Striche durch die Rechnung. Sie floh, kehrte aber ebenso oft, mit falschen Papieren ins brauen Deutschland zurück, um über das Voranschreiten des menschenverachtenden Systems berichten zu können. Doch ihre Flucht endete in einem Desaster. Ihre Bücher brannten als erste auf den Scheiterhaufen der unerwünschten Schriften. Sie hungerte, wandte sich an helfende Hände, wurden von den Nazischergen gefasst und starb einsam und vergessen in deren Gewahrsam. Erst Jahrzehnte nach ihrem Tod konnte dieser einwandfrei festgestellt werden. Die hilfreichen Hände, die Größen wie Feuchtwanger, Brecht und Mann den Weg in die Freiheit ebneten, waren für Maria Leitner nicht greifbar. Ihr Name geriet in Vergessenheit. Ihr erster Roman „Hotel Amerika“ ist nun endlich wieder verfügbar. Ein Juwel, dass eindrucksvoll beschreibt, wozu Menschen fähig sein können, wenn die Umstände die Wahl der Mittel bestimmen.

Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt

Eigentlich kann man es kaum noch hören: Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt! Und dann ist man da und sagt: „Ja, stimmt!“. In fast jeder Hinsicht. Ein geballtes Inferno an Museen, prächtige Straßen, eine funktionierende Infrastruktur. Ein lebenswerter Ort, ein Ort, an dem man nur die Ohren offenhalten muss, um dem Schmäh die Schärfe zu nehmen. So wie Andreas Rainer, ein Alltagspoet – der Alltagspoet. Er schnappt an der Tramhaltestelle, an der Ampel, im Café (wo sonst?!) was auf und verarbeitet es ruck zuck zu einem poetischen Pamphlet, das Kopfnicken und „Echt jetzt?“ zugleich hervorruft.

Diese kleinen Sticheleien gegen das lupenreine Image der Stadt sind mehr als nur eine kleine Brise Würze. Sie erzählen von dem, was dem Touristen verborgen bleibt. Es sei denn man kommt tatsächlich mit einem Herrn Ober ins „Gespräch“… Ihn heranwinken bringt nichts.

Andreas Rainer findet seine Geschichten auf der Straße. Da streiten sich Bauarbeiter und Polizei wer hier Vorrecht genießt. Oder es hagelt Beschwerden über die Arbeit – woanders ist auch nicht schlechter.

Dieses kleine Büchlein nimmt ein wenig die Schwere vom Titel „Liebenswerteste Stadt der Welt“. Hier leben auch nur Menschen, die allerdings mit einer ordentlichen Portion Schmäh dem Alltag die Stirn bieten. Derber Humor und Eleganz schließen sich also doch nicht komplett aus.

Und es gibt echte (Über-) Lebenshilfe für Wien. Wenn man einem Lehrer glauben darf, dann sollte man es tunlichst vermeiden psychisch Labile in der U-Bahn anzustarren. Das ist nicht nur Schulklassen zu empfehlen. Denn der Wiener steht über allen anderen Österreichern – was sicher nicht zu verallgemeinern ist, aber warum soll man sich als Gscherter zu erkennen geben (und den Unmut der Wianer sich zuziehen) – und das lässt er ganz gern auch mal sein Gegenüber spüren (schön mal verdutzt aus der Wäsche geschaut, wenn einem „a Sackerl“ angeboten wurde?).

Es gibt auch andere Städte, die für ihren Humor bekannt sind. Berlin zum Beispiel. Doch während man an der Spree mit der Dampframme zurechtgestutzt wird, wird man an der Donau sanft mit dem Hammer gestreichelt. Wien-Liebe to go steht wie ein Label auf dem Cover. Und so sollte man dieses Büchlein auch annehmen. Nicht zwingend am Graben sich auf einer Bank das Buch laut vorlesen. Auch nicht auf den Stufen der Albertina sich lauthals über (letztendlich sich selbst) lachen. Jedoch auf einer Bank leise vor sich hinschmunzeln während man darin blättert, sollte erlaubt sein. Und vielleicht trifft man auf diesem Weg genau den einen Wiener, der mit einem über diese „G’schichten“ bei einer Tschick lachen kann. Einen Versuch ist es allemal wert!

Phantome der Nacht – 100 Jahre Nosferatu

Immer wieder findet Listen mit „den besten Filmen aller Zeiten“. Die sind fast immer gleich – weil alle von einander abschreiben oder die Auftraggeber dieselben sind. Je nachdem wer die Listen erstellt, wer in der Jury sitzt, woher die Jurymitglieder stammen. Doch, ganz ehrlich, Listen in denen die Filmkunst nicht gewürdigt wird, sondern der Erfolg an der Kasse sind nichts weiter als Marketinginstrumente. Wenn tatsächlich einer der zahllosen Batman-Filme bedeutender – also „besser“ – als beispielsweise „Metropolis“ von Fritz Lang sein soll, sollte man mit seinen Zweifeln nicht hinterm Berg halten.

Vor wenigen Jahren wurde „Nosferatu – Symphonie des Grauens“ eine Ausstellung anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Uraufführung gewidmet. Eine Ausstellung für einen Film! Nicht etwa eine Devotionalienecke in einem Kaufhaus mit allerlei Krimskrams, um genervten Eltern ein paar Stunden Ruhe vor den quengelndem Nachwuchs zu gönnen. Einem Film also, der bis heute die Herzen des Publikums höher schlagen lässt. Nicht nur die ikonischen Bilder. Nicht allein die Effekte, die einzig allein mit handwerklichen Mitteln für Erstaunen sorgen. Nicht allein der Hauptdarsteller, der garantiert nicht wegen seines Namens ausgesucht wurde: Max Schreck. Nein, es ist das Gesamtwerk, angefangen beim opernhaften Vorspann über die expressionistischen Bilder bis hin zum dramatischen Ende. Die Handlung und die Musik (ein besonderes Ereignis, wenn man dies mit Orchesterbegleitung wie dem Babylon-Orchester im Kino erleben kann), die Farbgebung und die dramaturgische Aufbereitung sind ein Fest für die Sinne.

In diesem Buch, dem Begleitband zur Ausstellung im Jahr 2022, erlebt das Kunstwerk „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ seine Auferstehung in Dauerschleife. Immer wenn man darin blättert, erscheinen wie auf der großen Leinwand die Szene nicht nur vor dem geistigen Auge.

Der Film hatte Auswirkung auf fast jedes Kunstgenre. Graphic Novels beziehen sich bis heute auf die optische Umsetzung der Vampirlegende, die Parallelen zum Film von Friedrich Wilhelm Murnau sind derart offensichtlich, dass es keinen Sinn hat sie zu leugnen. Wohl nur noch das Konterfei von Marilyn Monroe von Andy Warhol oder von Che Guevara nach dem Schnappschuss von Alberto Korda haben ähnlichen Weltruhm.

Soll eine mystische Stimmung in einem Bild erzeugt werden, hier ist die Inspirationsquelle aller Düsternis.

Wer dem Mythos „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens “ verfallen ist, dem rauscht bei diesem Buch das Blut in doppelter Geschwindigkeit durch die Adern…

Keine Bleibe

Nicht wegen ihres Namens hat Angelika Sinn dieses Buch geschrieben, ein Buch, das obdachlose Frauen in den Fokus rückt. Es macht Sinn so ein Buch zu schreiben, obwohl es natürlich besser ist, ein derartiges Buch niemals schreiben zu müssen. Angelika Sinn arbeitet ehrenamtlich beim Tagestreff frauenzimmer in Bremen, der sich um Obdachlose kümmert. Sie bietet hier Schreibkurse an. Mit viel Einfühlungsvermögen und nicht weniger Geduld hat sich die Geschichten von acht Frauen zugehört und sie zu Papier gebracht.

So verschieden die Frauen sind, haben sie doch eines gemeinsam: Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem nichts mehr ging. Rechnungen wurden nicht mehr bezahlt, die Gewalt war unerträglich geworden, das Schicksal hat unverhofft und gnadenlos zugeschlagen. Die Straße war der einzige Ort, an dem sie noch existieren konnten. Dank Vereinen wie frauenzimmer und anderen fanden sie Hilfe. Die Verängstigung der Frauen konnten aber auch sie nicht ungeschehen machen.

Es sind wirklich keine schönen Geschichten im eigentlichen Sinn. Doch dass Hoffnung zurückkehren kann, eint die Frauen ein weiteres Mal. Es sind kleine und große Glücksmomente – auch der in Angelika Sinn ein offenes Ohr zu finden – die der Resignation den Nährboden entziehen.

Die stimmungsvollen und leisen Fotografien von Rike Oehlerking verleihen jeder einzelnen Beschichte in diesem Buch eine besondere Note. Detailaufnahmen ohne zu viel preiszugeben – wie ein Sinnbild für jedes Schicksal.

Es ist mühsam sich dem Thema Wohnungslosigkeit über Zahlen zu nähern. Je größer die Zahl desto mehr distanziert man sich von den Betroffenen. Wahre Hilfe kann nur jedem einzelnen gegeben werden, niemals einer ganze Gruppe oder gar einer Masse. Nicht aufzuhören über dieses Thema zu reden, zu schreiben, die Augen nicht zu verschließen, gehört genauso dazu.